Kapitel 22

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„Wer bist du? Hast du uns etwa belauscht?“, fragte er und riss mich an meinen Haaren nach hinten.
„Lass mich los.“, zischte ich.
Er schaute mich nur wütend an, bevor er plötzlich meinen Kopf los ließ und mich zu Annabel und Dawn stieß.
„Lydia, also?“, fragte der Bullige. Ich hörte den dritten Typ scharf Luft holen. Ich schaute zu ihm, konnte aber nichts außer schwarzer Kleidung erkennen, da er sich Schutz im Schatten geholt hatte. Ich beachtete ihn nicht weiter und schaute wieder nach vorn.
„Lydia.“, schnurrte ihr Anführer und strich mir übers Kinn. Annabel packte meinen Arm und wollte mich hinter sich schieben, doch ich stellte mich neben sie und richtete mich auf. Dawn kroch aus ihrem Versteck hervor und stellte sich ebenfalls neben mich und packte meine Hand. Ich drückte sie kurz.
„Lasst sie in Ruhe. Sie hat nichts damit zu tun.“ Dawns verbarg nur schwer ihre Angst, trotzdem zitterte ihre Stimme nicht.
Die Jungs vor uns lachten nur. Der Anführer meinte: „Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir dich einfach als…Pfand…behalten, bis wir das Geld bekommen. Oder was meinst du, Maik?“ Er packte mein Handgelenk und entriss mich Dawns Griff. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Körper schien wie gelähmt von der Panik. Trotzdem stemmte ich mich so gut es geht gegen ihn, doch er war stärker als ich, und mein Kopfweh trug nicht gerade zu meiner Stärke bei. Panisch sah ich mich in der Gasse um und suchte nach einem Ausweg. Glasscherben lagen neben einer Mülltonne, doch sie waren zu weit entfernt. Sogar wenn ich sie zu fassen bekommen hätte, bezweifelte ich, dass ich mich getraut hätte, sie einzusetzen. Ich schloss die Augen und suchte nach einem Ausweg.
Heißer Atem schlug mir gegen die Wange und weiche Finger strichen mir eine Strähne aus dem Gesicht. Sofort drehte ich meinen Kopf zur Seite und starrte böse zu meinen Angreifer.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, denn für meinen nächsten Schritt würde ich ihn sicherlich brauchen.
Maik grinste und öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte holte ich aus und trat dem Jungen, der mein Handgelenk festhielt, ins Schienbein. Vor Schreck ließ er mein Handgelenk los. Ich nutzte die Gelegenheit und stieß ihm meinen Ellbogen gegen die Brust und Maik meinen Fuß ins Knie.
„Lauft!“, rief ich Annabel und Dawn zu. Zu Dritt rannten wir die Straße entlang. Hinter uns erklangen Wutschreie. Sofort beschleunigten wir unsere Schritte. Meine Turnschuhe hallten, wie mir vorkam, viel zu laut über den Asphalt und wir atmeten erleichtert auf, als wir auf eine üppig besuchte Straße kamen.
Erschöpft ließen wir uns auf eine Bank in einem Park nieder. Ich kam mir noch nicht sicher vor, und zuckte bei jedem Geräusch zusammen, doch meine Kräfte verließen mich und ich brauchte eine Pause. Ich starrte wachsam in die Nacht und hielt den Riemen meiner Tasche fest umklammert.
Als ich wieder das Gefühl hatte, nicht so angestrengt atmen zu müssen, drehte ich mich zu Dawn und Annabel.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich und legte Annabel eine Hand auf die Schulter.
Sie nickte und lehnte sich gegen die Bank. „Und bei dir? Du hast dir ziemlich den Kopf angeschlagen.“
Ich griff mir an den Hinterkopf. Eine kleine Beule war bereits zu spüren, aber sonst war mir nichts Schlimmeres passiert. „Geht schon. Was war da bitte los?“, fragte ich und versuchte, meine Wut zu unterdrücken. Sorge, Wut und Angst spiegelten sich in meinen Augen wieder.
Dawn rutschte unsicher auf der Bank hin und her. Offenbar versuchte sie, die richtigen Worte zu finden. Nach einer Weile hob sie ihren Blick und richtete sich auf. Tränen glitzerten in ihren Augen.
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter. Meine Muskeln spannten sich an und ich konnte einen kleinen Aufschrei nicht verhindern.

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt