"Mach es gut, süße. Und bitte baue keinen Mist." Mit erstickter Stimme löst sich meine Tante von mir und schaut mich ein letztes mal durch ihre braunen Augen an. Eine einzelne Träne läuft über ihre Wange, füllt sich in ihre kleinen Fältchen, die durch das aufmunternde Lächeln entstehen. Genau dieselben, durch lachen entstandenen Falten hatte Mom auch immer. Jedesmal wenn sie mich durch ihre starken Augen angeschaut hat, um mir zu signalisieren das alles gut werden würde. "Nicht weinen Rosie. Bitte nicht." murmle ich mit heiserer Stimme, schließe sie erneut in meine Arme und klammer mich an ihren zierlichen Körper. Beinahe gleichzeitig überkommt uns ein kleines schluchzen. "Es tut mir leid, Vea. Wirklich, aber es ist zu deinem besten." als ob sie sich erst selber von der Idee überzeugen müsste, redet sie auf mich ein. Aber meine Entscheidung ist schon lange gefallen. Ich würde zu ihm gehen und dort neu anfangen, so ungern ich es auch tu. Doch ich habe eingesehen, dass ich unten angekommen bin und diesen Zustand möchte ich einfach nur noch von mir schieben. "Schon gut Rosie." ich drücke bekräftigend ihre Hand, die sich in meiner befindet, löse mich dann vollständig von ihr und wische mit meinem Ärmel, meine Tränen weg.
"Ruf mich an, wenn du gelandet bist." murmelt sie ohne unseren Blick abzubrechen. Dann schenkt sie mir ein letztes mal dieses lächeln, was einen glauben lässt, es sei das herzlichste und schönste lächeln was man je gesehen hat. Wieder eine Eigenschaft die meine Tante mit ihrer Schwester teilt. Mein einst schönes lächeln erstarb. Meins wurde kühl und distanziert. Und das auch nur um irgendwie zu überleben und nicht dem Gefühl nach Rettung und Hilfe nach zu gehen, nicht um mein Gefühl von dem ertrinken die Oberhand zu lassen. "Danke. Für alles." ein letzten Kuss hauche ich auf ihre Sonnen geküsste Wange, bevor ich meinen bereits kaputten Rucksack schultere und den Katzentransporter in meine freie Hand nehme.
Meine Schritte fühlen sich wie Blei an. Als ob sie wüssten das ich gleich aus diesem Staat gehe; und das für die nächsten zwei Jahre. "Ach Lavea." schweren Herzens drehe ich mich erneut um und schaue zu der brünetten Frau, die für ihr alter noch immer unglaublich Jung aussieht. "Gib ihm eine Chance." durchbohrt von ihrem Blick, beginne ich ein zaghaftes nicken. Aber sicher sein, wie ich ihm gegenüber trete, bin ich nicht. Ich habe mir oft vorgestellt, wie unser erstes Aufeinandertreffen werden würde, habe mir Diskussionen und versöhnungen vorgestellt. Und jetzt wo ich meinem Verlangen nach dem ersehnten Streit nachgehe, fühlt es sich falsch an. Von Kopfschmerzen geplagt gehe ich in den Check Inn. Zwar habe ich mir von meiner Tante jeden einzelnen Schritt erklären lassen, aber das in der Praxis umzusetzen ist doch schwieriger als gedacht. In meinem ganzen Leben bin ich nicht geflogen. Wie auch? Das Geld habe ich nie gehabt, dazu hatte ich auch keine normale Familie oder Freunde die mich hätten begleiten können. Dennoch schaffe ich es irgendwie, mich beruhigt auf einen der schwarzen Stühle zu setzten.
Von hier hat man einen perfekten Blick auf das Rollfeld. Ich hatte schon immer insgeheim Respekt gehabt, vor diesen Maschinen. Denn ich hasse es meine Kontrolle abzugeben und somit muss ich es einer Mechanischen Maschine geben, die von nur zwei Personen gesteuert wird. Aber Gedanken habe ich mir nie darum gemacht, da ich nicht gedacht hätte jemals mit einem zu fliegen. Das Ticket habe ich von Rosie. Sie meint es wäre besser für mich von diesem Ort zu gehen, da ich hier schon zu viel scheiße gebaut habe, zu viel Leid erlitten habe und letztendlich zu falsche Freunde habe. Und auch wenn sie recht hat, so schmerzt es den Ort zu verlassen, an dem ich 17 Jahre gelebt habe. Auch wenn Chicago nicht unbedingt die besten Erinnerungen hervorhebt, so ist die kleine gammlige Wohnung im sechsten Geschoss, des schimmligen Hauses, mein Zuhause gewesen. Kam ich Nachts wieder Nachhause, so umströmte mich die wärme, die mir nur diese Wohnung bieten konnte. Selbst wenn ich alleine war, zumindestens das letzte Jahr.
Ich hole meine schwarze Bombay Katze aus den Transporter raus und lasse ihn auf meinem Schoß nieder. Das schnurren seiner Kehle, lässt mich lächeln. Ich liebe meinen Kater wirklich abgöttisch. Er ist nicht wie die anderen Katzen, die überheblich und eingebildet vorsichtig eine Pfote auf dem sauberen Boden setzten, dennoch mit der angst es könnte ein Sandkorn noch dort liegen. Nein, er stürzt sich Hals über Kopf in den Schlamm, folgt mir auf Schritt und tritt und Ausflüge -alleine-in der Nacht oder über den Tag kennt er nicht. Ich habe ihn deswegen oft mitgenommen und ihn lautlos hinter mir her gehen lassen. Der Aufruf für mein Flug nach Montana reißt mich aus den Spielchen mit meinem Kater. Schuldbewusst dränge ich ihn wieder in den Käfig und nehme ihn dann in meine Hand. Meinen Rucksack schultere ich und mein Ticket krame ich aus meiner Hosentasche, welches ich mit meinem Pass vorzeige. Meine Aufregung steigt von Sekunde zu Sekunde mehr, als ich diesen langen 'Flur' entlang gehe.
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Lavea •Feuer des Herzens•
Manusia Serigala[Beinhaltet den ersten und zweiten Teil] Teil 1 - Abgeschlossen Teil 2 - Pausiert Nach dem Tod ihrer Mutter muss Lavea wieder den Kontakt zu ihrem Bruder aufnehmen. Nach sieben Jahren Trennung nimmt er sie bei sich, im abgelegenen Naturschutzgebiet...