Kapitel 20

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Miss Carter?“ Seit die Lehrer wussten, dass meine Mum und John heiraten würden, nannten sie mich Carter. Wie ich das hasste.
Mein Englischlehrer streckte in der sechsten Stunde wortlos seine Hand aus. Genervt gab ich ihm mein Handy und verschränkte die Arme auf dem Tisch.
Nach der Stunde musste ich noch kurz bei ihm bleiben. Ich bekam eine kurze Moralpredigt und nach zehn Minuten durfte ich wieder gehen. Die Gänge waren leer, da die Schüler entweder Unterricht hatten oder, wie ich, schon aus hatten. Ich wanderte durch den Schulflur zu meinem Spind. Schnell holte ich einige Bücher und rannte zum Bus.

Kira, Annabel, Dawn und ich verabredeten uns am Nachmittag noch mit Olivia, Liz und Marie-Ann. Wir wollten uns alle bei mir und Kira treffen, da ich ja Hausarrest hatte. Meine Mutter war zwar nicht zu Hause, aber sie konnte sich ihre Arbeitszeiten selber einteilen. Daher wussten wir nicht, wann sie zurück sein würde.
Nach der Schule hockte ich noch in meinem Zimmer und surfte im Internet, machte Hausaufgaben und ging Gassi mit Tyson und Nala.
Um fünf klopfte es an der Tür. Meine Freunde spazierten in mein Zimmer und zusammen schmissen wir uns auf die Couch und schauten einen Film nach den anderen. Keiner redete über den Vorfall von gestern, worüber ich außerordentlich froh war.
„Was ist das?“, fragte Liv, als der Film zu Ende war. Sie hielt meinen Schlüsselbund hoch und zeigte auf einen Anhänger.
Ich nahm meine Schlüssel und sagte: „Den hab ich von Lucas zum Geburtstag bekommen.“
„Wow, der ist wirklich schön.“, meine Dawn. „Wie habt ihr euch eigentlich vertragen?“
Ich erzählte ihnen von unserem Gespräch im Schulflur. „Damals hat er mir auch den Schlüsselanhänger gegeben.“ Ich lächelte.
Liv schaute zweifelnd auf den Anhänger. Ich schubste sie an der Schulter und versicherte ihr: „Er hat sich verändert. Wirklich, Liv.“
Liv nickte und schwieg.
„Ich kannte Lucas vorher zwar noch nicht, aber – ich denke auch, dass er froh ist, dass du wieder da bist. Als er hierherkam, dauerte es ewig, bis jemand an ihn rankam. Den Mädchen ist er sowieso immer ausgewichen. Seit du mit deiner Familie herzogen bist, ist er…offener. Und glücklicher.“, erklärte Kira.
Eine halbe Stunde später waren Kira und ich wieder alleine. Meine Mutter kam gerade nach Hause, als ich aus der Küche kam. Sie quetschte sich an mir vorbei und räumte die Einkäufe in den Kühlschrank.
Ich ging gerade die Treppe hoch, als Mum schrie: „Verdammt! Lydia, kommst du mal bitte?“
„Was?“, rief ich, ohne mich umzudrehen.
„Komm bitte.“
Ich ging langsam in die Küche und lehnte mich an den Türrahmen.
„Du musst für mich in die Stadt fahren. Ich hab was vergessen.“ Während sie das sagte, drückte Mum mir einen kurzen Einkaufszettel in die Hand.
Ich zerknüllte ihn, drehte mich um und sagte: „Tut mir leid. Ich hab ja Hausarrest.“
„Lydia“ Ihre Stimme zitterte vor Wut. „Geh jetzt. Bitte.“ Wir beide wussten, dass ihr Bitte nicht ernst gemeint war, trotzdem blieb ich stehen und schaute auf den Zettel in meiner Hand.
Wenn ich mich beeilte, könnte ich sogar noch in ein Modegeschäft gehen. Wer weiß, wann ich das dass nächste Mal machen würde? Doch hätte ich gewusst, was mich erwarten würde, wäre ich zu Hause geblieben.

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt