25(I): Ein dunkler Schleier fällt und erhebt sich

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Roan war der Dritte im Bunde. Auch er trug eine der drei Helices, die die Engelsinsignien des Alten Volkes sind. Da Valor Meliahein die Helix Engelsschwert und ich die Helix Engelskuss besaßen, musste Roans Helix Engelsschild sein, von der ich dachte, dass Xylon sie innehatte. So viele Antworten, die so viele neue Fragen und irgendwie auch Probleme mit sich brachten.

Angst durchfuhr meinen Körper, als ich mich aufrichtete, um hinunter ins Dorf Feliors zu schauen. Dort befand sich unser Feind. Und auch Zuma schlich dort unten herum, um Informationen für uns zu beschaffen. Uns. Denn nun würde nicht nur ich das Ziel von Valor und damit auch von Xylon sein, sondern genauso Roan.

„So ...", setzte der Pirat an und rappelte sich langsam auf. Er wirkte noch geschwächt von dem plötzlichen Ausbruch seiner neuen Kräfte und ich wusste nur zu gut, wie er sich jetzt fühlte. „Was werden wir unternehmen?"

„Wir sollen doch abwarten und-."

„Abwarten, hm?", unterbrach er mich und gesellte sich zu mir an den Rand der Klippe. „Wie viele Schiffe sind bereits eingetroffen?"

„Ich bin mir nicht sicher", entgegnete ich und kniff die Augen zusammen, während ich den Blick über die See und zurück in den Hafen schweifen ließ. „Sechs vielleicht?"

„Wenn das wirklich alle sind, die sie dabei haben", murmelte Roan und machte auf dem Absatz kehrt. „Wir sollten deinem Wächter helfen oder zumindest nach ihm sehen. Es ist doch seltsam, dass er so lange braucht."

„Wir sollten abwarten", erinnerte ich ihn und ignorierte seinen Vorschlag. „Zuma weiß, was er tut und sollten die Soldaten mich sehen und erkennen, bin ich wahrscheinlich geliefert", erklärte ich so ruhig und bedacht, wie ich konnte, denn insgeheim wollte ich ebenso gerne wie Roan hinabsteigen und im Dort nach dem Rechten sehen. Sicher konnten wir uns nämlich nicht sein, dass er Plan funktionierte.

„Die Sache mit der Helix ... mit meiner Helix", wechselte er dann auf einmal das Thema, sah mich jedoch nicht an. „Kannst du dir vorstellen, was das zu bedeuten hat?"

Seine Stimme klang seltsam. Verändert. Einen Moment dauerte es, bis ich verstand, worauf er hinaus wollte und anspielte. „Als Helix-Träger müsstest du rein theoretisch von einer Familienlinie des Alten Volkes abstammen. Was wiederum bedeutet, dass du zu einem der ... Königreiche gehörst?", mich überkam ein eiskalter Schauer. „Vielmehr noch. Du müsstest von einer Herrscherlinie abstammen."

Unsere Blicke trafen sich und ich schreckte zurück, was beinahe zum Absturz in den Abgrund hinter mir geführt hätte, doch eine seichte Böe, die zuvor nicht da gewesen war, drückte meinen Rücken zurück auf sicheren Untergrund.

„Dieser Wind", keuchte ich und erkannte die Veränderung in Roan. Die nach oben geöffnete Sichel, die sich vorhin beim Kampf gegen den Grindi auf seiner Stirn gebildet hatte, leuchtete abermals auf. „Das ... wie?", stotterte ich weiter, weil ich nicht verstand, wie er diese Kraft so schnell meistern konnte. Das war doch unmöglich.

„Schein, als sein mir der Wind schon immer ein treuer Begleiter gewesen", kommentierte er das, was er gerade tat. In seiner Hand bildete sich ein kleiner, beinahe weißer Sturm. „Bedeutet das nun, dass ich die Macht an mich reißen kann, so wie es Valor versucht?"

„Wovon sprichst du?", meine Stimme zitterte und das hörte auch er.

„Woher kommt diese Kraft? Warum lässt sie sich erst jetzt blicken und macht mich zu jemandem, der ich nie sein wollte?"

„Ich weiß es nicht", antwortete ehrlich, denn ich kannte seine Vergangenheit nicht. In diesem Moment war das ein schmerzliches Eingeständnis, nachdem ich ihn schon eine ganze Weile kannte. „Woran erinnerst du dich? An deine Kindheit und die Menschen, mit denen du aufgewachsen bist?"

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