14(I): Wieder vereint

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In meinem Rücken brach ein stimmliches Raunen aus. Männliche Stimmen, die sich überschlugen und meine Schritte, die durch das Gestrüpp brachen. Ich lief weiter, während die dünnen Grashalme und feinen Blätter meine Beine streiften. Ich wühlte mich geradewegs durch das undurchsichtige Blattwerk, spürte den Boden aus Moosen unter mir nachgeben und die kühle Luft auf der erhitzten Haut.

Die Freiheit, die mir ständig genommen und zurückgegeben wurde, fühlte sich so gut an. Auch wenn ich mich in einem Dschungel befand, umgeben von Bäumen und Sträuchern. Menschen im Nacken, die mich verfolgten und in ein Land bringen wollten, dass ich nicht kannte. Die mich an jemanden binden wollten, den ich aus verschiedenen Gründen verachtete. Die Haut in meinem Nacken brannte kurz auf und ich fühlte, wie Augen mir nachschauten. Augen von denen ich hoffte, dass sie nicht den Mysta oder Grindi gehörten, denn diese Wesen gehörten zu dem, was ich nicht einschätzen konnte. Sie waren das, was es nicht geben sollte und dennoch waren sie hier. Bei mir und taten, was ihnen gefiel. Ob es mir nun half oder nicht.

Diese Stimme, die Xylon Dalibor gedroht und mich vor ihm gerettet hatte, gehörte eindeutig Zuma, meinem Vertrauten, der mich sogar auf meiner Flucht begleitet hatte. Auch jetzt wachte er über mich, nach all dem, was geschehen war. Tränen stiegen mir in die Augen, aber mir fehlte die Zeit zum Weinen, ich musste laufen und das tat ich auch, bis mich etwas aufhielt.

„Endstation", hörte ich jemand anderen als Zuma sagen, als ich in seine Arme lief. „So sehen wir uns wieder", lachte Roan, der lange nicht mehr so schlecht und abgekämpft aussah, wie zu dem Zeitpunkt seiner Flucht vor Fraud und dessen Leuten. Er sah mich kurz an, hielt mich noch immer fest und lächelte erneut. „Hey Zuma!", rief er hinauf in die Bäume und löste damit seinen Blick von mir. „Habe ich meine Aufgabe jetzt erfüllt?"

Mit einem leisen Rascheln lösten sich einzelne Blätter und segelten zu Boden. Sie machten kein Geräusch bei der Landung, sondern betteten sich sanft auf der Erde. Nur eine Sekunde später landete Zuma auf derselben Stelle und ging vor mir auf die Knie.

„Calea", hauchte er nur und verschluckte sich an den anderen Worten, weil ich mich auf ihn stürzte. „Was zum-."

„Dir geht es gut!", winselte ich und presste mein Gesicht an seine Brust. „Ich wusste nicht ... ob du es überlebt hast. Ob du nicht doch ertrunken bist und-."

„Schon gut", entgegnete er beinahe flüsternd und streichelte meinen Rücken. „Mir ist ja nichts passiert. Dass ich Euch so schnell finden konnte, habe ich allerdings Roan zu verdanken."

Ich schreckte zurück und wischte mir noch in der Bewegung mit dem Ärmel über die tränennassen Augen. Roan stand hinter uns, die Arme vor der Brust verschränkt und hinter ihm erspähte ich einige seiner Männer. Ich konnte nicht anders, als abermals zu weinen. Dieses Mal vor Freude, obgleich ich die meisten dieser Menschen gar nicht kannte, sie mir egal sein sollten und ich mich eher vor ihnen fürchten, als mich um sie sorgen sollte. Doch meine Gefühle überfluteten mich und ich hatte nicht die Kraft, eine Maske aufzusetzen.

„Du freust dich ja riesig", merkte der Pirat an und ging vor mir in die Hocke, denn ich saß noch immer auf dem Boden. „Und was nun, Prinzessin?"

„Du weißt es?", fragte ich halb verängstigt, halb erleichtert.

„Dein Aufpasser es mehr oder minder entflohen, dass du die Prinzessin von Ameeris bist", er neigte den Kopf und erntete ein mahnendes Grummeln von Zuma. „Nun ja, da wir uns nun alle besser kennen und gemeinsam von dieser Insel fliehen wollen, sollten wir langsam aufbrechen."

„Moment", fuhr ich ihm dazwischen und stoppte ihn, während er sich gerade aufrichten wollte. „Du hast keine Fragen mehr? Es ist nicht seltsam, dass ich ... die Thronfolgerin Ameeris aus meinem Heimatland geflohen bin, von zwei verbündeten Nationen verfolgt werde und auch noch dich und deine Mannschaft in Gefahr gebracht habe?"

„Oh, ich habe noch eine Menge Fragen", erwiderte er belustigt und streckte eine Hand nach mir aus, die Zuma jedoch rasch wegschlug. „Autsch", gab der Pirat von sich. „Was ich sagen wollte: Ich habe noch viele Fragen an dich, aber wir zwei werden auch noch eine Menge Zeit miteinander verbringen."

„Also wirst du mich nicht an Lupora oder Minerra ausliefern?", hakte ich noch immer skeptisch nach.

„Nein, ich denke nicht", er schenkte mir ein Grinsen und die feinen, schwarzen Haarsträhnen vielen ihm ins Gesicht. „Oder hätte ich sonst geholfen, dich mal wieder zu retten?" Gemächlich richtete er sich auf, fuhr sich durch die Haare und blinzelte zu der Mannschaft, die sich hinter ihm versammelte. „Außerdem hätte dein netter Beschützer mir sicher nicht mein Leben gelassen, wenn ich dich dem Feind überlassen hätte ... Ach ja und er hat meinen Leuten geholfen, so wie du auch mir geholfen hast. Sowas schweißt doch zusammen, richtig?"

Ich musste wohl etwas zu überrascht hereinblicken, jedenfalls kam er mich wieder gefährlich nahe und in seinen Augen strahlte ein interessiertes, neugieriges Funkeln. Instinktiv wich ich zurück, suchte noch nach den richtigen Worten und fand sie in der Hektik nicht.

„Hat es dir die Sprache verschlagen, meine Liebe?", neckte er mich weiter und sogleich stellte sich mein Vertrauter zwischen uns. „Ganz ruhig, Zuma. Ich hatte gehofft, dass wir unsere Differenzen beigelegt hätten."

„Ja, solange du meiner Herrin nicht zu nahe kommst", knurrte dieser und schob mich dichter an sich. „Ich traue dir und deinen Leuten noch immer nicht."

„Aber unsere Hilfe, nimmst du gerne in Anspruch?", erkundigte sich der Captain nun nicht mehr so belustigt.

Die Stimmung drohte zu kippen, obwohl sich eben noch alles zum Guten wenden wollte. Ich zwängte mich an Zuma und Roan vorbei, um zu den anderen im Hintergrund aufzuschließen. Mein Blick wanderte kurz über ihre Gesichter, während Zuma stöhnend an meiner Seite auftauchte. Er maßregelte mich kommentarlos. Meine Aufmerksamkeit galt allerdings denen, die ich wiedererkannte. Sowohl die zierliche Juna als auch der kräftige Asker waren unter ihnen. Sie hatten unseren Schiffsbruch also auch überlebt.

„Wie", hörte ich meine Stimme, ehe ich den Gedanken zu Ende denken konnte, „kommen wir ohne Schiff von dieser Insel?"

„Gute Frage, Prinzessin", lobte mich Roan und stolzierte gespielt erhaben an Zuma, der über seine Bezeichnung für mich, obgleich sie richtig war, wenig erfreut war, und an mir vorbei. „Um über den Ozean zu kommen, müssen wir uns eines der Schiffe Eures ehemaligen Entführers nehmen."

„Wie bitte?", platzte es aus mir heraus.

„Keine Sorge, wir sind schließlich Piraten", erklärte er. „Wenn wir eines können, dann Dinge stehlen. Außerdem liegt Xylons Flotte nicht weit von hier vor Anker."

„Dann war sein Schiffbruch nur eine List", merkte ich an und fühlte mich ertappt, als Roan zustimmend nickte. Gut zu wissen, dass er bereits alles durchschaut hatte. Dieser Mann, der einmal still und dann wieder so laut in meine Welt trat, wollte mir nachkommen, aber Zuma stoppte ihn kurz bevor er bei mir war.

„Nun gut", lenkte der Pirat ein und sprach dann zu seiner Mannschaft, die nur darauf zu warten schien, dass ihnen endlich die nötige Achtung geschenkt wurde. „Lasst uns ein Schiff kapern!"

 „Lasst uns ein Schiff kapern!"

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