Kapitel 35

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"Was ist passiert?", fragte Liv und packte mich am Arm.

"Finn hatte einen Unfall und ist im Krankenhaus. Ich muss da jetzt hin." Ich riss mich los und drehte mich zur Tür, als ich in Tyler hineinlief.

"Du kannst da jetzt nicht raus. Falls du es noch nicht mitbekommen hast, es stürmt. Stärker als du es dir vorstellen kannst." Tyler hatte anscheinend gehört, was ich zu Liv gesagt hatte.

Tränen standen mir in den Augen und ich schüttelte den Kopf. "Ich gehe aber trotzdem, du kannst mir nichts verbieten. Außerdem sind Mum und John auch schon auf den Weg.", erklärte ich. Ich schlängelte mich an Tyler vorbei und wurde aber wieder prompt am Arm festgehalten.

"Wer fährt wo hin?", fragte Lucas, lies mich aber nicht los.

Wütend versuchte ich mich loszureißen, aber Lucas ließ nicht locker. Auffordernd sah er mich an.

"Ich fahre ins Krankenhaus.", zischte ich und schaffte es endlich, mich aus seinem Griff zu befreien.

"Was? Wieso? Warte, nein! Du kannst da jetzt nicht raus, es schüttet wie aus Fässern!", rief er mir nach, aber ich war schon längst bei der Tür. Plötzlich gingen die Lichter im Flur wieder an und ich rannte zum Fahrstuhl. Er öffnete sich sofort, und im letzten Moment sprangen Lucas, Liv und Tyler durch die Tür. Sofort kam Liv zu mir und nahm mich in den Arm. Ich heulte und heulte und merkte zuerst gar nicht, was der Fahrstuhl stehen geblieben war.

"Scheiße", sagte Tyler. "Wir sitzten fest. Der Fahrlstuhl steckt."

Dumm, dumm, dumm! Wieso hatte ich nicht die Treppe genommen? War doch klar, das der Strom nicht lange anhalten würde. Super gemacht, Lydia. Idiot.

"Nein, nein, nein, nein, nein!", rief ich und schlug verzweifelt auf die Tür und den Notfallknopf. Doch weder hörten wir eine Stimme, die uns versprach, dass der Fahrstuhl gleich weiterfahren würde, noch bewegte sich das scheiß Metallding.

"Scheiße!" Ich trat nochmals gegen die Tür, als sich zwei Arme um mich legten und mich vorsichtig von der Tür wegzogen und an die gegenüberliegende Wand lehnten. Tyler setzte sich neben mich, legte einen Arm um mich und zog mich an seine Brust. Er murmelte beruhigende Sätze in mein Haar, während ich sein Shirt mit meinen Tränen durchnässte. Ich verstand zwar nicht was er sagte, aber allein seine Stimme schien meinen Herzschlag wieder zu normlisieren.

Irgendwann hörte ich auf zu weinen. Der Notfallknopf war kaputt, also konnten wir nur darauf warten das der Strom wieder einsetzen würde oder jemand unsere Abwesenheit bemerkte und uns suchen würde. Langsam merkte ich, wie ich immer müder wurde. Tyler streichelte mir immer noch durchs Haar, und Olivias Kopf lag auf Lucas' Schoß. Sie war schon längst eingeschlafen, und Lucas Augen schlossen sich ebenfalls.

Nach einigen Minuten richtete ich mich auf und sah Tyler in die Augen.

"Danke.", murmelte ich und legte meine Hand an seine Wange. Tyler lächelte. Ich lies meine Hand an seiner Brust herabgleiten und faltete beide Hände zwischen meinen Knien, als ich realisierte, was ich da tat.

"Lydia..." Tyler sah sehnsüchtig zu mir herunter und öffnete den Mund, um mir etwas zu sagen, aber nichts kam heraus.

"Ja?", antwortete ich und setzte mich auf.

Tyler schaute mich an. Lange. So lange, das ich dachte er würde nichts mehr sagen, als er plötzlich fragte: "Wie lange sind wir schon hier drin?"

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Unsere Handys lagen alle noch im Gemeinschaftsraum, bis auf meins, aber ich hatte keinen Empfang.

"Eine Dreiviertelstunde ungefähr."

Tyler nickte und schaute nach vorn, nur um urplötzlich seinen Blick wieder auf mich zu richten.

"Weißt du, dass wollte ich dich eigentlich gar nicht fragen." Tyler lächelte nervös und legte eine Hand auf seinen Hinterkopf.

"Ich weiß.", antwortete ich. "Ich muss dir auch etwas sagen." Ich machte eine kruze Pause und zögerte.

"Meine Eltern sind jetzt seit zwanzig Jahren verheiratet. Mein Bruder hat seit zwei Jahren eine Freundin.", erklärte Tyler plötzlich und schaute mir wieder in die Augen.

"Ich weiß, war du bis jetzt alles durchmachen musstest.", flüsterte er. Tyler schaute kurz zu Lucas und nahm kurzerhand meine Finger und verschränkte sie mit seinen. Er lächelte, als er merkte, dass ich sie ihm nicht entzog.

"Dein Dad ist gestorben als du noch klein warst, deine Mum bekam einen neuen und du musstest von zu Hause wegziehen. Nicht zu vergessen die Sache mit Lucas."

Ich wollte etwas sagen, aber Tyler lies mich nicht zu Wort kommen. "Ich will damit nur sagen, dass...Lydia, ich..." Wieder lächelte er nervös und schaute von unseren Händen auf.

"Als ich noch klein war, hat mir meine Cousine mal ihren neuen Freund vorgestellt. Die beiden sahen so glücklich aus. Irgendwann hab ich sie an der Hand gepackt und zu unserer Schauckel gezerrt; da, wo uns niemand hören konnte. Ich hab sie gefragt, warum sie so glücklich war.
'Ich bin verliebt.', hat sie geantwortet. Damals konnte ich noch gar nichts damit anfangen, also fragte ich sie, was das bedeutet.
'Wenn du verliebt bist, dann, hm...wie soll ich das erklären?'
Sie suchte - für meinen Geschmack - zu lange nach einer passenden Antwort, also beschloss ich, ihr eine andere Frage zu stellen. Nämlich woher sie weiß, dass sie verliebt war, und nicht einfach nur dämlich. Meine Cousine lachte nur und fuhr mich durch die Haare, was mich ein wenig wütend machte.
'Wenn du verliebt bist, dann weißt du es. Dann weißt du auch, was es bedeutet.'
Ich denkte, ich weiß jetzt was es bedeutet." Tyler lachte kurz auf, und ich musste ebenfalls grinsen.

"Du hältst mich jetzt sicher für bescheuert, weil wir uns noch nicht so lange kennen. Aber alles was ich will, ist...dich." Er wollte noch etwas sagen, aber ich unterbrach ihn.

"Tyler, ich muss dir auch etwas sagen.", wiederholte ich. Ich lächelte und beschloss, dem Sprichwort 'Taten sprechen mehr als Worte' diesesmal Glauben zu schenken. Ohne weiter darüber nachzudenken lehnte ich mich nach vor und küsste ihn. Ich schob sein Snapback vom Kopf und legte meine Hände um seinen Hals. Tyler legte seine Hände um meine Taille und zog mich näher zu sich. Lächelnd lehnte ich meine Stirn gegen seine und küsste ihn nochmals, als sich plötzlich der Fahrstuhl wieder bewegte.
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Hey :)
Ich hab mir bei diesem Kapitel echt Mühe gegeben, und würde mich über ein kleines Feedback sehr freuen.
Ach ja, wer sich fragt warum in manchen Kapitel solche Trennstriche zwischen den Wörtern sind: Ich hab bei Word die automatische Silbentrennung eingestellt und es vergessen, hier zu ändern. Ich werde sie aber in Zukunft weglassen ;)
Jetzt sind ja Ferien, das heißt, ich werde versuchen, öfter was zu posten, ich kann aber nichts versprechen.
Wenn ihr Lust und Laune habt, schaut doch auch mal bei meiner anderen Geschichte vorbei: The Night's Daughter

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt