Kapitel 7

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Ich saß immer noch auf dem Boden, als Finn den Fernseher leiser drehte und seinen Kopf aus der Tür steckte. „Alles ok?“, fragte er. Sein Blick wanderte zu den Scherben, als er anfing zu grinsen. „War ja klar, dass man dir kein Geschirr in die Hand drücken kann.“ Auch Kyle fing zu lachen an, als er hinter Finn trat. Eren und Derek kamen ebenfalls aus dem Wohnzimmer und schüttelten grinsend den Kopf. Normalerweise würde ich Finn bissig antworten und auch kichern, aber stattdessen stand ich einfach auf und rannte in mein Zimmer. Finn hörte sofort auf zu lachen und folgte mir.
„Lydia? Was ist los? Das war doch nur ein Scherz. Mach die Tür bitte auf.“ Er klopfte gegen die verschlossene Tür und versuchte, sie aufzudrücken.
„Ich weiß. Ich bin nicht böse, ich…muss mich nur noch fertig machen. Du weißt schon, ich geh ja nachher zu Anabel.“ Finn schien nicht zufrieden mit meiner Antwort zu sein, verschwand aber trotzdem und sagte mir, dass er die Scherben wegräumen würde.
Ich setzte mich auf mein Bett, wobei Blut aus meiner Handfläche rann und auf die Bettwäsche tropfte. Doch es war mir egal. Ich saß einfach nur da und starrte die Wand an. Aber ich vergoss keine einzige Träne. Als Lucas wegzog, hatte ich mir geschworen, nicht mehr zu weinen. Das brachte mich schließlich auch nicht weiter. 
Irgendwann holte mich aber der Schmerz ein und ich stand auf und holte die Scherben aus meiner Hand. Eine nach der anderen zupfte ich sie mit der Pinzette aus der Haut und schmiss sie in den Mülleimer. Anschließend reinigte ich die Wunde und verband sie.
Gerade als ich fertig war, klopfte jemand an der Tür. „Lydia? Wir sind‘s!“ Ich schloss Kira, Olivia und Dawn die Tür auf. Anabel war zu Hause, weil sie noch etwas vorbereiten wollte. Olivia zog scharf Luft ein, als sie das Blut auf dem Bett sah. Augenblicklich drehte sie sich um und ihr Blick fiel auf meine Hand. Bevor sie etwas sagen konnte, erklärte ich: „Mir sind vorher die Gläser aus der Hand gefallen, ich bin ausgerutscht und dabei haben sich ein paar Splitter in meine Hand gebohrt. Halb so wild.“ Als Beweis hielt ich meine Hand hoch und entfernte den Verband. 
„Man, L, das sieht echt schlimm aus!“ Ich zuckte kurz zusammen, als Dawn Lucas‘ Spitznamen für mich verwendete. Ich schaute schnell auf meine Handfläche und hoffte, dass niemand meine Reaktion bemerkte. „Quatsch, so schlimm ist das nicht.“ Kira nahm meine Hand und legte mir wieder den Verband um. „In ein paar Tagen ist das wieder verschwunden, glaub mir.“ Sie lächelte mir aufmunternd zu. 
Danach packten Olivia und ich schnell unsere Taschen und gingen zu Anabel. 
Anabel wohnte nicht weit entfernt, deshalb gingen wir zu Fuß. Ich staunte, als Dawn und Kira auf ein großes weißes Haus zugingen. Olivia schien genauso beeindruckt wie ich. Das Haus war groß, und mehrere Stufen führten zur Tür. Von weitem konnte man erkennen, dass die Haustür mit verschiedensten Schnitzereien geschmückt war. Als wir näher kamen, erkannte ich, dass Verschnörkelungen, Lilien und Blätter den äußersten Rand der Holztür schmückten. Ich wiederstand dem Drang, mit meinen Fingern die Ornamente nachzufahren und konzentrierte mich stattdessen auf den Rest der Veranda. Neben der Eingangstür standen violette Blumen und weiter hinten zierte eine Hollywoodschaukel die Umgebung. Weiße Pölster lagen auf dem Holz und glänzten in der untergehenden Sonne. Auf einem der Pölster lag ein Buch.
Dawn läutete. Anabel öffnete uns kurz darauf die Tür und führte uns ins innere des Hauses.
Ich legte den Kopf in den Nacken und staunte. Die Decke war aus Holz und ebenfalls mit komplizierten Mustern verwoben. 
„Wow.“, flüsterte Olivia neben mir. „Du hast echt ein schönes Haus.“ Anabel bedankte sich und gemeinsam setzten wir uns in der Küche an den Tisch, als die Tür ein weiteres mal läutete.
Kurz darauf betraten Lucas, Tyler und Jason die Küche. Lucas stellte sich mir gegenüber an die Theke, Tyler ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und Jason ging zum Kühlschrank. „Anabel, ich nehm‘ mir hier mal was, ok?“ Ohne auf eine Antwort zu warten stellte er einen Teller in die Mikrowelle und starrte auf das drehende Essen. Anabel verdrehte nur die Augen und setzte sich, nachdem sie und etwas zu trinken geholt hatte, neben mich. 
Kurz darauf nahm Jason gegenüber von Anabel Platz und stopfte Nudeln in sich hinein.
Kira schnaubte abfällig. „Jason, weißt du eigentlich wie unhöflich du bist?“
Jason schluckte und schaute verwirrt zu Kira. „Was?“
„Du bist nicht zu Hause, Jace. Du frisst wie ein Schwein.“, antwortete Dawn und begann zu lachen. Auch wir übrigen – sogar Jason – konnten uns ein Lachen nicht verkneifen und kicherten. Langsam kamen wir ins Gespräch und redeten, bis es dunkel war.
„Lasst uns Flaschendrehen spielen!“, schlug Olivia vor. Ich hatte eigentlich keine Lust, aber da die anderen von der Idee begeistert waren, sagte ich nichts.
Anabel holte schnappte sich eine leere Flasche vom Tisch und ging dann ins Wohnzimmer. Dort setzten wir uns am Boden in einem Kreis auf. „Bereit?“, fragte Anabel und drehte die Flasche. Ich folgte schweigend ihrer Bewegung und grinste, als ich dachte, dass sie bei Olivia stoppte. Doch stattdessen zeigte der Flaschenhals auf mich. Olivia kicherte und Anabel, Dawn und Kira lächelten sich verschwörerisch zu. Als sie mir sagten, was meine Aufgabe war, rutschte mir das Herz in die Hose. Sie wollte, dass ich Lucas küsste.

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt