》Kapitel 31《

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Das war eine Einladung. Er hatte so lange darauf gewartet, dass sie ihn hereinbitten würde und jetzt war es endlich so weit. Sehr lange schon hatte er kein Haus eines Menschen mehr betreten und jetzt sprach Jasmin die Worte aus, die er sich immer wieder vorgestellt hatte. Es fühlte sich falsch an. Jonathan blickte in die roten, verweinten Augen eines Mädchens, welches vermutlich nach etwas suchte, das er ihr niemals geben könnte. Sie suchte Sicherheit und er war überzeugt, dass er sie vor dem meisten in dieser grausamen Welt hätte beschützen können, aber wie konnte er sich sicher sein, dass er sie auch vor sich selbst schützen könnte. Sie hatte gerade die Mauern einer sicheren Festung eingerissen. Mit einer einfachen Einladung. 

Er zweifelte kurz, ob die Einladung überhaupt wirksam war, wenn die Einladende betrunken war. Das war sie definitiv. Vorsichtig setzte er einen Fuß über die Türschwelle und bemerkte, dass es funktionierte. Andererseits waren Häuser mit Mietwohnungen Grauzonen, es konnte auch bloß Glück sein. In einem Haus zu sein, das Menschen gehörte fühlte sich seltsam an - seltsam gut. Er folgte Jasmin die Treppe nach oben in den ersten Stock und sah ihr dabei zu wie sie mit ihren zitternden Händen versuchte die Tür aufzuschließen.

Es gelang ihr nicht, sie ließ den Schlüssel fallen, er hob ihn auf und schloss die Tür auf. Er wusste nicht was er sonst machen sollte. Jasmin sah schlecht aus, leichenblass und verweint. Als sie das Zimmer betrat schmiss sie ihre Jacke auf einen Stuhl und den Schlüssel auf den dazugehörigen Tisch. Jonathan stand immer noch im Türrahmen und war sich nicht sicher was er machen sollte. Er blickte in die vier Wände, die Jasmin als Wohnung bezeichnete und stellte fest, dass es vier Fenster ohne Jalousie oder Vorhänge gab. Er sagte also das erste was ihm einfiel: „Ich kann nur bis Sonnenaufgang bleiben."
„Ist schon okay.", sagte Jasmin und war froh, dass überhaupt jemand da war. Sie versuchte mit dem zittern aufzuhören, aber es funktionierte nicht. Sie dachte sich, dass sie furchtbar aussehen musste und wunderte sich, dass Jonathan noch immer in der Tür stand. „Muss ich dich nochmal rein bitten?", fragte sie unsicher und lehnte sich gegen ihre Küchenzeile in der Hoffnung, dass das Zittern dadurch aufhören würde. „Ich denke nicht.", antwortete er und setzte einen Fuß in die Wohnung. Er fühlte sich unwohl dabei hier zu sein. Jasmin hatte ihm nicht direkt erzählt was passiert war, aber allem Anschein nach hatte Ben alle seine Erwartungen erfüllt, was keine guten Erwartungen waren. Vermutlich hatte Ben sogar verdient, was Jasmin mit ihm gemacht hatte. Nur Jasmin hatte nicht verdient mit dem schlechten Gewissen ihrer Taten leben zu müssen. Sie krallte sich mit einer Hand an ihre Küchenzeile und mit der anderen an ihren Pullover, sie versuchte nicht zu weinen und so zu tun, als würde es sie nicht so hart treffen. Jonathan hörte ihr Herz schlagen, es schlug sehr schnell. Langsam ging er auf sie zu und stich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, während sie in die Leere starrte. 

„Du hast nichts falsch gemacht.", brachte er schließlich über die Lippen. Das war seine ehrliche Meinung. Auch wenn er Marcus und sich selbst für jeden Menschen verurteilte, den sie getötet hatten, konnte er es bei Jasmin nicht tun. „Das ist eben deine Art dich zu wehren. Stell dir vor du hättest das nicht gekonnt. Was wäre dann?", versuchte er auf sie einzureden. „Ben würde noch leben.", schluchzte sie zur Antwort. „Und was wäre mit dir?", fragte Jonathan. Er konnte nicht verstehen, warum Jasmin nicht in der Lage war zu erkennen, dass die Alternative wesentlich schlechter war. Sie schüttelte den Kopf und fing erneut an zu weinen. Diese Reaktion wollte Jonathan eigentlich nicht hervorrufen, aber immerhin war es ein Zeichen dafür, dass sie verstand was sonst passiert wäre. Wahrscheinlich wäre Jonathan doch noch rechtzeitig da gewesen. Dann hätte er Ben getötet und Jasmin würde ihn vermutlich bis in alle Ewigkeit hassen, aber das musste er ihr ja nicht unbedingt erzählen. 

