Als Chloe endlich alles was nach Magie oder widerrechtlichem Verhalten aussah entfernt hatte, war die Sonne bereits aufgegangen. Trotzdem saß Jonathan in einer dunklen Ecke des Krankenzimmers und döste vor sich hin.
„Musst du nicht in einem Sarg schlafen, oder dich in einem dunklen Kellerloch verkriechen?", fragte Chloe, erstaunt darüber, dass er noch nicht zu Staub zerfallen war.
„Ich will hier sein, wenn sie aufwacht. Es wäre also nett wenn du den Vorhang nicht bewegst.", grummelte Jonathan im Halbschlaf. Das Tageslicht machte ihn müde, aber solange kein Sonnenstrahl seine Haut berührte, würde er das schon ertragen können.
Chloe sah Jasmin an und erkannte, dass ihre Wunden fast komplett geheilt waren. Sie würde nicht mal allzu viele Narben behalten, nur eine kleine über ihrer linken Augenbraue und eine etwas größere, welche sich über ihren halben Rücken zog. Damit könnte sie schon sehr froh sein, wenn die Alternative an Two-Face aus Batman erinnerte. Was sie wirklich beschäftigte war, welche Narben das Feuer in Jasmins Innerem verursacht hatte. Was wenn sie nicht mehr die gleiche wie vorher war? Was wenn Lydias Feuer mehr kaputt gemacht hatte, als bloß das Äußere? Einen Körper zu heilen war eine Sache, eine Seele zu heilen erschien Chloe unmöglich.
Sie blickte auf Jonathan, der seinen Kopf gegen die Wand gelehnt und mit verschränkten Armen schlief. Manchmal fragte sie sich wie viel Mut, oder Dummheit Jasmin aufgebracht haben musste, um sich mit diesem Kerl anzufreunden. Auch wenn sie nicht mehr der Meinung war, dass Vampire keine Existenzberechtigung hätten, konnte sie sich nicht vorstellen wie es war mit einem von ihnen befreundet zu sein. Irgendwas an ihm musste anders sein, als bei den anderen, sonst würde Jasmin ihm nicht vertrauen. In irgendeiner Weise musste er etwas besonderes sein. Das merkte sie allein an der Tatsache, dass er bleiben wollte, bis Jasmin aufwacht.
Chloe schaute auf den Vampir als sie den kleinen weißen Knopf an Jasmins Bett drückte, mit ihrer Hand den Vorhang des Fensters berührte und das kleine Wort „Rag", in die Luft hauchte, damit er sich nicht mehr verschieben ließ.Das erste was sie spürte war ein Schlag in ihrer Brust und wie die Luft an ihren Lippen vorbeizog, als sie einatmete. Sie hörte ein leises Piepen, welches immer lauter wurde und sie sah, dass Licht in ihre Augen fiel. Mühsam bewegte sie ein paar Finger und fühlte den kalten Stoff ihrer Decke. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Licht und sie war zu mehr in der Lage, als nur hell und dunkel zu erkennen. Ihr Kopf dröhnte, als wenn jemand mit einem Presslufthammer versuchte ihr Gehirn einzureißen. Das Gefühl von sauberer Luft in ihren Lungen war fabelhaft und sie stellte fest, dass sie ein leises Stöhnen von sich geben konnte. Kurz nach diesem kläglichen Versuch ein Wort zu sagen hörte sie Schritte auf sich zukommen. Schnelle, bestimmte Schritte.
„Du bist wach.", stellte eine männliche Stimme fest. Es war nicht die Stimme, die sie hören wollte. Jasmins schloss ihre Augen und gab sich dem Schwindelgefühl hin, welches in ihrem Kopf tobte.
