》Kapitel 14《

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Ein kalter Schauer fuhr über Jasmins Haut und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie wollte losrennen, aber ihre Beine bewegten sich nicht.  Sie bemerkte, dass sich zwei Hände um ihre Taille legten und eine Gänsehaut zog sich über ihren ganzen Körper. Noch bevor sie seine Stimme hörte, wusste sie wer sie festhielt. „Sie wird sich schon wieder abregen.", raunte er in ihr Ohr und Jasmin begann sich mit jeder Sekunde unwohler zu fühlen. „Wenn du willst kannst du mit zu mir kommen und ich..."„Nein!", unterbrach Jasmin ihn ruhig, aber bestimmt. Seine Hände machten eine Bewegung, die sie dazu zwang sich zu ihm zu drehen. Jasmin stockte der Atem. „Immer sagst du nein. Was ist aus der alten Jasmin geworden? Aus der, die noch so zum flirten aufgelegt war? Die Jasmin, mit der ich so viel Spaß hatte?", fragte er und schaute ihr durchdringend in die Augen. Jasmin wünschte sich nichts sehnlicher als Jonathan bei sich zu haben. Wenn sie darüber nachdachte, hätte sie sogar Marcus um Hilfe gerufen, auch wenn sie noch nicht wusste was sie von ihm halten sollte.

„Ich hab nie mit dir geflirtet.", stritt Jasmin ab und versuchte sich vergeblich aus seinem Griff zu befreien. Ihr Gegenüber lachte nur. „Natürlich hast du das. Dachtest du ich hätte es nicht bemerkt?"Jasmin hatte keine Antwort darauf. Sie starrte ihn verständnislos an und suchte nach einem Ausweg. „Wann bist du so geworden?", wunderte sie sich.   

„Hey! Was machst du da mit ihr?", rief eine Stimme, die Jasmin erleichternd aufatmen ließ. Bens Hände entfernten sich sofort von ihrem Körper. „Nichts was dich etwas angehen könnte.", sagte er und abfällig und lächelte selbstgefällig. „Ist schon okay Jo. Es ist nichts passiert.", versuchte Jasmin Jonathan zu erklären und packte seinen Ärmel. Sie sah die Wut in seinem Gesicht aufsteigen und hatte Angst, dass er Ben verletzen könnte. Auch wenn Ben eindeutig zu weit gegangen war, hatte er nicht das verdient, was Jonathan mit ihm anstellen könnte. Ben hob beschwichtigend die Arme und machte sich aus dem Staub. „Was war das gerade?", fragte Jonathan sie, immer noch wütend.  Jasmin wusste nicht recht darauf zu antworten, so genau wusste sie auch nicht was das gewesen war. „Er dachte ich würde mit ihm flirten.", stammelte sie, um irgendetwas zu sagen.  Jonathans Stimmung wurde durch diese Antwort allerdings auch nicht besser. „Ich hab's aber nicht gemacht.", versuchte Jasmin ihn zu beruhigen. „Darum geht es doch gar nicht."„Worum geht es dann?" Jonathan antwortete nicht. Er packte ihre Hand, die sich immer noch in seinen Ärmel krallte und zog sie hinter sich her. „Ich bring dich jetzt nachhause."

Jasmin kramte den Haustürschlüssel aus ihrer Jackentasche und schloss die Tür auf. Sie war schon halb drinnen, als ihr etwas einfiel, was sie den ganzen Weg über Fragen wollte. „War es Zufall, dass du da warst?" Jonathan sah sie nachdenklich an. „Du hast mich gerufen, ich bin gekommen."„Ich hab dich doch nicht...", Jasmin dachte darüber nach was er gesagt hatte. „Ooooh.", langsam wurde ihr alles klar. „Funktioniert das auch andersrum?"„Theoretisch ja, aber das wird nie passieren."Vermutlich hatte er Recht. Jedenfalls so lange bis sie in der Lage war ihre Magie voll zu entfalten. „Ähm, tja...dann danke.", versuchte Jasmin ein peinliches Schweigen zu verhindern. Jonathan stand immer noch vor ihrer Tür. „Alles okay?", vergewisserte er sich. Jasmin sah immer noch aufgewühlt aus. „Ja. Klar. Ich gehe dann mal rauf.", erklärte sie und schloss die Tür. 

Es vergingen Wochen in denen Jasmin darauf wartete etwas von Marcus zu hören, aber sie hörte nichts von ihm. Auch ihre eigenen Recherchen zu der sogenannten Meisterin waren erfolglos. Die Tagebücher und Aufzeichnungen ihrer Mutter halfen ihr nur wenig, dazu kam, dass sie mehr als die Hälfte davon nicht verstand, da es in Farsi geschrieben war. Der Boden ihrer Wohnung war mittlerweile von Büchern und losen Zetteln übersät und der einzige begehbare Platz war ihr Bett geblieben. Zu alldem kam noch die ständige Beschattung durch Lydias Hexen. Sie taten nichts offensichtliches, sie waren einfach nur da. Wahrscheinlich, um Jasmin unter Druck zu setzten. Jonathan hatte ihr zwar angeboten in seinem Haus zu bleiben, aber sie konnte ihn dazu überreden, dass der Schutzzauber über ihrer Wohnung sicher genug war. Außerdem hoffte sie darauf, dass Maya ihre Mailbox abhören würde und bei ihr anrief oder vorbeischaute. Beides passierte nicht. 