„Wie soll ich so weiterleben, Jonathan?", fragte sie weinend. „Ich hab fast den Verstand verloren, als ich Daniel getötet habe. Ich bin dabei verrückt zu werden, weil ich vermutlich einen Menschen töten muss, um Alexandra wiederzuerwecken und jetzt hab ich es schon wieder getan. Das macht mich wahnsinnig." Sie schrie ihn fast an, als sie das erklärte und ließ sich auf den Boden sinken. Am liebsten hätte sie sich in ein dunkles Loch verkrochen und wäre erst wieder herausgekommen, wenn ihr jemand sagen würde, dass das alles nur ein schlechter Traum war und alles wieder gut ist. Jonathan kniete sich ebenfalls auf den Boden und überlegte sich was er sagen könnte. Bisher schien es so als hätte er bloß das falsche gesagt. „Als ich Marcus gebeten habe Chloe zu verstecken, hat er mich gezwungen Nekromantie zu lernen.", brach Jasmin die Stille. „Ich hab' eine Maus getötet und eine andere dadurch zum Leben erweckt. Es waren nur Mäuse, aber das hat ja anscheinend gereicht um das Fass zum überlaufen zu bringen."Jonathan war klar, dass Marcus sie vermutlich erpresste. Er hatte nie verstanden warum sich Jasmin überhaupt mit ihm abgab. Dadurch, dass er Chloe für Jasmin versteckte, hatte er anscheinend mehr Macht über Jasmin als ihm zustand. „Ich habe seitdem keinen einzigen Tag mehr richtig schlafen können, weil ich jedes Mal davon Träume, wie ich irgendjemanden umbringe. Dieses Bild von Daniel, wie er...es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und jetzt auch noch Ben. Ich kann nicht mal mit jemandem darüber reden, weil es Niemand verstehen würde."
„Du redest mit mir. Zählt das nicht?", war alles was Jonathan dazu einfiel. Er war immer noch entsetzt wie weit Marcus gegangen war. Es gab eine Menge Hexen auf der Welt und Marcus hätte mit Sicherheit eine gefunden, die weniger Probleme damit hätte jemanden zu töten. Warum musste es ausgerechnet Jasmin sein?
„Doch. Du... du zählst.", stotterte sie. „Aber was kannst du schon groß machen?"Jonathan überlegte kurz, dann packte er Jasmins Hand, zog sie hoch auf die Beine und ging mit ihr gefühlte zwei Schritte zu etwas das für ihn nach einem Bett aussah. „Was wird das?" fragte Jasmin unsicher. 
„Du schläfst. Ich träume für dich. Das kann ich machen.", erklärte  zögerlich er und erkannte wie verwirrt Jasmin war. „Das geht?"Jonathan überlegte kurz wie er es am besten erklären konnte. Er hatte das schon so lange nicht mehr gemacht und war sich auch nicht sicher, ob es funktionieren würde. 
„Durch den Pakt sind wir verbunden. Du kannst in meinen Kopf, ich kann in deinen. Wir müssen es nur wollen. Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber wenn du dadurch auch nur ein paar Minuten deinen Kopf freibekommst..."
„Mach es.", schoss es aus Jasmin heraus. Sie hatte nicht mal eine Sekunde darüber nachgedacht. Allein der Gedanke daran, die Augen zu schließen und nicht in das Gesicht eines Toten blicken zu müssen fühlte sich unglaublich befreiend an. 

Jasmin schmiss sich auf ihr Bett und setzte sich auf die Seite, die gegen eine Wand gestellt war. Jonathan blickte auf den Platz neben ihr und war sich nicht ganz sicher, was sie ihm damit sagen wollte. Er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken sich neben sie zu setzen. 
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.", erklärte er.  
„Ich vertraue dir.", sagte Jasmin und starrte ihn mit ihren großen Augen an. Das musste ein Traum sein. Erst die Einladung und jetzt sagte sie, dass sie ihm vertrauen würde. Unter anderen Umständen wäre Jonathan jetzt glücklich gewesen. Er setzte sich also neben sie und versuchte sich einzureden, dass diese Situation nicht völlig unangebracht war. 
„Und jetzt?", fragte Jasmin.
„Was willst du träumen?", fragte Jonathan und nahm Jasmins Hand. 
„Was fröhliches.", schlug sie vor, denn sie wusste nicht wie genau ihre Antwort sein sollte. 
„Dann mach die Augen zu.", sagte er und spürte kurz darauf wie Jasmins Kopf auf seine Brust sank. Er hatte schon lange nichts Fröhliches mehr geträumt. 

„John! Er hat mich gefragt! Er hat mich gefragt, John!", schrie eine Mädchenstimme von einem unteren Stockwerk hinauf.

𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt