Meine Hände zerren an dem Körper meiner Tante. Ich rüttele an ihren Schultern und an ihren Gliedern. Ich versuche das Leben in ihren Körper zu schicken, welches sie langsam immer weiter verlässt. Ich möchte sie nicht verlieren- nicht nochmal. Nicht erneut. Ich möchte nicht wieder das Gefühl in mir spüren, welches ich damals bekommen habe. Dieses tiefe Loch, dass einen in die Finsternis jagt, bis es dich vollkommen kontrolliert. Ich möchte weiter an dem Hoffnungsschimmer glauben, welcher jedes mal in mir aufkeimt, bevor er erstickt wird. Bevor er mir genommen wird.
Die Jaulenden und knurrenden Laute der Wölfe werden lauter. Sie dringen immer mehr durch den dichten Nebel hindurch und tragen eine Welle der Verzweiflung mit sich, die mich grässlich schnell erreicht. Sie nistet sich in mir nieder, sie zerrt mich von dem guten weg, sie bringt mich in eine Angst, die nicht nur um mich handelt.
"Rosie." wimmernd lege ich meine Hand um ihre Wange, erkenne wie die blauen Schlieren, des Wolfsbluts, in ihrer Haut zu zucken beginnen. Ich erkenne, wie sie sich immer weiter in ihrem Körper ausbreiten und ich kann nur schutzlos dabei zusehen, wie es den Körper meiner Tante dominiert und Triumphiert. Als sei sie ein Pokal, welcher keinen Preis, außer den Tod kennt. "Bitte nicht. Lasse mich nicht allein. Gehe nicht." wimmernd und schreiend presse ich meine Lippen aufeinander und lasse die salzigen Tränen über meine Haut laufen. Ich spüre wie sich mein Herz bei jedem Schlag zusammen zieht, während meine Augen auf ihre bleiche Haut gelegt sind, als würde ich noch immer auf ein Wunder denken und glauben. Als würde ich noch immer daran glauben, dass wir hier heraus kommen oder zumindest sie.
Erst die Hand die sich um meine Schulter legt und gewaltsam von der Autotür wegreißt, lässt mich schreiend meine Lider aufschlagen und um mich schauen. Das mir fremde Gesicht erscheint verschwommen durch meine Tränenflut, die in mir entstanden ist. Und dennoch erkenne ich das hämische Grinsen, welches er mir widmet, bevor sich die kalte Nadel in mich bohrt. Bevor sich das Metall ätzend an meine Haut anpasst und von meinen Nerve und Blutgefäßen umgarnt wird. Ich spüre wie sich die Flüssigkeit brennend in mir ausbreitet, wie sie meine Stränge verätzt. Sie befällt mich wie hunderte Dämonen, die die finstersten und düstersten Träumen in mir zum Leben erwecken. Und statt des weißen Nebels, welcher mich zu umgarnen versucht, erkenne ich nur noch den schwarzen Rand, der mich mit jedem Moment meines langsamen Herzschlages erreicht.
Sie ist Tod
Ich habe nie etwas derartig schlimmes gewollt. Ich habe nie etwas derartig grausames gesehen. Ich wollte sie retten, ich wollte sie von hier fort bringen, ihre Wunden versorgen lassen und ihre Seele wieder zum verstummen bringen. Doch ich habe es nicht geschafft, ich habe gesehen wie sich ihre Lider schlossen. Wie der letzte Atemzug ihre Lippen erklommen hat. Wie ihr Herz aufgehört hat zu schlagen. Und wie ich dabei zusehen musste. Und dieses Mal ist es für immer. Dieses Mal wird sie mir nicht wieder begegnen. Lebend. Lachend und wie in meiner Erinnerung.
Schmerzend beginne ich meine schweren Lider zu öffnen, spüre wie verklebt meine Wimpern sind und wie sie sich auseinander reißen, sodass ich die grellen Strahlen der Sonne entgegen blicke, welche durch die eisernen Stäbe fällt. Das Wasser pocht in beruhigenden Abständen gegen meine knienden Beine. Meine Haarsträhnen hängen mir Nass und Wild in meinem Gesicht.
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Lavea •Feuer des Herzens•
Lobisomem[Beinhaltet den ersten und zweiten Teil] Teil 1 - Abgeschlossen Teil 2 - Pausiert Nach dem Tod ihrer Mutter muss Lavea wieder den Kontakt zu ihrem Bruder aufnehmen. Nach sieben Jahren Trennung nimmt er sie bei sich, im abgelegenen Naturschutzgebiet...