12(I): Voll Zorn und Eifer

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„Vielleicht klärt Ihr mich auf. Darüber, wieso Valor Meliahein gerade Euch an seiner Seite haben will", forderte Xylon auf meine Frage.

Ich wollte ihm nicht antworten und ihm schon gar nicht meine Vermutung offenbaren. Eigentlich sollte er derjenige sein, der mir meine Fragen beantwortete. Immerhin war er es auch, der einige Meter über dem Boden, in einem Käfig baumelte. Ich unterdrückte ein Seufzen, denn um ein Gespräch mit ihm kam ich nicht umher. Würde ich ihn nun ignorieren und gehen, verspielte ich meine Chance auf ein paar Hinweise seines Verbündeten.

„An dem Einfluss meines Heimatlandes kann es nicht liegen", begann ich die Gründe aufzuzählen, die sowohl eindeutig für eine solche, politische Hochzeit sprechen würden, als auch vom eigentlichen Grund ablenken konnten. „Wir besitzen nur wenig Land, haben kaum Bauern und auch keine Armee in der Größe wie Minerra oder Lupora. Die Welt schaut auf uns herab. Dafür, dass wir an die Erzählungen des Alten Volkes glauben und die Ruinen ehren."

„Aha", gab er von sich und drehte sich weiter zu mir. „Das Alte Volk und seine Legenden. Glaubt Ihr tatsächlich daran?"

„Ja, irgendwie schon", erwiderte ich.

„Dann könnt Ihr Euch doch sicherlich denken, wieso Valor Euch will. Denn er hält die Legenden ebenfalls für wahr", knurrte er, als würde es ihm missfallen, das scheinbar Offensichtliche aussprechen zu müssen.

Mir erfasste ein Schauer, rüttelte meinen Körper und die müden Muskeln durch. Er durchschaute mich, also würden Lügen mich nicht weiterbringen, ihn im schlimmsten Fall ganz vergraulen und dann stünde ich wieder am Anfang. Xylon schien vielleicht nicht an die Legenden, die Helices und andere Mächte zu glauben, aber er glaubte an Valor. Selbst wenn dieser an für Xylon Unglaublichem festhielt.

„Ich kann nicht zu ihm", sagte ich mehr zu mir selbst, als zu ihm. „Ich muss das Andenken, das meine Mutter mir überlassen hat, beschützen. Auch vor jemandem wie Valor."

„Ihr habt doch gar keine Ahnung, was Ihr da redet", fuhr er mich an. Nicht aggressiv, eher gekränkt. „Valor will die Welt vereinen. Wir würden ein Volk, ohne Kämpfe, Streitigkeiten oder Kriege."

„Falls es Valor gelingen würde, die Welt zu einen, würden Streitigkeiten und Kämpfe nicht einfach so beendet werden. Dafür sind die Menschen zu kompliziert und ... zu machthungrig."

Die Ketten des Käfigs knarzten und gruben sich ein Stück in die Rinde des Astes, über dem sie lagen, hinein, als Xylon mit seiner Faust gegen die Gitterstäbe donnerte. Ich zuckte zusammen, sprang auf und landete mit einem Fuß im Wasser des Sees.

„Wie könnt Ihr nur?", ermahnte er mich zornig. „Er versucht zumindest, die Welt zu einem besseren Platz zu machen."

„Seid Ihr Euch da sicher?", fragte ich ihn unterwürfig und schüttelte das Wasser aus meinem Schuh, der völlig durchnässt war. „Was, wenn er ein anderes Ziel verfolgt?"

„Das da wäre?", erkundigte er sich skeptisch.

„Er könnte seine Macht, die er durch die Helix Engelsschwert erlangt hat und die er durch Eure und meine Helices bekommen würde, für etwas anderes als den Frieden einsetzen", erklärte ich und er schwieg, forderte mich mit einem Stirnrunzeln auf, weiterzusprechen. „Er könnte mit den drei Helices eine Waffe erwecken, die die Welt zerstört, statt sie zu retten."

Der Mann im Käfig über mir schnaubte abfällig. Ich würde ihn wohl nicht überzeugen können, dass Valors Pläne andere waren, als er glaubte. Oder ich könnte mich natürlich ebenfalls in diesem Mann getäuscht haben. Meine wenigen Begegnungen mit dem Thronfolger Luporas fanden in meiner Kindheit statt, aber die Erinnerungen an ihn waren nicht sehr schmeichelhaft für seinen Charakter. Er hatte mich niemals als Prinzessin gesehen, was mir damals sowie heute gefallen sollte, aber er stellte mich immer infrage. Ich würde dem Land nicht genügen, würde wie ein Raufbold lieber in der Natur herumirren, als mich den politischen Fragen der Welt zu stellen. Für sein Alter war Valor wesentlich weiter. Er konzentrierte sich auf wichtige Angelegenheiten, plante seinen Aufstieg und seine Machtergreifung wahrscheinlich bereits mit 14 Jahren, während ich versuchte, mich in meinem mehr oder minder neuen Leben einzufinden.

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