7«Verfremdete Fremde in familiäre Bekanntschaft

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"Oh verdammt Matt." seufzend streiche ich mir meine Haare aus dem Gesicht und betrachte das alte Tasten Handy, welches in meiner Hand liegt. Immer wieder versuche ich Matt zu erreichen, doch ich schaffe es nicht. Und es beunruhigt mich umso mehr, je länger ich dafür brauche ihn auf der anderen Leitung zu erreichen. "Taynara." erschrocken drehe ich mich um und schaue dabei zu wie die Mädels ihre Sachen zusammen räumen. "Kommst du?" auffordernd winkt mich Gwen herbei, doch ich schüttle lediglich mein Kopf und verstaue das Handy in meiner Hosentasche, bevor ich zurück zu ihnen komme. "Ich würde ehrlich gesagt noch ein wenig hier bleiben. Könntet ihr die Hefte und Broschüren mitnehmen?" fragend blicke ich auf den Stapel, welcher von Judy aufgenommen wird. "Ok, soll ich noch hier bleiben?" ich erkenne den besorgten Funken in ihren Augen, wodurch ich schlicht meinen Kopf schüttle und ein sanftes Lächeln auf meine Lippen lege. "Brauchst du nicht. Ich komme aber zum Abendessen."

Schmunzelnd greife ich nach meiner Tasche, ehe ich mich umdrehe und den kleinen Imbiss verlasse. Erneut hole ich das Handy hervor und luge darauf, jedoch nur um herauszufinden das Matt mich nicht zurück gerufen hat. Es lässt mich beunruhigend an meinen Nägel kauen, während ich die Wege entlang laufe und versuche irgendwie aus der Hektik meiner Gedanken zu kommen. Um irgendwie das Chaos zu entfliehen, welches in mir entfacht wurde. Doch selbst hier wird mir bewusst, dass ich dies wohl kaum kann. Erst der schrille Ton und das sanfte Brummen des Tastenhandys lässt mich erneut auf den Display schauen und hektisch den Anruf entgegen nehmen.

"Verdammt wieso gehst du nicht an das Handy, wenn du doch eines hast?" aufgebracht fahre ich mir über meinen Hals um das stetige Pochen dahinter wahrzunehmen. Mein Blick gleitet zu den Schienen der Straßenbahn, die außerhalb des Parks liegt. "Lavea, manche haben noch ein Liebesleben und wollen nicht gestört werden- was du jedoch hast, also was ist los?" ich kann mir das schmunzeln nicht verkneifen, als ich seine gereizten Wörter höre und ebenso seine Raue Stimme, die jedoch in dem Zorn untergeht. "Es gab Angriffe an der Ostküste. Irgendwo in South Carolina oder so. Weißt du etwas darüber?" schwer atmend umgreife ich enger den Riemen der Tasche, welche immer wieder von meiner Schulter rutscht. "Inwiefern angriffe? Wovon redest du da überhaupt?" ich könnte mir auf die Zunge beißen, um einen Schrei zu verhindern, doch scheinbar lässt man mich in einem unwissend zurück, dass mich zerstören möchte.

"Matthew es gab Angriffe und zwar nicht von Alec oder sonst wen, das können sie nicht gewesen sein. Es beginnen sich andere Rudel zu wehren, irgendwas stimmt da nicht." mein Blick gleitet den Gang entlang und ich betrachte die alte Dame die versucht ihre Einkäufe festzuhalten, jedoch aussteigt und mich damit alleine lässt. "Lavea, wovon redest du da? Es können doch auch normale Wölfe gewesen sein. Hör zu, ic-"

"Nein Matt, du verstehst es nicht." kritisch unterbreche ich ihn, versuche seine Abschiebung zu verstehen oder zumindest zu akzeptieren. Aber alles in mir beginnt sich gegen jegliche Vernünftige Erklärung zu sträuben. "Lavea, ich kann verstehen das du unglaubliches durchgemacht hast und auch das du das alles erst einmal verarbeiten musst, doch du musst abschließen. Du darfst dich nicht von deiner Angst leiten lassen." sprachlos umklammere ich das alte Tastenhandy, während ich nur noch den Atem von Matt wahrnehme. "D-du..." meine Lunge scheint wie zugeschnürt zu sein, während meine Gedanken sich mit einmal eingefroren fühlen. Ich möchte Atmen, ich möchte glauben und ganz besonders möchte ich überzeugen, doch Matt wird wohl kaum einsehen, dass mehr hinter den Angriffen steckt. Zögernd lasse ich das Handy sinken, bestarre den Display, ehe ich auflege. Ehe ich dem klopfen meines Herzens lausche. Das pochende Blut, dass durch meine Adern fließt. Das stete beben meines Körpers.

Und ich spüre wie meine Finger sich um das Handy lösen, ich spüre wie sich der Wind zu spalten beginnt, wie sich die Geräusche aufbauen, wie sie die aneinander schlagenden Blätter übertönen. Ich lausche dem Klang, als das Handy auf das Metall fällt, als meine Schritte nach hinten gehen, als ich es betrachte, wie es auf den Schienen zu Puzzleteilen gemacht wird. Wie es bloß noch ein Haufen Trümmer ist. Wie es beginnt zu erzählen, was es heißt loszulassen.

"Da bist du ja endlich." lächelnd werfe ich die Schlüssel in die kleine Schale neben der Tür, während ich das Schloss hinter mir schließe. "Hat ein bisschen länger gedauert." entschuldigend lege ich ein sanftes schmunzeln auf meine Lippen, als ich zu Gwen komme und die letzten Reste des Essens in der Schale sehe. "Hast du noch Hunger? Dann wärme ich es ein wenig auf." dankend schüttle ich meinen Kopf. Ich fühle zwar keine Schwere mehr auf meinen Schultern, aber der Appetit ist noch immer vergangen ."Hm, wie du meinst. Ich stelle es für dich in den Kühlschrank."

"Danke dafür. Ich gehe erstmal in mein Zimmer." meine Lippen pressen sich aufeinander, während ich mich umdrehe und bereits den Lauf der Treppe umfasse. "Taynara." ihre Stimme zittert in dem Klang ihres Herzschlages, der aufgeregt gegen ihre Rippen schlägt. Ich lausche dem erhitzten Blut, dass durch ihre Adern rauscht. Auffordernd blicke ich sie an und erkenne wie sie versucht meinen Augen auszuweichen. "Es tut mir leid, aber ich war heute in deinem Zimmer. Ich hatte dir was reingelegt, für die Uni und dann..." sie bricht ab, als sie ihren Blick hebt. Doch ich bin vollkommen meiner Sprachlosigkeit verfallen. "Wirklich es tut mir echt leid, aber wieso hast du gesagt, dass du deine Kisten aufräumst, wenn dies doch gar nicht so ist." ihr Kopf legt sich Verständnislos zur Seite.

"Es gibt einiges, was ich versuche zu verarbeiten. Und ich habe Angst, dass ich ein vollkommen fremdes Leben in diesen Kisten finde." gebe ich leise von mir. Meine Worte scheinen sie zu beunruhigen, viel mehr zu fürchten als zu trösten. "Kann ich dir irgendwie dabei helfen?" sachte schüttle ich meinen Kopf.

"Du solltest wissen, dass die Angst immer nur so groß ist, wie man sie zulässt. Und je länger du davor flüchtest, desto unkontrollierbarer wird sie."

Lavea •Feuer des Herzens•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt