Kapitel 32

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Ich hockte unter einem Baum und schluckte die Tränen. Ich wusste nicht wie lange, aber irgendwann stand ich auf und machte mich auf den Weg aus dem Wald. Ich zwang mich auch dazu Kira eine SMS zu schreiben, dass ich auf den Weg zu Olivia war. Kira fragte mich, ob sie nachkommen sollte, aber ich verneinte. Liv war meine beste Freundin, und ich brauchte sie jetzt. 
Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg ich in den Bus und fuhr Richtung Stadt. Der Regen plätscherte gegen die Fenster, und langsam fing es auch an zu gewittern. Ich stieg aus und rannte um die Ecke in Richtung Hotel. Inzwischen schüttete es aus Fässern und der Regen schien jedes andere Geräusch zu übertönen. Einmal rutschte ich sogar aus, doch ich rappelte mich schnell wieder auf und lief weiter. 
Einige Minuten später stand ich schon vor Livs Zimmertür. Ich hämmerte ununterbrochen gegen die Tür, doch keiner öffnete mir. Ich zückte mein Handy und rief sie, Marie-Ann und Liz an, aber keiner hob ab. Ich fluchte und wollte gerade aus dem Hotel verschwinden, als eine Stimme hinter mir ertönte. 
„Lydia?“ Tyler schaute mich erschrocken vom Ende des Gangs an. 
„Tyler. Was machst du hier?“, fragte ich und ging auf ihn zu. 
„Naja, meinen Eltern gehört das Hotel. Was machst du hier?“ Tyler stopfte seine Hände in die Hosentaschen. 
Ich schob mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. „Äh, ich wollte zu Liv.“ 
Tyler strich mir sanft noch eine Strähne hinter das Ohr, während die Schmetterlinge in meinem Bauch zu flattern begannen. Oh Gott, was war nur los mit mir? 
„Liv? Gehört sie etwa zur Schulklasse, die gerade hier ist?“ Tyler lächelte mich an. 
„J-Ja.“, stotterte ich. 
„Die sind gerade in einer Besprechung im Freizeitraum, glaub ich. Sie müssten-“ In diesem Moment wurde an dem gegenüberliegenden Gang eine Tür geöffnet und gelangweilte Schüler strömten heraus. Donner ertönte, und Tyler und sprangen sofort auseinander. Olivia kam angerannt und umarmte mich.
„Lydia! Was war heute los? Geht es dir gut?“ Ich sah, das bereits einige Schüler tuschelten und auf mich zeigten. Olivia schien es ebenfalls zu bemerken, deshalb zog sie mich am Handgelenk in ihr Zimmer. Schnell packte ich Tylers Handgelenk und schleifte ihn hinter uns her. Marie-Ann, Liz und sogar Ethan kamen ins Zimmer, bevor die Tür hinter ihnen zugeschlagen wurde. Plötzlich konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich setzte mich auf Bett und faltete die Hände in den Schoß. Liv seufzte und legte einen Arm um mich. Ich spürte, wie mir jemand die Hand auf das Knie legte. Tyler. Ich wusste nicht wieso, aber ich sprang auf und fiel ihm in die Arme. Er strich mir beruhigend über den Rücken, und als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, fragte er mich: „Willst du darüber reden?“ Tyler strich mir über die Wange und ließ sie dort. Ich schüttelte den Kopf, lächelte gezwungen durch die Runde und nahm Tylers Hand vorsichtig aus meinem Gesicht.
„Hast du vielleicht Klamotten für mich? Meine sind ein bisschen…nass.“ Olivia grinste und ging zu ihrem Schrank. 
„Ein bisschen? Du siehst aus als wärst du in den Pool gefallen.“ Ethan schlug mir scherzhaft gegen die Schulter. 
Eine Dusche später und in neuen Sachen ging ich aus dem Badezimmer zurück zu Livs Zimmer. Die anderen unterhielten sich gerade mit Tyler, als ich zu ihnen stoß. Sie schienen sich gut zu verstehen. Als Liv mich bemerkte, drückte mich nochmal und schaute vielsagend zu Tyler.
„Heiß.“, flüsterte sie mir noch ins Ohr, bevor sie mich aufs Bett zerrte.
