29: Zwischen Sieg und Niederlage

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Der flammende Phönix hatte einen rauchenden Fleck hinterlassen und schien verschwunden. Nicht verschwunden und damit weder in Rauch aufgegangen, noch von dem Flammen verschlungen worden waren Valor und Xylon. Beide lagen besiegt am Boden. Ich näherte mich ihnen langsam und vielleicht auch unbedacht.

Xylon, den ich als erstes erreichte, lebte noch, denn seine Brust hob und senkte sich, wenn auch langsam. Seine Haut schien trotz des Angriffes des brennenden Grindis nicht verkohlt worden zu sein. Allerdings war er wohl bewusstlos, im Gegensatz zu Valor, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte und sich mit einem Arm über dem pechschwarzen Boden abstützte. Er hatte Angst. Er fürchtete sich tatsächlich vor mir und das, obgleich ich durch den Pfeil in meinem Bein nicht mehr allzu beweglich war.

„Du", knurrte er und musste husten, sich beinahe erbrechen, ehe er weitersprechen konnte. „Was bist du? Wie konntest du ... wie hast du diese Monster kontrolliert? Was bist ... du?"

Ich antwortete ihm nicht, weil ich keine Antwort auf seine Frage hatte. Die Grindi hatten mir nicht zum ersten Mal geholfen und dieses Mal hatten sie sogar mit mir gesprochen. Zumindest der Grindi, der wie ein gigantischer Vogel auf uns herabgesegelt war.

Bevor ich meinen fast verschwommenen Blick wieder auf Valor richten konnte, erfasste mich ein leichter, warmer Luftzug von der Seite und das Donnern von schnellen Schritten. Ich zuckte instinktiv zusammen und duckte mich, weil ich befürchtete, dass die Soldaten zurück waren, doch es war ein einziger Mann, der an mir vorbei zu Valor preschte.

An seinen schwarzen Haaren erkannte ich ihn. Roan stürzte sich auf Valor, welcher sich kaum wehren konnte. Kurz wirkte es, als seien die beiden ein verknotetes Knäuel aus Armen, Beinen und Körpern, dann saß Roan auf unserem Feind und hielt dessen Arme fest. Keiner von ihnen hatte noch die Kraft, eine Waffe zu zücken oder auch nur daran zu denken, die eigene Helix zu nutzen. Beide waren ihren niedersten Instinkten erlegen, prügelten und traten aufeinander ein, bis sich der Untere endlich ergab.

Wir hatten gewonnen, dachte ich leise für mich und ließ die Schultern sinken. Wir hatten tatsächlich gegen Lupora und Minerra gewonnen. Wie ein Wunder hatten wir es geschafft, doch ehe die Euphorie mich gänzlich einnahm, schaute ich mich hektisch nach Zuma und den anderen um. Das Dorf Feliors glich einem überrannten Feld. Als seien hier abertausende von wütenden Tieren eingefallen oder als hätte ein Erdbeben alles in sich aufgenommen und verschluckt. Kein Haus stand mehr komplett. Am Wegesrand lag eine Puppe, völlig durchnässt von den Fluten, die alles überschwemmten. Die Menschen waren verschwunden und ich hoffte aus tiefster Seele, dass sie sich in Sicherheit gebracht hatten. Mit ihrem Anführer, Cyril hatte ich allerdings noch etwas zu besprechen.

Ein lautes, schmerzerfülltes Stöhnen riss mich aus meinen Gedanken und zurück zu den Männern. Roan hörte nicht auf. Er schlug weiter auf den besiegten Valor ein, würde ihn vielleicht sogar tot prügeln, also setzte ich mich langsam in Bewegung. Der Pfeil in meinem Bein riss die Wunde, die er verursacht hatte, bei jedem Schritt ein Stück weiter auf, aber ich konnte ihn nicht herausziehen. Jedenfalls nicht bevor ich etwas sauberen Stoff gefunden hatte, womit ich die Blutung stoppen konnte.

Als ich hinter Roan stand, der völlig geistesabwesend den Mann verletzte, der uns verletzt hatte, packte ich seine Arme und riss ihn von dem anderen herunter. Wir landeten unglücklich, sodass sich der Pfeil weiter in mein Bein fraß. Nun fehlte nur noch der Federkiel, der auf der Eintrittsseite rausguckte. Der restliche Pfeil hatte es einmal durch mein ganzes Bein und wieder heraus geschafft.

Der Pirat richtete sich wieder auf und wollte dem blutüberströmten Mann keine Pause gönnen.

„Halt", keuchte ich und unterdrückte das stechend brennende Gefühl in meinem Bein, während ich Roan zu mir zerrte. „Wenn du weitermachst, stirbt er."

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