2«Trübsinnigkeit der verlorenen Emotionen

1.7K 132 6
                                    

Ich wünschte ich würde eine Angst spüren. Eine Furcht oder eine Sehnsucht, die sich in mir vorher ausgebreitet hatte, wie all die Träume der finstersten Nächte. Doch ich erreiche nichts. Ich spüre nichts, außer das stetige Pochen meines Hals. Die feurigen Abdrücke die sich brennend in mich bohren und meine Haut verglühen lassen. Ich spüre nichts, außer dem triefenden Schweiß, welcher mir meinen Körper hinab fließt und mir aufzeigt, wie sehr ich zu Kämpfen versuche und wie abgeschottet ich wirklich von mir selber bin. Und ebenso spüre ich eine entspannte Kälte, die sich auf meiner Stirn ausbreitet und meine hämmernden und drückenden Kopfschmerzen zu vernichten versuchen. 

Stöhnend schlage ich meine Augen auf und blicke in die mir bekannten von May. Auf ihren Lippen hat sich ein sanftes lächeln gelegt, während ich keinerlei Freundschaft oder funken an Emotionen in mir spüre. Und dies treibt mich in die Verzweiflung. "Wie geht es dir?" ratlos blicke ich der brünetten entgegen. Versuche auf ihre Frage zu antworten, doch ich kann nichts sagen. Ich kann nicht beurteilen, ob es mir gut oder schlecht geht. Ob ich Kummer habe oder ob ich Glücklich bin. Wo zuvor ein großes Loch voller Gedanken und Emotionen war, ist nun eine leere, die mich ebenso verzweifeln lassen würde, wenn ich diese Verzweiflung zulassen würde. 

"Wo ist Alec?" ich stütze mich mit meiner Hand auf der Matratze ab und richte mich Stück für Stück auf, um jede pochende und schmerzende Stelle in meinem Körper zu spüren. Um jede Trägheit zu erkunden. "Hey nicht so schnell." ihre Hand legt sich auf meiner Schulter nieder, wodurch ich schreckhaft hoch blicke und in ihre aufgerissenen Augen blicke, bevor sie ihre Hand von mir nimmt. "Was fühlst du?" ihre Frage lässt meine Brauen zusammen ziehen, ehe ich die Decke von mir weg schlage und erkenne, dass ich nicht mehr das Goldene Kleid an meinem Leib trage, sondern ein Seidenes Hemd, dass mir über meine Oberschenkel reicht. "Keine Ahnung. Also wo ist Alec?" ich blicke über meine Schulter, sobald sich meine Füße auf dem Teppich verankern und ich versuche das Gleichgewicht bei zu behalten. 

"In einer Besprechung mit dem Canadischen Rudel soweit ich weiß. Die Regierung sucht bereits nach ihnen, da sie ihr Revier verlassen haben." Hastig springt sie vom Bett auf, als ich bereits die Tür erreiche, gegen die sie sich lehnt. "Hör zu, ich weiß es ist gerade alles unglaublich... verwirrend für dich-" "May, es ist nicht verwirrend. Ganz im Gegenteil. Ich habe schon lange nicht mehr so klar gesehen." erneut zerre ich an der Türklinke und erneut lehnt sie sich mit ihrer Kraft dagegen, um mich daran zu hindern, dieses Zimmer zu verlassen. "Lavea, du sollst wissen, dass die Regierung hier auftaucht. Ich kenne Alec's Pläne nicht, aber er wird keinen überleben lassen. Hast du einen Plan?" meine Brauen verziehen sich, während mich ihre braunen Augen auffordernd anblicken. "Glaubst du, ich lasse euch im Stich?" ihr entkommt ein lästiger Laut. "Das habe ich nicht gemeint. Aber bisher hat Alec noch nicht getestet ob du ihm willenlos folgst. Und momentan erscheinst du mich kaum Lebhaft genug." 

"Lebhaft?" schnaubend zerre ich erneut an der Tür und erneut blockiert sie mir den Weg. "Der Sinn eines Bisses ist es, die Gefühle des Mates wahrzunehmen. Intensiver und Gefühlvoller. Ich glaube, er hat dir deine Gefühle genommen." schmunzelnd betrachte ich sie weiter, bevor ich endgültig an der Tür ziehe und sie in den Raum stolpern lasse. Meine Schritte sind kaum auf dem Teppich wahrzunehmen. Sie gehen in den Stimmen der noch immer bestehenden Gäste unter und verstummen. Sie verstummen, sobald ich den Ansatz der Treppe erreicht habe. Sie verstummen, sobald die Augen auf mich nieder gelegt wurden. Ich erkenne zwischen all den Leuten meinen Bruder, Nora, Theo, Adam. Ich erkenne selbst Ophelia, deren Augen auf mir liegen und betrachten. Sie betrachten mich in der Sorge, ich würde Fehler begehen. Sie betrachten mich in der Sorge, ich würde sie vergessen. Aber das tu ich nicht- ich versuche lediglich erneut herauszufinden was mit mir los ist. Warum ich nichts außer einem Loch fühle. Warum ich nicht mehr an den Kern meiner Seele komme, selbst wenn ich die Antwort schon kenne. 

Meine Hand umfasst den Lauf der Treppe, um jede Stufe einzeln zu nehmen. Um eine seltsame Kraft in mir aufkeimen zu spüren. Es tut gut, wie mich jeder anschaut. Mit solch einem Respekt, dass sie alles tun würden. Es tut gut, über ihnen zu sein und zu stehen. Es lässt etwas kleines in mir unglaublich groß werden. Erst die Hand die sich um mein Arm schlingt und zurück zieht lässt mich stoppen und erneut in May's Augen blicken. Mein Kiefer beginnt sich aufeinander zu bohren, denn die anderen hätten mich nicht aufgehalten. "Es gibt vieles was dich vielleicht nicht jetzt beschäftigt, aber was dich davor beschäftigt hat, Lavea." knurrend verengt sie ihre Augen, um mich vollkommen in Angst und Panik zu versetzten, doch ich spüre keine, außer ein Stück des Spottes. Schmunzelnd umfasse ich ihre Hand, um ihre Finger von meiner Haut zu lösen. "Möglicherweise war das so, doch wie du es bereits gesagt hast, es hat mich mal beschäftigt." die Ungläubigkeit schwimmt in ihren Augen, als würde sie diese niemals zu fassen bekommen. "Und was ist mit Ilay? Dein Mate?" ich spüre ein zucken. Das erste Zeichen das mir zeigt, dass ich nicht vollkommen leer bin. Doch mit diesem zucken um mein Herzen, merke ich auch, wie mich mit einer Welle der Trauer und der Angst befallen werde. Es lässt mich zurück schrecken, es lässt mich schwindelig werden, sodass ich Instinktiv diese Gefühle von mir fort schiebe. Denn sie erdrücken mich. Sie erinnern mich an eine Hilflose Zeit, sie erinnern mich daran, was das für ein kleines Gefühl war, bevor es zu wachsen begann. Bevor ich diese Treppe hinunter schritt. 

"Er ist nur ein Wolf. Ein Wolf, der seinem Schicksal erlegen ist." meine Stimme versagt unter meinen Worten und dennoch hat sie jedes einzelne gehört. Ich wende mich von ihr ab, schotte ihre Worte an mich ab und trete die letzten Stufen hinunter. "Das sind alles nur Wölfe, May." gebe ich ihr noch bescheid, als ich die Augen meines Bruders erblicke. Sie glühen vor einer unkontrollierbaren Wut. Eine Wut, die mich mal erschaudern lassen hat, doch diese Zeit ist vorbei. Es beginnt ein neues Kapitel. Ein neues Kapitel, welches ein neues Schicksal erzählt. 

Lavea •Feuer des Herzens•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt