》Kapitel 9《

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Die Hexen aus dem Coven fassten sich an den Händen und flüsterten alte keltische Chants, die Jonathan nicht verstand. Jasmin erklärte ihm, dass sie damit den Kreis festigen, sodass sie nicht mehr heraustreten konnten. Es war wohl eine Vorsichtsmaßnahme. Jasmin sah auf die Dinge, die Lydia in den Kreis geschmissen hatte, wusste aber nichts damit anzufangen. „Du hast gesagt du hättest das schon mal gemacht?", sie sah Jonathan fragend an. „Ich weiß nämlich nicht so genau was ich machen soll.", gab sie kleinlaut zu.

Es war peinlich genug nicht zu wissen wie der Zauber für den Pakt funktionieren sollte, einen Vampir um Hilfe zu bitten wäre ihr sonst niemals in den Sinn zu kommen. Jonathan sah nachdenklich auf die Gegenstände und zog sein Silbermesser aus der Jackentasche. „Das sollten wir schon hinbekommen, war die letzten Male ja auch nicht so schwer.", ermutigte er sie, schaute auf Lydias Ritualdolch und meinte nur: „Dem würde ich an deiner Stelle nicht vertrauen."

Er schnitt sich mit seinem Messer in die Handfläche und ließ das Blut in den Kelch tropfen. Dann bot er Jasmin das Messer an, die sich höchst widerwillig ebenfalls die Handfläche zerschnitt. Der Schnitt brannte höllisch und ihr Blut begann aus der Wunde in den Kelch zu fließen. Sie hatte vergessen, dass Ritualdolche so verzaubert sind, dass sie keine Schmerzen verursachen, Jonathans Silbermesser nur leider nicht. Als Jasmin in Jonathans Gesicht sah, konnte sie seine Fangzähne erkennen.

„Wenn du mich jetzt umbringst, werde ich dich als Geist heimsuchen.", versuchte sie zu scherzen, um über den pochenden Schmerz und eine leichte Panikattacke hinwegzukommen. Jonathan lächelte sie an und hob das Band vom Boden auf. Er nahm ihre blutende Hand in seine und wickelte das Band locker um die beiden Handgelenke. „Du musst etwas sprechen, das uns verbindet.", erklärte er.

Jasmin atmete auf. Diese Art von Magie kannte sie, doch sie wusste nicht, ob es so einfach funktionieren würde. Sie atmete tief ein und wieder aus und konzentrierte sich auf das Band. „Sator arepo tenet opera rotas.", flüsterte sie immer und immer wieder. Das Band begann sich zu bewegen, es zurrte sich fest, wie eine Würgeschlange um ihr Opfer, bis Jasmin und Jonathan ihre Hände nicht mehr auseinander bewegen konnten. Es fühlte sich falsch an. Sie sollte das nicht machen, sie sollte weglaufen und sich von Vampiren fernhalten. Jedenfalls sagte das eine Stimme in ihrem Kopf. Die andere sagte, dass schon alles gut gehen wird. 

Jonathan hatte unterdessen den Kelch mit dem Blut an die Lippen gesetzt und trank einen Schluck. Er leckte sich die Mundwinkel, als er Jasmin den Kelch gab. Sie starrte ihn verwirrt an und rechnete damit, dass er Hunger auf mehr bekommen würde, er schien sich aber zu beherrschen. Auch sie nahm einen Schluck des Lebenssaftes, der nach Salz und Kupfer schmeckte, in den Mund. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, ob es für Vampire auch so ein unangenehmer Geschmack war, kam aber zu dem Schluss, dass sie dann wohl nicht so verrückt danach wären.

Als sie das Blut runterschluckte fühlte sie sich seltsam. Ihr wurde etwas schwindelig und ihre Beine fühlten sich taub an. Sie verlor sich selbst und für einen kurzen Moment schien sie durch Jonathans Augen auf sich selbst zu sehen. Sie spürte ein Verlangen, dass sie nicht kannte. Hunger, nein etwas anderes, unbeschreibliches. Es schien sie zu verschlingen, sie konnte sich kaum dagegen wehren und wenn sie nicht nachgeben wollte, musste sie einen Schmerz ertragen, schlimmer als jeder, den sie bisher erlebt hatte. Bevor sie unter diesem Schmerz zusammenbrach, blickte sie wieder in die Augen des Vampirs, der ebenfalls wie paralysiert in ihr Gesicht blickte. 

Die Hexen hatten ihre Chants beendet, die Feuer waren fast heruntergebrannt und Lydia schaute mit Verachtung auf Jasmin und Jonathan herab. Jasmin bemerkte, dass ihr Handgelenk von dem Band gelöst war und dass Lydias Dolch nicht mehr neben ihr auf dem Boden lag. Noch bevor sie Jonathan fragen konnte, ob der Pakt besiegelt war, oder sie noch etwas machen müsste, hörte sie Lydia zu ihren Hexen sprechen. „Tötet die Verräterin!", befahl sie ihnen und zog ihren Dolch aus ihrer Manteltasche. Jasmin sah Jonathan in die Augen, der sie reflexartig hinter sich schob.

Es würde nicht helfen, wenn dreizehn Hexen sie einkreisen. Sie drehte sich mit dem Rücken zu Jonathan und bemerkte wie Lydia sich ihr näherte. „Jo, was machen wir jetzt?", fragte sie, leicht panisch. Er antwortete nicht. „Jonathan?", fragte sie wieder und drehte sich zu ihm um. Drei Hexen hatten ihn auf den Boden gezwungen, sie hielten ihre Hände über ihn und sprachen Zauber, die ihm anscheinend Schmerzen zufügten. Er lag zusammengekrümmt auf dem Boden und bewegte sich kaum, während die anderen Hexen sich auf Jasmin zubewegten. 

„Hast du gedacht ich lasse dich damit durchkommen?", fragte Lydia. Sie war bereits so nah an Jasmin herangetreten, dass sie ihr in die Augen sehen konnte. Jasmin spürte die Spitze des Dolchs an ihrer Brust. Ihr stockte der Atem. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass sie irgendwann den Preis für Mord bezahlen müsste, sie hatte nur gehofft etwas mehr Zeit bis dahin zu haben. Sie sah wieder zu Jonathan, der sich immer noch nicht bewegen konnte. Sein Blick sagte ihr, dass sie laufen soll.

Die Frage war nur wohin, denn sie war eindeutig umzingelt. Es wäre schön gewesen, wenn Jonathan jetzt einer der Heldenhaften Vampire aus dem Fernsehen gewesen wäre, aber das schien er wohl nicht zu sein. „Irgendwas, das du noch sagen möchtest?", fragte Lydia. Jasmin sah auf den Dolch und in Lydias Augen, dann sah sie die Hexen an die sich um sie versammelt hatten. Etwas in ihrem Kopf sagte, dass es einen Weg gäbe dem zu entkommen. Sie war auch dem Opferritual entkommen, es musste möglich sein das gleiche noch einmal zu tun. Auch wenn sie nicht genau wusste, was sie damals getan hatte. Reflexartig  packte Jasmin Lydias Hand, die den Dolch hielt und umfasste das Handgelenk.

Es fühlte sich an, als wäre es nicht sie selbst, die jetzt handelte, sondern ihre Magie oder vielleicht sogar die Götter selbst. Plötzlich spürte sie etwas, das Blut, wie es durch die Adern floss und den Herzschlag. Während Lydia sie fragend ansah, konnte Jasmin tatsächlich ihr Blut spüren. Sie konnte fühlen wie es alles in Lydias Körper am Leben hielt und sie konnte es in ihren Fingerspitzen spüren. Jasmin blickte in Lydias Augen und bemerkte, dass ihr Herz schneller schlug. Sie hatte die Kontrolle über die Hohepriesterin.

„Merkst du wie es schon wieder passiert?", fragte Jasmin und ging einen Schritt auf Lydia zu. Diese sah sie verwirrt an. „Erst bei Daniel und jetzt bei dir.", erklärte sie und nahm mit der anderen Hand, den Dolch von ihrer Brust. Die anderen Hexen standen wie versteinert um sie herum, sie machten keinen Anstalten ihrer Hohepriesterin zu helfen. „Spürst du wie dein Herz immer langsamer schlägt?", fragte Jasmin doch die Hohepriesterin konnte nicht antworten. Jasmin genoss die Macht, die sie über Lydia hatte, auch wenn sie ein bisschen Angst vor dem hatte was passierte. Sie hätte alles mit Lydia machen können, sie hätte sie sogar töten können. Ihre Magie beschützte sie, nur kontrollieren schien sie es nicht zu könne. Es war Jonathan, der sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Die Hexen, die sich zuvor noch um ihn gekümmert hatten, starrten wie gebannt auf Jasmin und die Hohepriesterin. „Jasmin, du bist keine Mörderin. Vergiss das nicht.", schrie er sie an. Doch das wollte sie nicht hören. Sie wollte Rache. Für alles was sie in Lydias Haus ertragen musste und vor allem für das Beltaneopfer. Sie festigte ihren Griff und ließ Lydia auf den Boden sinken. „Genau so habe ich mich damals gefühlt, als ihr mich opfern wolltet. Machtlos. Voller Angst. Atemlos. Gelähmt." Sie kniete sich neben Lydia und hielt ihr den Dolch an die Kehle. „Du hast einen großen Fehler damit gemacht, als du mir meine Magie wiedergegeben hast.", zischte sie und stieß  Lydia auf den Boden. Diese winselte nur und schnappte nach Luft, während die anderen Hexen die Flucht ergriffen. Jasmin wollte Lydia leiden sehen, doch bevor sie noch irgendwas machen konnte, warf Jonathan sie auf die Schulter und rannte mit ihr zu seinem Auto. 

„Was sollte das? Weißt du welche Schwierigkeiten du bekommst, wenn du eine Hohepriesterin tötest?", schrie er sie an. „Du kannst nicht einfach so, vor allen Mitgliedern des Covens eine Hohepriesterin derartig bedrohen." Jasmin war schwindelig von Jonathans Geschwindigkeit und sie fühlte sich schwach. „Ich war wütend! Und was hätte ich sonst machen sollen? Sie wollte mich umbringen - schon wieder! Du warst ja auch keine große Hilfe!", schrie sie zurück. Jonathan musste schlucken. Sie hatte Recht und er hatte keine Antwort. 

„Wie hast du das überhaupt gemacht?", fragte er stattdessen. Er war alt, aber er hatte die Art von Magie, die Jasmin benutzte noch nie gesehen. Weder bei Tabea, noch bei einer anderen Hexe. 

„Ich bin eine Hexe. Vergiss das nicht.", antwortete Jasmin schnippisch.

𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt