Als das Blut in ihren Adern vertrocknete, fühlte es sich an, als würde Sand durch ihren Körper fließen. Erst kam das Kratzen in der Kehle, als ihr Körper nach Wasser verlangte, die Flüssigkeit ohne die ein Mensch nach ein paar Tagen sterben würde. Aber sie konnte es nicht, sterben war ihr nicht vergönnt. Stattdessen spürte sie wie ihr Blut immer langsamer durch ihren Körper floss und ein Kratzen hinterließ, so unerträglich wie die Hölle sein musste. Sie hätte alles dafür getan, dass es aufhörte, aber es gab nichts, was sie hätte tun können. Sie sollte nicht sterben - noch nicht.
Wenn einen Menschen langsam das Leben verlässt, ist der letzte Sinn der ihm bleibt das Hören. Als sie einschlief war sie von Stille umgeben, meterweit unter der Erde vergraben. Jetzt war das erste was sie nach einem unstillbaren Durst vernahm eine Stimme.
Die Wörter, konnte sie kaum verstehen nur einen Namen erkannte sie unter den fremden Ausdrücken, die sich wie eine Sprache aus einer anderen Welt anhörten. Jonathan.
Ihr Durst wurde größer, sie blendete das Sprachgewirr um sich herum aus und konzentrierte sich nur auf das Blut. Es war sein Blut.Er bezahlte für das was er ihr angetan hatte und sie genoss es in vollen Zügen, bis der Becher leer war und sie ihre Augen öffnete. Sie sah an sich herab und erkannte, dass ihre Kleider zerrissen und schmutzig waren. Sie rieb ihre Hände gegeneinander und spürte, wie ihre Haut mit jeder Sekunde weicher wurde und mehr Farbe bekam. Vorsichtig streifte sie über ihr Gesicht, fuhr sich über Augen, Nase und Mund, alles schien verheilt zu sein. Nicht einen einzigen Kratzer konnte sie spüren. Sie war endgültig zurück in ihrem Körper.
Ein seltsam gekleidetes Mädchen stand vor ihr, es trug Hosen und glich mehr einem Mann mit ihren glatten Haaren, die ihr nur bis unter die Ohren reichten. Dieses Mädchen war möglicherweise eine Hure, der man den Kopf rasiert hatte und konnte unmöglich die Hexe sein, die sie wiedererweckt hatte. Als sie zur Seite sah, erkannte sie, wer die Tat vollbracht hatte. Eine ebenso große Enttäuschung, aber im Gegensatz zu der anderen waren ihre Haare lang und die Augen dunkel.
Der Raum, in dem sie sich befand sah ebenfalls nicht wie erwartet aus. Sie blickte auf eine Wand so weiß wie Schnee, das hatte sie in ihrem langen Leben noch nie gesehen. Der Raum war voll mit Gegenständen, die sie nicht zuordnen konnte. Zum einen sah sie etwas weiter entfernt mehrere silberne Schränke, die auf einen doch eher reichen Bewohner hindeuten konnten, zum anderen war der Besitzer dieses Raumes wohl nicht mal in der Lage sich Wandteppiche oder Gemälde zu leisten. Sie hätte sich gerne weiter umgesehen, aber eine Stimme lenkte sie von ihrem Vorhaben ab.
„Braucht ihr noch mehr?", rief Jonathan aus dem Zimmer und holte sowohl Chloe als auch Jasmin zurück in die Gegenwart. Bis zu diesem Augenblick starrten die beiden noch auf das was ihnen da gelungen war, ungläubig und überrascht.
„Jonathan", wisperte die Frau aus dem Sarg und bevor Jasmin sich hätte bewegen können, war sie bereits auf den Boden gesprungen und in das Zimmer mit den Vampiren verschwunden. Die geöffnete Tür ließ die Sonne in den Raum und hinterließ ein wehklagen, bis Jasmin sich endlich dazu aufgerappelt hatte der Hexe hinterherzurennen und die Tür zu schließen.
Sie sah wie Alexandra Jonathan mit einer Hand gegen eine der Wände drückte. „Mörder!", schrie sie und spuckte ihm ins Gesicht. Marcus versuchte die kleine Frau von Jonathan loszureißen, aber bevor er ihr auch nur zu nahe kommen konnte, hatte diese ihn mit einer einfachen Handbewegung durch den halben Raum fliegen lassen, sodass er schmerzhaft auf einem Beistelltisch landete, dessen Holz sich durch seinen Magen bohrte. Zunächst noch von der Vorstellung beeindruckt musste Jasmin nun erkennen, wie die Hexe ihre Hand gegen Jonathans Brustkorb drückte und er fürchterlich zu husten begann, bis er Blut hochwürgte.
Warum wehrte er sich nicht?Die Frau war gut zwei Köpfe kleiner als Jonathan und es schien ein Leichtes für sie zu sein ihn unter Kontrolle zu halten. Vielleicht war sie ja gar keine Hexe. Sie lag über Jahrhunderte in einem Sarg und hatte sich äußerlich kaum verändert, ihr Durst nach Jonathans Blut war ungeheuer groß gewesen und ihre Stärke war unmenschlich. Andererseits brauchte sie nur mit dem Finger zu zucken, um Marcus durch die Luft zu katapultieren.
Jonathan röchelte, als würde er an seinem eigenen Blut ersticken. Er würde nicht sterben, denn ertrinken konnte er nicht. Unangenehm war es aber allemal, wenn nicht sogar schmerzhaft.„Aufhören!", schrie Jasmin, rannte auf die Hexe zu und versuchte sie zu packen. Alexandra ließ kurz von Jonathan ab, drückte ihre Hand gegen Jasmins Brust und erkannte, dass nichts geschah. Sie schien zu fluchen, aber so genau verstand Jasmin nicht was sie sagte und nutze den Augenblick um der Hexe das Handgelenk zu verdrehen und ihre eigene Blutmagie zu entfesseln. Sie hatte bereits verstanden, dass die paar Tricks, die sie beherrschte nichts gegen Alexandras Repertoire waren, es war dennoch einen Versuch wert. Sie schaffte es Alexandras Hand von Jonathans Brust zu nehmen und lenkte ihre volle Konzentration darauf die Hexe in die Knie zu zwingen, aber sie schaffte es nicht. Stattdessen machte sich ein schiefes Lächeln auf Alexandras Gesicht breit und eine ihrer Hände riss das Nazar-Amulett von Jasmins Hals.
Kurz darauf spürte sie wie ihre Beine nachgaben und sie zu Boden fiel. So sehr sie auch versuchte sich aufzurichten, es gelang ihr nicht. Jede Zelle ihres Körpers wehrte sich gegen die Kontrolle Alexandras und doch half jede auch noch so große Anstrengung rein gar nichts.
„Schwach.", sagte Alexandra mit einer seltsamen Betonung. „Aber mutig.", gab sie mit einem abgeneigte Unterton zu. „Alle.", führte sie ihren Gedankengang weiter aus und sah über ihre Schulter auf Marcus, der sich mittlerweile durch Chloes Hilfe aus dem Beistelltisch befreien konnte. Er hatte nun wieder ihre gesamte Aufmerksamkeit. Mit langsamen Schritten ging Alexandra auf den Vampir zu und ließ ihn vor sich auf den Boden sinken. Chloe versuche sie verzweifelt davon abzuhalten, aber sie war machtlos gegen diese Hexe. Binnen Sekunden wurde auch sie auf den Boden gezwungen. Alexandra selbst hockte sich zu Marcus auf den Boden, griff nach einem der mit Blut beschmierten Holzstücke und rammte es ihm in die Brust. Ein paar Zentimeter weiter links und sie hätte sein Herz getroffen. Wie paralysiert starrte Marcus die Frau an. Er war sich schon immer sicher, dass er durch die Hände einer Frau sterben würde, aber er hätte nie damit gerechnet, dass es ihre Hände sein würden.
„Quid vivis?", fragte sie ihn und drehte das Holz weiter in seine Brust hinein. Er konnte ihr nicht genau beantworten warum er noch lebte, allerdings fragte er sich auch warum er tot sein sollte. Wollte sie ihn etwa wirklich tot sehen? Bevor er eine Antwort parat hatte, die ihn nicht sofort umbringen würde meldete sich Jasmin wieder zu Wort.„Ich habe dich nicht zurückgeholt, damit du ihn umbringst!", schrie sie Alexandra an und zog sie von Marcus weg. Sie hielt ihr Amulett in der einen Hand und zog mit der anderen den Pfahl aus Marcus Brust. Dieser atmete erleichtert auf. Alexandra schien verstanden zu haben, dass Jasmin und die Vampire zusammengehörten. Warum sie angeschrien wurde verstand sie allerdings nicht. Sie hatte bis dato auch noch nie erlebt, dass sich ihr eine andere Hexe in den Weg stellte. Es beeindruckte sie ein klein wenig, auch wenn es unglaublich dumm war.
Marcus schien erkannt zu haben, dass Alexandra Schwierigkeiten damit hatte Jasmin zu verstehen und übersetzte in eine ihr verständliche Sprache. Alexandra zog verwundert eine Augenbraue nach oben und schaute Jasmin von oben bis unten an.
„Du kennst den Pakt nach alter Art. Sie gehören zu mir. Weder Marcus, noch Jonathan wird dir etwas antun.", versuchte Jasmin weiter zu erklären und wieder übersetzte Marcus, dieses Mal mit einem kleinen Schmunzeln. Alexandra schien sie zu verstehen, jedenfalls folgte kein weiterer Mordversuch an Marcus oder Jonathan. „Pakt wird dich umbringen.", sagte sie, riss die Tür auf und ging ins Sonnenlicht.
Jonathan half Jasmin mit der Halskette. Er verstand jetzt, warum Marcus sie ihr gegeben hatte und trotzdem konnte er dafür keine Dankbarkeit verspüren.
„Ist alles okay bei dir?", vergewisserte sie sich. Jonathan sah sie mit seinem besorgten Blick an. Sie wusste, dass er sich weniger Sorgen um sich selber, sondern mehr um sie machte.
„Ich habe Durst.", gab er zu, unsicher, wie Jasmin darauf reagieren würde. Sie nickte verständnisvoll und ging aus dem Zimmer, um ein paar Blutbeutel zu holen.
DU LIEST GERADE
𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭
Paranormal"Von Anfang an, bis jetzt und in alle Ewigkeit ist unser Blut mit seinem verbunden und so soll die Tradition weiter geführt werden.", las die Hohepriesterin vor. So hatte Jasmin sich den weiteren Verlauf ihres Lebens ganz sicher nicht vorgestellt. A...