2(I): Vor der Wahl

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„Wie sollen wir meinem Vater seine Entscheidung über mich und mein Leben erleichtern?", fragte ich und neigte den Kopf zur Seite. „Zuma?"

Der Mann, der in seiner schwarzen Kleidung vor mir stand und bereits seinen Mundschutz hochgezogen hatte, scheuchte mich in mein Schlafzimmer. Ein kleines, verwinkeltes Zimmer mit Nischen und zwei großen Fenstern. Eines ausgerichtet zum Festland, das andere zur See.

Ich suchte in meinem Gemach, sobald ich eingetreten war, nach einem Eindringling und auch Zuma versicherte sich, dass die Soldaten Luporas, die in ihre Hauptstadt Niiro eingedrungen und mich, die Tochter des hiesigen Herrschers mitnehmen wollten, nicht ins dritte Stockwerk hinaufgekommen waren. Anscheinend war uns niemand zuvor gekommen oder gar gefolgt.

„Zuma", meine Stimme bekam mehr Kraft und Strenge, weil er mich absichtlich warten ließ. Eine Eigenschaft, die er an mir zu schätzen wusste und die es ihm nur allzu einfach machte, mich zu piesacken. Doch heute würde er meine Nerven nicht unnötig strapazieren. Meine vorherige Unsicherheit gegenüber dem Vers Minerras, hatte ihm gereicht und dessen Taktlosigkeit ebenso. Mich machtlos und ängstlich zu sehen, machte ihn selbst jetzt noch rasend, das konnte ich ihm ansehen.

Etwas demotiviert ließ ich mich auf meinem Bett nieder, strich die fast durchsichtigen, weißen Vorhänge zurück und rückte mein noch immer lose auf meinen Schultern liegendes Oberteil zurecht. Meine langen Strähnen hatten sich in einzelnen, hervorstehenden Ornamenten des Ausschnitts verfangen und mit geübtem Fingerspitzengefühl befreite ich mein aschblondes Haar. Eine Beschäftigung, die mein Herz ein wenig beruhigte.

„Nun ja, Ihr habt immer noch ein paar Möglichkeiten, Eurem Schicksal zu entkommen", reagierte Zuma endlich und sogleich schnellte mein Kopf hoch. „Ohne Ameeris in Gefahr zu bringen, selbstverständlich."

„Und die wären? Mir fällt im Moment nur das Offensichtliche – der Heirat zuzustimmen – ein", erwiderte ich patzig, denn sein verbales Versteckspiel missfiel mir immer mehr. Besonders jetzt, wo meine Zukunft auf dem Spiel stand und ich meine eigene Unsicherheit kaum noch verbergen konnte. Ich wollte Valor nicht heiraten, niemals und schon gar nicht aufgrund einer unausgesprochenen Drohung gegenüber meines Volkes.

„Da habt Ihr Recht", bestätigte Zuma mich vorerst, spannte seine Körperhaltung jedoch auf einmal an. Das Rauschen der Wellen, die sich vom tosenden Meer bis in die Straßen Niiros wälzten, verschluckte seine Worte fast, oder er wollte, dass sie verschluckt werden. „Oder Ihr bittet Felior im Hilfe."

„Felior?", hakte ich nach und zog meine Augenbraue hoch. Meine Arme vor der Brust verschränkt schritt ich langsam zum Fenster und blickte heraus, als könne ich bis zum Königreich Felior schauen, welches sich im Südosten des Landes befand. Ein kleines Reich, das sich auf den Fischfang und die Schifffahrt spezialisiert hatte. Kein allzu schlechter Einfall, trotzdem rebellierte mein Magen dagegen. „Und dann?", sprach ich weiter und schaute ihn direkt an. „Sollten sie mir helfen, werden sie ebenso einen Preis einfordern und der Nachfolger der Königsfamilie-."

„Wird höchstwahrscheinlich auch um Eure Hand anhalten, richtig", unterbrach mein Wächter mich und führte meinen Satz fort. Ich seufzte nur und er nahm auf der Kante des Bettes Platz. „Es gäbe noch eine Möglichkeit, die gefährlich ist und Euch nicht gefallen wird."

„Bitte Zuma, es reicht. Erzähle mir einfach, was du planst und weißt. Und höre bitte auf, mich zu quälen!" Ich blinzelte bei diesen Worten die Tränen hinfort, die sich gerade in meinen Augen sammelten und drohten, meine Wange hinabzulaufen. „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Sie werden mich schon bald von hier wegbringen", meine Stimme wurde immer schwächer und ich begriff allmählich, was das wirklich für mich bedeutete. Ein neues Leben. Eines, das ich mir nicht einmal in Gedanken ausmalen mochte.

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