Swan Song

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Winter has come for me, can't carry on
The chains to my life are strong but soon they'll be gone
I'll spread my wings one more time  


Du zogst deinen Schal enger um deinen Hals und vergrubst die Nase in dem weichen Stoff. Die Flocken fielen unaufhörlich vom Himmel und immer tiefer versankst du mit den Füßen im Schnee.
Es war eiskalt, doch dein gefütterter Mantel wirkte dem wunderbar entgegen. Du hattest dir das teure Kleidungsstück nach deinem letzten gelungenen Fang im Herbst gegönnt – ein dicker Fisch hatte dir eine Menge Geld eingebracht.
Dein Kopf ruckte nach vorn, als dich ein großer Schneeball am Hinterkopf traf. Du schriest erschrocken auf und drehtest dich zum Übeltäter um. Zwei starke Arme zogen dich vom Boden hoch und du kichertest euphorisch.
Du sahst in zwei grüne Augen und drücktest ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Zuneigung überrollte dich in einer überwältigenden Intensität – nie mehr wolltest du diesen Mann gehen lassen.


Deine Augen schlugen auf und du zucktest unter dem Schmerz in deinem Körper zusammen. Deine aufgeplatzten Lippen schmerzten furchtbar und als du dich von der kargen Pritsche aufrichtetest stöhntest du unter der Last deiner gebrochenen Rippe auf der linken Seite. Du hieltst dir den schmerzenden Knochen und sahst aus dem kleinen Kellerfenster. Es lag hoch Schnee, es kam kaum noch Licht herein. Alles in allem war der Keller düster und schlichtweg deprimierend.

Der Schnee war früh dieses Jahr gekommen, bereits im November. Dir gefiel der Schnee nicht, den er erinnerte dich daran, dass du bereits ein halbes Jahr hier drin saßt. Die Mafia brachte dich von Standort zu Standort, in den Abständen von einigen Wochen. Sicher suchte er schon nach dir, nur jedes mal am falschen Ort – aber du gabst die Hoffnung nicht auf. Hoffnung war alles was du noch hattest.
Das metallische Scharren von dem Türriegel ließ dich aufsehen und zwei Männer kamen herein. Du beobachtetest jede ihrer Bewegungen, wissend was als nächstes kam.
Sie gingen auf dich zu, langsam, bedächtig. Einer der beiden packte dich grob am Arm und zog dich von der Pritsche hoch, was dir ein schmerzerfülltes Stöhnen entlockte.
»Fushida will dich sehen.«
»Da kann er doch auch selber kommen und mich holen.«, erwidertest du kühl. »Er ist nicht gerade ein Gentleman.«
»Lass ihn das nicht hören. Sonst demoliert er dein hübsches Gesicht noch mehr.«
Du gabst ein verächtliches Schnauben von dir und ließt dich aus dem Keller führen. Es ging eine steile Treppe hinauf in das alte Lagerhaus, in dem du zurzeit untergebracht warst. Ein karges, zum Teil verkommenes Gebäude mit Löchern im Dach. Es schneite herein und auf dem kalten Steinboden lagen hier und dort einige Häufchen Schnee.
»Meine Liebe.« Fushida traktierte dich mit seinen kalten Rattenaugen und wies auf einen Holzstuhl vor dem Schreibtisch im Büroraum der Lagerhalle. Hier war es einigermaßen warm, was deine von der Kälte rissige Haut freute. Doch dir selbst war kaum zur Freude zumute und du ließt dich kraftlos auf den Stuhl fallen.
Du erwidertest seinen Blick wütend.
»Was willst du jetzt? Schon wieder ein Umzug?«, fragtest du genervt und musstest einen aufkommenden Hustenanfall unterdrücken.
»Oh, ich dachte ich verrate dir den neusten Stand der Dinge.« Mit einer einladenden Handbewegung bot er dir einen Schluck Cognac an, den du mit einem angewiderten Kopfschütteln quittiertest. Er zuckte mit den Schultern und nippte an seinem Glas. Schmieriger Widerling.
»Es verhält sich wie folgt: Dein psychopathischer Lover hat eine große Menge Geld bei uns liegen.« Er nippte noch einmal und die zwei Eiswürfel klirrten im Glas. Dir kroch eine unangenehme Gänsehaut den Nacken hoch. »Das bedeutet, dass er eine gewisse Immunität genießt. Ich darf ihm nichts tun. Aber du – du bist Freiwild.«
Deine Augen verengten sich etwas. Du wusstest wohin das führte.
»Also werde ich ihm das nehmen was ich kann ohne meinen Vater zu verärgern: Dich.«
»Komm zum Punkt.«, knurrtest du ungeduldig und Fushida grinste schief.
»So wild darauf, hm? Mir soll es recht sein.« Er winkte den beiden Männern am Türrahmen zu, die den Raum daraufhin verließen.
Fushida kam um den Schreibtisch herum und stellte sich hinter dich. Mit einer schnellen Handbewegung packte er dein Haar und zog dich vom Stuhl hoch. Du schriest auf, als er dich grob mit dem Oberkörper auf den Schreibtisch drückte und sich über dich beugte.
»Kakuzu mag es nicht wenn man seine Sachen anfässt.«, knurrte er dir ins Ohr. Dein Herzschlag verdoppelte sich und dir wurde das unausweichliche Ende dieser Auseinandersetzung klar.
»Fahr zur Hölle!«, fauchtest du wütend, doch warst durch die Unterkühlung, den Schlafentzug und die mangelnde Ernährung vollkommen entkräftet. Du warst kein Gegner für ihn.
»Ich mag Frauen die sich wehren.«
Du schlosst die Augen und balltest deine Hände zu Fäusten. Seine Finger glitten über deine Hüften und zogen den Stoff deiner Hose herab. Dir wurde schlecht.