Sofort wurde Olivia wieder ernst: „Wirst du mir erzählen, was passiert ist?“
Sanft strich sie mir über den Arm, als ich erwiderte: „Ich kann nicht. Ich würde gerne, aber ich kann nicht.“ Zumindest war es die halbe Wahrheit. Ich wollte noch nicht über Finns und meinen Streit reden. Olivia akzeptierte meine Antwort, als Tyler vor uns stand.
„Ich unterbreche euch nur ungern, aber, Lydia, ich denke, du solltest deine Eltern anrufen um ihnen zu sagen, dass du heute nicht nach Hause kommst.“ Er lächelte entschuldigend.
„Wieso genau sollte ich nicht nach Hause kommen?“, fragte ich misstrauisch. Als Antwort hörte ich einen Donner. Sofort rannte ich zum Fenster und riss den Vorhang zur Seite. Es regnete in Strömen und die Straße sah aus wie ein gewaltiger Fluss. Der Wind schien jeden Moment einen Baum umzureißen und auch einzelne Hagelkörner fielen vom Himmel.
Ich spürte wie sich jemand hinter mich stellte. „Ich fürchte, du musst die Nacht heute mit uns verbringen, L.“, sagte Ethan.
Plötzlich wurde die Zimmertür aufgerissen. Lucas stand im Türrahmen und starrte mich vom anderen Ende des Raums an. Kurz darauf ging er zu Tyler und begrüßte ihn.
„Was machst du hier?“, fragte Olivia und verschränkte die Arme vor der Brust. Ethan stellte sich unauffällig vor mich. Was mich nur noch wütender war, als ich wegen den heutigen Ereignissen sowieso schon war.
„Oh, bitte. Wir sind nicht mehr im Kindergarten!“, ich schob Ethan von mir und fuhr fort „ Lucas hat sich entschuldigt, wir haben geredet und uns wieder vertragen. Und wer ein Problem damit hat, da ist die Tür.“ Mit meiner Hand deutete ich auf die Tür, doch keiner bewegte sich.
Nach einigen Sekunden der Stille erklärte Tyler: „Ja, ähm, ja. Um deine Frage zu beantworten, Liv, ich hab Lucas vorher, also als das Unwetter noch nicht so schlimm war, gesagt, er soll her kommen.“
„Okay, also werden wir wohl oder übel miteinander auskommen müssen. Marie-Ann, ich kenn unsere – eure – Klasse. Ihr habt doch sicher für heute irgendwas vorbereitet, oder?“, fragte ich und klatschte in die Hände.
Marie-Ann grinste und strich sich ihr Kleid glatt. „Klar, wir wollten einen Film schauen, im Gemeinschaftsraum. Wir wollen und nach dem Abendessen treffen.“
Während die anderen sich fürs Abendessen fertig machten, rief ich schnell meine Mum an.
„Hallo, Lydia! Alles in Ordnung? Es tut mir leid, aber John und dich werden wohl heute in einem Hotel übernachten müssen, wegen dem Unwetter. Ich hoffe, ihr kommt klar? Finn hat mich vorher angerufen und gesagt du wärst nicht zu Hause, aber jetzt bist du es doch wieder, oder?“
Sie wussten nicht, dass ich nicht zu Hause war? „Ähm, um ehrlich zu sein bin ich bei Liv im Hotel.“, murmelte ich.
„Was? Wieso? Nein, warte. Wir besprechen das, wenn wir uns morgen wieder sehen. Fahr einfach nicht nach Hause, solange es so stürmt, in Ordnung, Spatz?“
„Sicher.“ Wir redeten noch ein bisschen, bevor wir uns verabschiedeten. Die anderen gingen schon vor, als ich noch schnell Kira anrief um ihr zu sagen dass ich heute bei Liv im Hotel bleibe.
Eigentlich wollte ich mich den neugierigen Blicken der anderen nicht stellen, aber mein Magen sagte was anderes. Da Tylers Familie das Hotel gehörte, war es für Lucas und mich kein Problem hier zu schlafen oder zu essen.
Nach einem letzten Blick in den Spiegel ging ich aus dem Zimmer Richtung Speisesaal.

Carpe diem, LydiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt