Kapitel 39

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Derek schaute wieder zu Boden und fing heftig an zu schluchzen. "Es tut mir leid, Lydia. Ich...ich hätte ihr helfen sollen, aber ich...ich habs versucht, aber...ich wurde selber von der Feuerwehr rausgezogen." Er hob den Kopf und sah mir genau ins Gesicht, als er sagte: "Kira ist tot. Es tut mir so leid."
Nein. Nein. Nein. Tief im Inneren wusste ich bereits, dass Kira tot war, aber ich weigerte mich, es zu glauben. Aber es jetzt ausgesprochen zu hören, machte es nur noch schlimmer. Mit einem Satz setzte ich mich auf und riss die Kabeln und Schläuche von meinem Körper. Ich sprang vom Bett und rannte Richtung Tür, als ich aufgehalten wurde. Tyler stand plötzlich vor mich und packte mich mit seiner linken Hand am Oberarm. Obwohl er mich nur mit einer Hand hielt, war er stärker als ich.
"Lass mich los! Lass mich!", rief ich und zappelte in seinen Arm. 
"Beruhig dich. Alles wird wieder gut. Schschsch." Tyler zog mich in eine Umarmung und langsam beruhigte ich mich wieder. Meine Kräfte verließen mich und ich sackte in Tylers Armen zusammen. Er hob mich hoch und setzte sich in einen Stuhl. Er flüsterte etwas in mein Haar, aber ich hörte nicht richtig zu. Ich weinte und klammerte mich an Tyler, als ging es um mein Leben. Es kam mir vor, als wären bereits Stunden vergangen, als Tyler mich wieder in mein Bett lag und ich einschlief.

Es war bereits eine Woche vergangen, als ich entlassen wurde. Zwei Tage, seit ich in meinem Bett lag. Und morgen war mein erster Schultag seit meinem Unfall. Die Stimmung war betrübt und traurig. Doch Mum, John und Eren versuchten, den Alltag wieder einkehren zu lassen und lenkten  sich mit den verschiedensten Sachen ab. Mum beschäftigte sich mit der Hochzeit, John arbeitete länger und Eren machte noch mehr Sport, als er sowieso schon tat. Mum wollte die Hochzeit nicht absagen, weil sie meinte, dass Kira gewollt hätte, dass wir sie feiern. Jedoch hat sie alles versucht, um die Hochzeit eine Woche zu verschieben, was ich nach längerem streiten auch gelang.
Derek und ich jedoch saßen die meiste Zeit herum und taten nichts. Naja, ich bin in den letzten Tagen in meinem Bett gelegen und hätte auch nichts machen können, selbst wenn ich gewollt hätte.

Aber wir waren auch nicht zu Hause. Nicht mehr. Unser ganzes Haus war Asche, es konnte nur noch wenig gerettet werden. Dank John und seiner Arbeit mussten wir uns um das Geld keine Sorgen machen, davon hatten wir mehr als genug. Aber Erinnerungen konnte man nicht kaufen. Die Fotos, der Schmuck, einfach alles war weg. Ich griff an meinen Hals. Derek hatte Kira ihr Medaillon vom Hals gerissen, als er sie retten wollte. Er hat es mir gegeben, weil Kira gewollt hätte, dass ich es bekomme. Ich freute mich, aber ich kannte Kira wie lange? Ein, zwei Wochen? Ich liebte sie wie meine Schwester, aber Derek und Eren sahen aus, als würden sie jeden Moment die Nerven verlieren. Trotzdem behielt ich die Kette, denn keiner von beiden wollte sie.
Ich drehte mich noch einmal um, um mich zu verabschieden. Dawn und Annabel hatten ihnen das Geld gegeben, aber sie hatten mir nichts näheres dazu erzählt. Irgendwas an der Sache war faul, aber im Moment war es mir egal, und ich war einfach nur froh, dass es ihnen gut ging. Dawn fing an zu weinen, als ich sie in den Arm nahm.
"Du darfst mich nicht vergessen. Du musst mir jeden Tag schreiben und mich mindestens dreimal in der Woche anrufen.", schluchzte sie. Ich lachte und versprach ihr, mich so oft wie möglich bei ihr zu melden. 
Der Abscheid mit Annabel war unkompliziert. Wir umarmten uns. Wir lächelten uns nur an, ohne ein Wort zu sagen. Ich nahm auch ihr stumm das Versprechen ab, mich bei ihr zu melden.
Als nächstes kam Lucas. Er war offiziell mit Liv zusammen. "Versteh mich jetzt nicht falsch, L. Ich werde dich vermissen, aber kannst du das vielleicht Olivia geben?" Er hielt mir eine Tasche hin, jedoch konnte ich nicht erkennen was darin war.
"Sicher. Was ist das?", fragte ich neugierig, doch er lächelte nur.  Ich schüttelte den Kopf und ging zu Jason. Er lächelte mich nur schüchtern an, als ich ihn kurzerhand umarmte. Zögernd erwiederte er sie, und schien nach einem Moment erleichtert zu sein. Er war in den letzten Tagen schon immer komisch gewesen. Dawn und Annabel warfen ihm ständig Killerblicke zu, und ich hatte das Gefühl, dass es etwas mit der Geldübergabe zu tun hatte.
"Tyler.", murmelte ich und stellte mich vor ihn. Er legte seinen gesunden Arm um meine Taille und küsste mich leidenschaftlich.
"Bis Samstag.", sagte er und legte seine Stirn an meine. Samstag, da war Kiras Beerdigung.
"Bis Samstag.", erwiederte ich und küsste ihn nochmals, bevor ich ins Auto stieg.

Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren, hörte 'Thinking out loud' von Ed Sheeran und lehnte mich an Finns Schulter.
"Wie lange fahren wir?", fragte Derek.
"Circa zwei Stunden.", antwortete Mum, als John den Motor startete. Wir fuhren zurück nach Hause. In unser altes Haus. Es war  noch leer, und da unser jetziges Haus abgebrannt war, blieb uns wohl nichts anderes übrig. Alle  Häuser in der Umgebung waren bewohnt, und für Mum und John kam es nicht in Frage, in eine Wohnung zu ziehen, keine Ahnung warum. Mum sagt, es sei nur eine Übergangslösung, aber ich denke, dass wir nicht nochmal umziehen werden.
John hatte sich verlegen lassen und arbeitete jetzt in der selben Firma, nur näher bei unserem zu Hause, genau wie Mum.
Die letzte Woche schliefen wir in einem Hotel, aber da wollten wir alle so schnell wie möglich raus.

Mein Wecker klingelte, als ich schon längst wach war. Gestern sind wir umgezogen. Ich stand auf und ging ins Bad. Die meisten unserer Möbel waren noch da, weshalb wir davon nicht mehr viel kaufen mussten. Heute nach der Schule würden wir einkaufen fahren. 
Eine Stunde später saß in in Finns Wagen und fuhr gemeinsam mit ihm, Eren und Derek zu meiner alten Schule.
Ich umklammerte nervös Livs Tasche von Lucas, während ich 'Show You' von Shawn Mendes hörte. Ich hatte nicht in die Tasche geschaut, obwohl ich mehrmals kurz davor war. 
Als wir endlich da waren, sprang ich förmlich aus dem Wagen und ging so schnell es mein Knöchel erlaubte zu Olivia. Die Blicke, die ich erntete, ignorierte ich. Eren, Finn und Derek kamen in unsere Richtung, als ich Liv halb umarmte, ich konnte meinen Arm noch nicht richtig hochheben, wegen meiner Schulter. Auch die anderen begrüßte ich, danach gab ich Liv aufgeregt die Tasche.
"Hier, das soll ich dir von Lucas geben.", grinste ich.
Liv lächelte fröhlich zurück und zog eine kleine Karte aus der Tasche.

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt