„Aber er sieht schon ziemlich gut aus", meint Janine und ich drehe eine meiner Locken gelangweilt zwischen meinen Fingern. Ich liege auf meinem riesigen neuen Bett, starre aus den großen Dachfenstern in den blauen Himmel und rolle bei Janines Aussage genervt mit den Augen.
Heute Nachmittag habe ich mir die Zeit genommen und angefangen nach diesem Team Rosenfeld zu suchen und habe nach einigen ernüchternden Ergebnissen und lauter langweiligen Zeitungsartikeln auch ein Bild von Kilian gefunden. Zwar leicht verpixelt und eine Art Helm verdeckt die Hälfte seines Gesichtes, aber Janine hat mich sofort angerufen, als sie die Mail geöffnet hat. Und schwärmt in den höchsten Tönen von ihm.
„Und deswegen soll gerade ich mir den angeln? Wie viele Jungs habe ich noch mal um den Finger gewickelt? Ach ja, keinen!" Meine Freundin lacht und ich merke, wie es mir einen kleinen Stich versetzt, es zu hören, aber nicht zu sehen.
„Meinst du, nur weil ich schon mal was mit einem Typen hatte, macht mich das zum ultimativen Experten? Sei einfach du selbst, vielleicht steht er ja auf solche Mädchen wie dich." Ich gebe einen prustenden Laut von mir.
„Mit einem Typen? Du meinst wohl, von deinem komischen Rumgeknutsche mit diesem Kerl aus dem Jahrgang über uns mal abgesehen. Und was meinst du mit Mädchen wie mir?" Ich drehe mich auf den Bauch und lausche aufgebracht in mein Handy.
„Das meine ich nicht so, Brook. Du bist klug, lässt dich nicht so schnell beeindrucken, bist ehrlich und sehr natürlich. Das will ich damit sagen. Vielleicht ist das ja seine bevorzugte Zielgruppe. Nicht jeder Junge kann damit umgehen, weißt du? Die meisten wollen so ein Weibchen, was nicht denkt und einfach nur hübsch aussieht und sie total übertrieben anschmachtet, wenn sie vor allen angeben." Ich muss kichern und Janine stimmt mit ein. Sie weiß einfach, wie sie mich wieder aufmuntert.
„Und du meinst also, du gehörst dazu?", erwidere ich lachend und ich kann quasi hören, wie Janine ihren schwarzhaarigen Kopf schüttelt.
„Ich bin zwar leicht zu beeindrucken, aber auch schnell wieder desinteressiert, wenn er das Niveau nicht halten kann." Wir lachen wieder und ich stopfe mir eines meiner kleinen Kissen vor die Brust, um es mir bequemer zu machen.
„Vorsicht, sie schmeißt mit Fremdwörtern um sich!", witzele ich herum und Janine gibt einen gespielt eingeschnappten Laut von sich.
„Jetzt hör mal, kein Grund überheblich zu werden, Brooklyn. Ich erinnere dich nur ungern daran, dass du am Arsch der Welt festhängst und ich weiterhin die Vorzüge der Zivilisation genießen darf, wie Andreas perfekten Milchkaffee to Go oder öffentliches WLAN." Ich strecke ihr die Zunge raus, auch wenn sie es nicht sehen kann. Aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass sie es mitbekommt.
„Aber im Gegensatz zu mir hast du da einen heißen Typen, den du dir schnappen könntest. Vorausgesetzt er ist nicht mit dieser Schreckschraube zusammen, von der du mir erzählt hast." Ich verdrehe erneut die Augen und lasse die Luft langsam und geräuschvoll aus meinen Lungen entweichen.
„Janine, ich fange nichts mit Kilian an, egal wie scharf er auch ist. Er ist... er ist einfach nicht mein Typ." Okay, das ist vielleicht gelogen, denn ich kenne ihn ja nur sporadisch. Aber ich habe weder die Lust noch die Zeit, meine Energie in eine mögliche Beziehung zu investieren. Und mit Juliane lege ich mich erst recht nicht an. „Und wenn er deiner Meinung nach doch so unglaublich anziehend ist, dann wird den sich schon irgendwer in diesem 100- Seelenörtchen und Umgebung geschnappt haben. Du siehst sowas immer viel zu unrealistisch!"
„Vielleicht siehst du das alles von deinem Standort einfach nur etwas zu pessimistisch. So eine Chance auf einen Typen bietet dir sich vielleicht nie wieder, wenn du da nicht wegkommst", versucht Janine mir meine anscheinend doch so große und einmalige Chance zu erklären, aber ich stöhne einfach nur leise in den Hörer.
„Hör mal Jani, ich muss jetzt Schluss machen. Ich hab noch einen Termin", falle ich ihr ins Wort und bin schon in Gedanken dabei, wieder zum Zaun zu gehen, als von Janine eine unerwartete Antwort kommt.
„Was 'n für ein Termin? Vorhin hieß es noch, du hältst es vor Langeweile kaum noch aus." Und da hat sie mich.
Janine ist meine beste Freundin und ich kann mich stundenlang mit ihr unterhalten. Aber besonders in solchen Situationen, wo sie versucht mir in Sachen reinzureden, von denen sie eigentlich keine Ahnung hat, hab ich es mir angewöhnt unsere Gespräche und Telefonate mit einem plötzlichen Termin zu unterbrechen, den es eigentlich nicht gibt. In der Großstadt kein Problem, da kann sich alles zu einem Termin entwickeln. Allerdings habe ich mir hier auf dem Dorf gerade selbst einen Stock zwischen die Räder geschmissen.
„Also, meine Ma hat irgendetwas mit uns vor, keine Ahnung was. Spazieren gehen oder irgendwelche Einheimischen treffen, was weiß ich", beginne ich mir meine Lüge zu spinnen und merke, wie meine Finger schweißig werden, in der Hoffnung Janine schluckt meine eher halbherzige Antwort.
„Oh, okay. Dann wünsch ich dir viel Glück, dass du dich da schnellstmöglich von absetzen kannst. Halt durch, Brooklyn. Bis bald." Ich hauche ein eiliges „Bis Bald" zurück und drücke den roten Hörer.
Ich rolle mich von meinem Bett und schlurfe die knarzende Treppe herunter. Ich werfe einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, aber Leon und Luis scheinen sich wieder irgendwo draußen herum zu schleichen. Seit wir hier sind, sind sie irgendwie nur noch an der frischen Luft unterwegs, das ist fast schon gruselig.
„Brook, Schatz. Du kommst genau richtig. Willst du mich beim Einkaufen begleiten?" Meine Mutter kommt aus der Küche und wirkt überraschend munter.
„Wo sind Papa und die Jungs? Und was machst du schon hier?", frage ich statt eine Antwort zu geben. Will ich sie begleiten? Ich bin ein vollausgewachsener Teenager, was erwartet sie? Dass ich laut ‚Ja!' schreie?
„Ich hatte früher Schluss, Papa ist im Büro und die Zwillinge sind mit ihren neuen Freunden auf einen Spielplatz hier im Ort zum Fußball spielen gegangen." Sie stellt einen geflochtenen Korb vor sich auf den Boden, den ich noch nie zuvor gesehen habe und geht, um unsere Jacken vom Haken zu holen.
„Und deswegen soll ich mit?", frage ich verständnislos. Sie nickt und hält mir meine Jacke entgegen, aus der aus der rechten Seite die kleine Plastiktüte hervor blitzt.
„Ich sag es nur ungern, aber der Erdbeerjoghurt und die Vollmilchschokolade tauchen nicht von selbst wieder im Kühlschrank auf und auf dem Weg schnappst du auch ein wenig frische Luft." Ich lache auf und beginne mir die Jacke überzustreifen.
„Als würde ich nicht oft genug dieses Haus verlassen, seit du mich zum Spazieren aus der Tür gejagt hast", fauche ich sie an und stopfe meine Hände tief in die Taschen meiner Jacke. Meine Mutter bedenkt mich mit einem scharfen Blick über ihren Brillenrand.
„Ich will dich kurz darauf hinweisen, dass du die letzten Tage immer von dir aus das Haus verlassen hast." Ich knurre irgendwelche undeutlichen Worte in den Kragen meiner Jacke, von denen ich nicht einmal ich sicher bin, was sie zu bedeuten haben.
„Komm, wir müssen los. Es nicht weit von hier aus, das können wir bequem laufen." Mama scheucht mich vor ihr her aus dem Haus und ich verstehe nicht, warum ich ihretwegen schon wieder das Haus verlasse, als die Haustür hinter uns ins Schloss fällt.
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Mit Herz und Huf - Gefunden
Fiksi RemajaBrooklyn ist ein Kind der Stadt, das ist sie seit ihres ersten Tages und das wird sie auch immer bleiben. Davon ist sie zumindest immer stark ausgegangen. Doch wie es das Schicksal will, kommt ihrem perfekten Leben ein Umzug dazwischen. Und ausgerec...