„Nicht wieder einschlafen, Jasmin.", sagte die Stimme und schon bald darauf spürte sie, wie eine Flüssigkeit ihre Lippen benetzte. Sie öffnete ihren Mund ein Stück und ein kupferartiger Geschmack machte sich darin breit. Sie schluckte, auch wenn es wehtat. Sich dagegen zu wehren war unmöglich, wer einmal erfahren hatte wie schnell, das Blut aus den Adern eines Vampirs heilen konnte, der wollte mehr davon. Auch Jasmin hoffte auf mehr und sie sollte mehr bekommen. Das Blut ließ das Schwindelgefühl verschwinden und auch das dröhnen in ihrem Kopf verblasste, bis es nicht mehr zu spüren war. Je mehr sie trank, desto leichter wurde es für sie das Blut zu schlucken. Es vertrieb die Kälte aus ihrem Körper und gab ihr Stück für Stück ihre Energie wieder, bis Marcus ihr sein Handgelenk entriss.
„Ich brauche mehr.", stöhnte Jasmin, erstaunt darüber, dass sie tatsächlich sprechen konnte. Sie öffnete die Augen und sah Marcus über ihr Krankenbett gebeugt.
„Ich habe dir genug gegeben.", entgegnete dieser und schob den Vorhang des Fensters zur Seite, sodass Jasmin auf die sternenerleuchtete Nacht blicken konnte.
„Wo ist Jonathan?", fragte sie und versuchte sich aufzusetzen, aber es gelang ihr nicht. Freundlicherweise stellte Marcus ihr Kopfteil hoch und sie konnte ihm endlich in die Augen sehen ohne sich völlig ausgeliefert vorzukommen.
„Er bringt Chloe in mein Apartment. Müsste aber gleich wieder da sein.", erklärte er. Dann blickte er Jasmin auf eine seltsame Art und Weise an.
„Warum bist du hier?", fragte sie, obwohl sie sich ziemlich sicher war die Antwort bereits zu kennen. Marcus wollte irgendwas von ihr. Er wollte ihr mit Sicherheit mittteilen, dass sie sich mit ihrem Genesungsprozess beeilen sollte, denn immerhin hatte sie eine Hexe zu erwecken und danach käme mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste nervenaufreibende Aufgabe für sie.
Aber statt weitere Forderungen an sie zu stellen, griff Marcus nur in seine Jackentasche und holte eine kleine schwarze Schachtel hervor.Die Tür zu Jasmins Zimmer war einen Spalt geöffnet, als Jonathan zurück kam. Er blickte hindurch und erkannte, dass sie aufgewacht war. Diese Tatsache hätte ihn mehr erfreut, wenn er nicht ebenfalls Marcus in dem Zimmer gesehen hätte. Dieser steckte Jasmin eine Schachtel entgegen. Vorsichtig öffnete Jasmin die Schachtel und ein breites Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
„Wow, Marcus, wo hast du das her?", hörte er Jasmin staunen. Marcus zuckte mit den Schultern.
„Es hat mal einer anderen Hexe gehört. Es wendet..."
„Böse Magie ab.", beendete Jasmin seinen Satz und nahm eine Kette, mit einem kleinen blauen Stein in die Hand.
„Auch.", bestätigte sie Marcus und nahm Jasmin die Kette aus der Hand, um sie ihr um den Hals zu binden. „Kein Vampir kann dein Blut trinken, solange du sie trägst.", erklärte er zögerlich.
Jonathan hatte keine Ahnung, ob das was Marcus da erzählte wirklich stimmte. Eine einfache Kette, konnte doch keinen Vampir fernhalten? Das hatte mit Kreuzen und Weihwasser und Knoblauch schon nicht funktioniert. Andererseits konnte er sich schlecht vorstellen, dass Marcus auf einen billigen Trick reingefallen war. Was sich Marcus von diesem Geschenk versprach, war für Jonathan ein ebenso großes Rätsel. Marcus war ein Betrüger, ein Egoist und ein Manipulierer, Jasmin wusste das. Trotzdem streckte sich ihre Hand nach Marcus aus und Jonathan konnte ein leises „Danke" hören.
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𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭
Paranormal"Von Anfang an, bis jetzt und in alle Ewigkeit ist unser Blut mit seinem verbunden und so soll die Tradition weiter geführt werden.", las die Hohepriesterin vor. So hatte Jasmin sich den weiteren Verlauf ihres Lebens ganz sicher nicht vorgestellt. A...