Mit zitternden Knien saßt du auf dem Boden und starrtest an die Wand. Fushida stand in der Vorhalle, mit einer Zigarette im Mundwinkel und angebend mit seiner Tat vor den Handlangern. Was für ein erbärmlicher, widerlicher Wurm. Sobald Kakuzu dich gefunden hatte würde er sein fett weg bekommen, soviel war sicher.

Du schautest aus dem Fenster – es hatte aufgehört zu schneien. Den Frühling konntest du kaum erwarten.
Als du dich erhobst fuhr ein blendender Schmerz durch deinen Unterleib und deine Beine zitterten heftig. Du stütztest dich am Schreibtisch ab und stöhntest auf. An deinem Oberschenkel lief ein feiner Rinnsal Blut entlang. Du schlucktest gegen einige Tränen an und unterdrücktest einen Schluchzer. Das war wirklich ein Tiefpunkt in deinem Leben.
Du sahst auf, als du Schreie aus der Lagerhalle hörtest. Dumpfes Poltern, Fluchen und dann einige Minuten Stille. Deine Hoffnung zahlte sich aus.
Die Tür zum Büro ging auf und vor dir stand Kakuzu, blutbeschmiert und mit einigen Schneeflocken auf den Schultern.
»Du bist hier!«, platztest du heraus und Freudentränen rollten über deine Wangen. »Kakuzu!«
Du stolpertest auf ihn zu, doch der Schmerz in deinem Unterleib brachte dich ins wanken. Er trat vor, fing dich auf und hielt dich auf den Beinen. Von einem tiefen Schluchzen erschüttert drücktest du dich an ihn und kralltest dich verzweifelt in seinen Mantel.
»Ich wusste dass du kommst!«, brachtest du unter einem heftigen Schluckauf hervor und er verstärkte seinen Griff um deinen Oberkörper. Seine grünen Augen wanderten über deinen Körper und machten Halt an dem Blut zwischen deinen Beinen.
»Ist er tot?«, fragtest du und er nickte.
»Ja. Und dieses mal wirklich. Ich hab ihn in Einzelteile zerlegt.«
»Gut. Das ist gut.«, seufztest du und deine Augen fielen zu. Nichts war gut, überhaupt nichts. Gefangenschaft, Folter und nun das – wie viel solltest du denn noch ertragen?
Er hielt dich in seinen Armen und ihr beide schwiegt euch einen Moment lang an. Dann hobst du den Kopf und sahst zu ihm hoch.
»Lass uns bitte gehen.«
Er nickte und hob dich in seine Arme. Du vergrubst das Gesicht im rauen Stoff seines Mantels und ein tiefer, erleichterter Seufzer entkam dir.
Daraufhin drückte er dich noch enger an sich.

Big Bad WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt