Dass sich Jasmin auf die Suche nach Lydia begeben sollte klang zwar nach einer guten Idee, nur wusste sie nicht recht wo sie mit der Suche beginnen sollte. Jetzt da sie wusste, dass Maya im Haus ist, war sie sich zwar sicher, dass Lydia nicht weit entfernt war, aber wenn sie nicht gefunden werden wollte, dann würde das wohl auch nicht so schnell passieren. Jasmin lief wieder in den Flur und stieß zunächst alle Türen auf, die sich hier befanden, doch hinter keiner fand sie Lydia. Sie hätte es nicht anders erwartet, aber sie hoffte durch den Lärm etwas Aufmerksamkeit zu erlangen. Nur vor einer Tür zögerte sie, als sie diese aufschlug. Es war die Tür ihres alten Zimmers.
Über alle Möbel, die hier noch standen, waren weiße Tücher gelegt und durch das große Fenster erkannte Jasmin den abnehmenden Mond. Erst als sie das Zimmer betrat erkannte sie, dass jemand in einer dunkleren Ecke des Raumes stand.
„Gott sei Dank, ich hab dich gefunden.", hörte sie eine männliche Stimme und fand sich schon bald in einer engen Umarmung wieder.
„Jo?", fragte sie sichtlich verwirrt, als sie Stimme und Gesicht erkannte. „Was machst du hier? Wie bist du so schnell...?", doch er antwortete ihr nicht. Stattdessen nahm er ihre Hand und zog sie aus dem Zimmer. „Wo gehst du hin, Jo? Ich muss Lydia finden.", versuchte Jasmin sich gegen seinen festen Griff zu wehren. Er schien verärgert darüber zu sein, dass sie ihn bei Marcus zurückgelassen hatte. „Vergiss Lydia.", sagte er, blickte ihr tief in die Augen und umfasste ihr Gesicht. „Lydia ist jetzt nicht mehr wichtig.", erklärte er eindringlich, aber Jasmin verstand kein Wort. „Vertraust du mir?", fragte Jonathan. Er hatte diese Frage schon so oft gestellt. „Ja.", antwortete Jasmin, obwohl sie immer noch nicht verstand was das hier sollte und schon gar nicht wie er es in der kurzen Zeit geschafft hatte herzukommen. Statt einer Erklärung drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen , was Jasmin für einen kurzen Augenblick erstarrten ließ. „Was soll das?", fragte sie und versuchte sich von ihm zu lösen. Jonathan verdrehte die Augen.
„Ich hab doch gesagt, dass sie es merken wird.", murmelte er in sich hinein und gab Jasmin kurz darauf einen Schlag, der sie ohnmächtig werden ließ.
Jasmin wachte in einem kalten dunklen Raum auf, dessen Boden und Wände aus Beton waren. Die Tür war aus Metall und hatte auf ihrer Seite keine Klinke, aber dafür ein Fenster. Sie war schon einmal in diesem Raum gewesen und es war nicht wirklich gut ausgegangen. Benommen von den Schmerzen in ihrem Kopf torkelte sie zu dem Fenster, um hinauszusehen, doch was sie dort sah bestätigte sie bloß in ihrem Scheitern. Ein leerer Keller, keine Menschenseele und die Gewissheit versagt zu haben, breiteten sich vor ihrem Auge aus. Jasmin ließ sich zurück auf den Boden sinken und fasste sich an die schmerzende Stelle an ihrem Kopf. Als sie danach auf ihre Finger blickte, sah sie Blut. „Scheiße.", murmelte sie und schloss wieder ihre Augen. Wie hätte es ihr auch anders ergehen sollen? Einem Vampir zu trauen war schon von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Allein schon die Tatsache, dass er genau dann aufgetaucht war, als Lydia ihr die Magie für immer nehmen wollte, hätte sie wachrütteln müssen. Stattdessen war sie naiv genug zu glauben, er würde nicht mit Lydia unter einer Decke stecken. Es verletzte sie, dass er sie in diesem Keller zurückgelassen hatte. Es war ihm so wichtig gewesen, dass sie ihm vertraute und jetzt stellte sich heraus, dass er sie die ganze Zeit über angelogen hatte. Der Dumpfe Schmerz der Enttäuschung ließ sie wieder einschlafen. Was sollte sie auch sonst in ihrer Zelle tun?Ein lautes Geräusch ließ Jasmin aufschrecken. Sie blickte auf die verbeulte Tür vor sich, deren Schloss kaputt war. „Du musst hier raus, Jasmin!", sagte eine Männerstimme. Vor ihr stand der Jonathan, die sie an den Armen packte und zu sich hochzog. Langsam wurde sie wieder klar im Kopf und erinnerte sich daran, wie sie in den Keller gekommen war. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper und innerhalb einer Sekunde war sie hellwach.
„Lass mich los!", schrie sie und wehrte sich mir aller Macht gegen seinen Griff. Er war stärker als sie, aber sie konnte sich trotzdem losreißen. „Was ist los mit dir?", fragte Jonathan, als wüsste er nicht, was er getan hatte. „Du Arsch! Du hast mich nur benutzt", schrie sie ihn an und streckte seine Hand in seine Richtung. Jonathan hob beschwichtigen die Arme, er wusste was sie vorhatte. Innerhalb kürzester Zeit gaben sein Beine nach und ließen ihn zu Boden fallen. „Jasmin.", flehte er, aber sie hörte ihm nicht zu. „Ich hab dir vertraut.", fluchte Jasmin und war kurz davor ihm sein elendes Herz aus der Brust zu reißen, als die Kellertür aufschlug.
„Na sieh mal einer an.", sagte ein weiterer Mann, den Jasmin, geblendet von Neonlicht, noch nicht erkennen konnte. Mit langsamen Schritten ging er die Kellertreppe herunter. Jeder Schritt ließ seinen Umriss klarer werden, bis Jasmin erkannte wer vor ihr stand - es war Jonathan. Verwirrt schaute sie zu dem Vampir zu ihren Füßen herab und erkannte, dass beide gleich aussahen. Diese zwei Sekunden, in welchen sie perplex auf den Vampir vor sich starrte reichten aus, dass sich der andere wieder aufrappeln konnte und ihm an die Kehle sprang. Beide krachten gegen eine Wand des Kellers und zerstörten einen Haufen herumliegender Kartons.
„Was ist das hier?", fragte Jasmin verwirrt, bevor sie beide voneinander getrennt wieder auf den Boden zwang. Sie sahen wirklich identisch aus, wie Zwillinge. Jasmin entwich ein verzweifelter Seufzer. Konnte sie wirklich so blind gewesen sein, dass sie so lange nicht mal gemerkt hatte, dass es zwei Mal Jonathan gab? Das kam ihr schon sehr unwahrscheinlich vor.
„Er ist nicht echt.", platzte es aus dem einen Jonathan heraus. „Er ist ein Betrüger. Lydia hat ihn dazu gebracht dich in den Keller zu sperren.", erklärte er. Jasmin drückte ihn zur Antwort weiter auf den Boden. Er konnte genauso gut ein Lügner sein.
„Jasmin, er lügt.", sagte der andere Jonathan. Offensichtlich sagte einer von ihnen wirklich nicht die Wahrheit. Oder beide logen sie an. Wer auch immer Jonathan war du was er mit ihr getan hatte, würde sie so einfach nicht herausfinden.
„Du hast mein Herz schlagen lassen.", einer der Jonathans plötzlich fort. „Bei unserem ersten richtigen Gespräch hast du Magie mit Auto fahren verglichen, du wärst auf Marcus Party fast gestorben und du kannst Tote wieder zum Leben erwecken. Als du klein warst hast du HobNobs geliebt und mir fällt langsam nichts mehr ein, was beweisen könnte, dass ich kein Lügner bin."
Erstaunt darüber, dass dieser Jonathan sich an das erste erinnern konnte, was sie zu ihm gesagt hatte ließ sie ein wenig von ihm ab. „Warum sieht er aus wie du?", fragte Jasmin, immer noch wütend und ein bisschen unsicher. „Ich weiß es nicht.", antwortete Jonathan wahrheitsgemäß.
„Woher soll ich wissen, dass du mich nicht in diesen Keller gesperrt hast?", fragte sie weiter.
„Du weißt, dass ich keine gemeinsame Sache mit Lydia mache. Ich wollte dich davon abhalten allein hier her zu kommen und jetzt siehst du warum.", erklärte er ein bisschen vorwurfsoll.
„Ich kann nicht immer wieder weglaufen. Ich habe jetzt die Chance etwas zu machen, wer weiß wann ich die wiederbekomme?"
Jonathan blickte auf seinen Doppelgänger und atmete tief durch. „Ich kann dir nicht erklären warum er so aussieht wie ich und ich kann genauso wenig beweisen, dass ich dich nie belogen habe. Wenn du mich auch nur ein bisschen kennst, dann weißt du was du machen musst."Jasmin biss sich auf die Unterlippe und versuche dem Drang zu widerstehen ihm vertrauen zu wollen. So sehr sie auch wollte, dass er die Wahrheit sagt, konnte sie sich nicht sicher sein, also tat sie das einzig kluge, was ihr in den Sinn kam. Beide Vampir immer noch unter Kontrolle, stieg sie langsam die Treppe zur Kellertür hinauf. Sie konnte nicht noch mehr Zeit hier unten verschwenden. Als sie die Türklinke in der Hand hielt, drückte sie diese herunter und verschwand mit einem Atemzug auf der anderen Seite der Tür. „Est ianua", flüsterte sie und prüfte, ob ihr Zauber gewirkt hatte. Es funktionierte. Aus diesem Keller, kam niemand so schnell heraus.
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𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭
Paranormal"Von Anfang an, bis jetzt und in alle Ewigkeit ist unser Blut mit seinem verbunden und so soll die Tradition weiter geführt werden.", las die Hohepriesterin vor. So hatte Jasmin sich den weiteren Verlauf ihres Lebens ganz sicher nicht vorgestellt. A...