»Es ist eine Woche her, Elias.«
»Ich weiß.«
»Wir müssen uns für einen Platz entscheiden.«
»Müssen wir das.«
Ich erhalte keine Antwort, womit ich auch nicht gerechnet habe. Jo lässt mich viel in Ruhe, seit … Sie trauert auch, das weiß ich. Natürlich tut sie das. Nur jeder geht damit auf eine eigene Weise um. Wir kennen das. Ich kenne das. Als Ma …
»Ich sollte zurück zur Arbeit«, murmle ich und lasse meine Frau in unserem Haus zurück. Seit Wochen verbringe ich viel Zeit mit der Arbeit, schließlich muss ich mich auf irgendeine Weise ablenken. Das ist jetzt nicht wirklich besser geworden, auch wenn die Konzentration für die meisten Dinge fehlt. Kann man mir das verdenken?
Kurz nach … nach ihrem Verschwinden verlangte Jo die Scheidung. Wir wollten nie mit unserer Tochter, unserem Schatz, unserem … wir wollten nie mit ihr darüber sprechen. Dachten immerhin, dass wir es kitten könnten. Die Wahrheit ist, dass es schon ziemlich lange nicht mehr funktioniert hat. Doch wenn ich eine Sache von Ma und Mum gelernt habe, dann dass das Leben einfach so ist.
Manchmal bleibt man ein Leben lang zusammen, übersteht alle Widerstände gemeinsam und manchmal schafft man es eben nicht.Liebe ist nicht der Superkleber, für den wir sie gerne halten. Ja, sie kann viel ausmachen, aber manchmal reicht sie nicht.
Jo und ich hatten wundervolle Jahre. Daran wird sich auch niemals etwas ändern. Wir passen nur einfach nicht mehr zusammen, haben uns auseinandergelebt. Wir sind nur noch Freunde mit zu viel gemeinsamer Vergangenheit.
Auf meinem Weg in das Hotel, das nur fünf Minuten Laufweg von unserem eigenen Haus entfernt liegt, begrüße ich einen unserer Landschaftsgestalter, der stehen bleibt, um mir sein Beileid auszurichten. Das wird nie aufhören, was?
Mein Anrufbeantworter, dieses altmodische Ding, blinkt wie verrückt, als ich das Büro betrete, das mit Papierkram überfüllt ist.
Lucian und ich haben eine Abmachung getroffen, sodass alle Bauvorhaben auf Eis gesetzt wurden. Mir steht nicht der Sinn danach und auch er ist getroffen, was ich kaum von ihm vermutet hätte. Die letzte Zeit war anscheinend für uns alle schwer.
Deswegen stapeln sich die ganzen liegen gebliebenen Berichte und Anträge und sonstigen bürokratische Sachen, für dessen Abarbeitung ich vermutlich drei Jahrzehnte brauche. Aber jetzt habe ich ja massig Zeit, nicht? Ist das nicht hervorragend?
Ja, das war nicht ernst gemeint. Wenn ihr meine Stimmlage noch immer nicht einschätzen könnt, was macht ihr dann noch hier?
Okay, okay, okay. Ich weiß, dass ich gerade sehr leicht reizbar bin. Das tut mir leid. Es ist nicht einfach, wenn … Ihr wisst ja, was geschehen ist.
Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal blinzle, steht Jo mit einer Thermoskanne vor mir und sieht enttäuscht aus. Ihr liebster Ausdruck derzeit.
»Es ist vierzehn Uhr. Du wolltest sie in einer Stunde besuchen.«
Oh. Stimmt.
»Und du wolltest ihr erzählen, was geschehen ist. Es ist Zeit, Elias.«
Diesmal ist sie es, die mich stehenlässt. Immerhin habe ich Kaffee, was ein Plus ist. Es ist noch immer kühl draußen, die Sonne hat noch keine Kraft. Passt das nicht toll zu meinem Vorhaben?
Noch immer müde steige ich in meinen Wagen und stelle das Radio aus. Mir ist nicht unbedingt nach Musik und Fröhlichkeit, schon gar nicht heute. Weswegen die vierzigminütige Fahrt langsamer vergeht als sonst. Stille lässt die Zeit anhalten, habe ich das Gefühl. Als frisst sie sich durch alles hindurch, verlangsamt alles, macht jeden Augenblick noch unerträglicher. Dennoch lande ich letztendlich an meinem Ziel, gehe durch die ersten Türen, die in einem hässlichen Grün angemalt sind, durchquere eine weitere Doppeltür und lande vor der letzten Tür. Aus Glas, mit einem dicken roten Knopf daneben, auf den ich drücke.
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Everyday at 5AM
Художественная проза»Jeden Morgen um fünf Uhr steht er auf. Er stellt die Kaffeemaschine an, er putzt sich die Zähne, holt die Zeitung herein, lässt unseren Hund Unicorn in den Hinterhof und dann kommt er zu mir ins Zimmer, um nach mir zu sehen. Jeden Morgen um fünf Uh...