Jasmin war über einen Stapel von Büchern gebeugt, als es an ihrer Tür klingelte. Sie wunderte sich wer um diese Zeit bei ihr auf der Matte stehen könnte. „Maya?", rief sie voller Hoffnung. Es klingelte wieder. Wahrscheinlich war es doch die Nachbarin oder Vermieterin, oder sonst wer. Sie öffnete die Tür und blickte in das Gesicht einer Fremden. Jasmin war für eine Sekunde verunsichert. Konnte es sein, dass ihrer Schutzzauber nicht mehr wirkten und eine von Lydias Hexen es in das Haus geschafft hatte? Die Frau streckte ihr die Hand entgegen. 

„Hallo Jasmin. Ich bin Tanya. Marcus schickt mich. Er braucht deine Hilfe bei etwas.", erklärte sie kurz. Jasmin schaute sie perplex an. „Er hätte doch anrufen können.", war das einzige was ihr auf die Schnelle einfiel. „Wir sollten uns beeilen. Bis wir in Exeter sind ist die Sonne bereits untergegangen. Marcus wartet nicht gerne."„Das geht nicht so einfach. Ich muss arbeiten.", versuchte Jasmin einzulenken. „Das sollte kein Problem sein. Marcus hat sich bereits darum gekümmert.", sagte Tanya mit einer beruhigenden Stimme und einem künstlich wirkenden Lächeln. Jasmin bemerkte, dass es keinen Sinn hatte ihr weiterhin zu widersprechen und versuchte nicht darüber nachzudenken was „sich darum gekümmert" bedeuten könnte. 

Im nächsten Moment saß sie auch schon in Tanyas Auto und befand sich auf dem Weg nach Exeter.  „Marcus ist sehr froh deine Bekanntschaft gemacht zu haben. Er sagt es ist nicht so einfach eine Hexe zu finden, die sich auf Geschäfte mit Vampiren einlässt.", erklärte sie, vermutlich um das Schweigen zu brechen. „Warum das denn nur?", fragte Jasmin mit ironischem Unterton. Sie erwartete keine Antwort von der Frau, bekam aber trotzdem eine. „Das weiß ich auch nicht. Ich empfinde es als sehr angenehm Geschäfte mit Vampiren zu machen."

Jasmin schaute sie verwirrt an. Tanya war keine Hexe, auch kein anderes übernatürliches Wesen, das hätte sie schon längst gespürt. „Welche Art von Geschäften?", fragte sie vorsichtig, denn sie hatte schon so eine Vorahnung. „Ich biete ihnen an gegen Bezahlung mein Blut zu trinken. Das ist der einfachste Job, den ich jemals hatte.", antwortete Tanya knapp, dieses Mal mit einem echten Lächeln. Ein lebender Blutbeutel also.  Jasmin hatte schon sowas in der Art vermutet. 

„Du kennst Marcus sicherlich schon etwas länger. Darf ich dir eine Frage über ihn stellen?"
„Du darfst mich alles fragen was du willst.", antwortete Tanya. 
„Woher kennt Marcus Jonathan?" Tanya musste schmunzeln. „Hat er es dir nicht gesagt?", fragte sie grinsend. „Mir was gesagt?", Jasmin fühlte sich unwohl bei der Frage. „Marcus hat Jonathan erschaffen. Sie sind wie Brüder, teilen fast alles, aber sind eifersüchtig auf alles was der andere nicht haben kann."Wenigstens diese Information hätte Jonathan ja mit ihr teilen können. 

Marcus Apartment war atemberaubend. Eine Glasfront sorgte für einen wunderschönen Ausblick auf die Exe und an den Wänden standen Regale, gefüllt mit unglaublich alten Büchern. Jasmin kam sich fast vor, als würde sie eine Bibliothek und kein Wohnzimmer betreten. Im Gegensatz zu Jonathans Haus, sah es hier wirklich aus, als wäre Leben in diesem Apartment. In der offenen Küche konnte sie sogar einen Obstkorb erkennen, obwohl Marcus das wohl nicht essen würde. Jasmin beobachtete den Sonnenuntergang durch die Glasfront und als der letzte Sonnenstrahl erloschen war hörte sie wie sich eine Tür hinter ihr öffnete.  „Genießt du die Aussicht?", fragte eine Stimme hinter ihr, die das Blut in ihren Adern gefrieren ließ. 

„Es muss traurig sein, sowas nicht sehen zu können.", stellte sie fest. Marcus zuckte nur mit den Schultern. „Einmal könnte ich es schon mit ansehen. Aber das ist es mir ehrlich gesagt nicht wert." 
„Warum bin ich hier?", fragte Jasmin, um so schnell wie möglich auf den Punkt zu kommen. „Wenn du mir bitte in den Keller folgen würdest.", forderte Marcus sie auf. Bei dem Wort „Keller" musste Jasmin schlucken. Marcus war ihr schon so unheimlich genug, sie musste nicht unbedingt seinen Keller sehen.

𝐓𝐡𝐞 𝐩𝐚𝐜𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt