7(II): Nahe der Eskalation

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Seine dunkelblauen Augen durchbohrten mich, betrachteten jeden Zentimeter meines Körpers und analysierten jede meiner Bewegungen. Roan schien herausgefordert, aber er kam mir nicht näher. Wir beide standen uns gegenüber, hinter mir Zuma und hinter ihm seine Mannschaft. Ich wusste weder, was er jetzt von mir hören wollte, noch was er unternehmen würde, falls ich nichts oder das Falsche sagte.

Er hielt den Kopf schräg und lächelte mich an, als würde er wollen, dass ich endlich eine Reaktion zeigte. Aber was für eine? Ich wollte nicht noch mehr Probleme verursachen und ich wusste, dass ich ihn anlügen müsste. Er durfte nicht erfahren, dass ich Ameeris Prinzessin war und Luporas Thronfolger sein Heer gesandt hatte, um mich zu sich zu bringen. Dieser Pirat mochte aufmüpfig und vielleicht sogar gerissen und stark sein, aber er wäre nicht so dumm, sich mit zwei großen Nationen anzulegen, nur um mich vor einer Zwangshochzeit zu beschützen. Denn für ihn war ich ein Niemand.

Plötzlich zerschnitt ein Schuss die Luft. Darauf folgte ein lautes Platschen auf steuerbord Seite und das Schiff schwankte. Es knallte erneut. Das schallende Geräusch konnte nicht allzu weit entfernt sein und obwohl Schüsse nichts Gutes bedeuteten, machte sich in mir Erleichterung breit, weil der Captain samt Mannschaft aus der kleinen Kajüte an Deck strömte.

Das Donnern ebbte nicht ab. Stattdessen knallte etwas gegen oder auf das Schiff und ich stieß mit der Schulter gegen den Türrahmen, als ich nachsehen wollte, was auf dem Ozean vor sich ging. Auf Deck herrschte Chaos. Männer rannten von der einen zur anderen Seite, einige verschwanden in dem kleinen Überdeck des Schiffsbugs. Von dort aus gelangten sie ins Innere und zu den Kanonen. Währenddessen standen wir allerdings schon unter starkem Beschuss.

Geschosse flogen nur knapp an und über uns. Ich wollte sehen, wer uns angriff, kam aber nicht weit. Das Schaukeln der aufgewühlten See machte es mir beinahe unmöglich, mich auf den Beinen zu halten. Verzweifelt klammerte ich mich an das Geländer der Treppe, die vom Oberdeck kam, als eine Kanonenkugel den Rumpf des Schiffes traf. Holz splitterte, schwere Teile versanken im Wasser und Männer brüllten.

Noch nie zuvor hatte ich so schnell so viel Rauch gesehen. Das Schiff brannte und die See scheinbar mit ihr. Ich hangelte mich das Treppengeländer hinauf, nahm strauchelnd eine Stufe nach der anderen und spürte auf einmal eine Hand an meiner Seite.

„Calea", keuchte Zuma. Keine Ahnung von wo er aufgetaucht war, aber ich war froh in zu sehen. „Kommt, wir müssen-."

Ein weiterer Einschlag ließ das Holz zerbersten und das Knacken und Krachen übertönten jede menschliche Stimme. Selbst das Gebrüll der Mannschaft schien für einen Moment tot, nur um im nächsten lauter und beängstigender zu mir hindurch zu drängen. Zuma half mir die Stufen hinauf aufs Oberdeck, von wo wir die feindlichen Schiffe sehen konnten.

„Sie segeln unter Luporas und Minerras Flagge", stellte ich atemlos fest und Zuma schirmte mich mit seinem Körper ab. „Wieso? Wissen sie, dass ich hier bin?"

„Vermutlich", ächzte Zuma. Er krümmte sich, als hätte ihn jemand oder etwas getroffen. Auf meinen besorgten Blick antwortete er mit einem schiefen Lächeln. Sonst lächelte er nie, also war die Situation ziemlich aussichtslos.

„Aber wenn sie wissen, dass ich hier bin", ein Geschoss streifte einen Mast und riss ihn mit sich auf der anderen Seite des Schiffes ins Meer. Wieder hallten Schreie nach, verklangen wie Geister im Tosen der Wellen. „Wenn sie wissen, dass ich an Bord bin, warum schießen sie dann auf uns?"

„Die bessere Frage ist, wie sie uns so schnell finden konnten", entgegnete mein Wächter und richtete sich auf, sodass ich mich wieder frei bewegen konnte. „Wieso lässt sich Minerra auf so eine Jagt ein?"

„Die Helix", erwiderte ich und fasste mir in den Nacken. „Wenn Xylon die Helix des Engellschildes trägt, kann er mich vielleicht aufspüren."

Es war nur eine Vermutung, denn von dieser Helix glaubte man, sie sei seit langer Zeit und auf ewig verschwunden. Doch es ergab zumindest ein bisschen mehr Sinn, als dass Xylon Dalibor uns rein zufällig auf dem offenen Meer gefunden hatte.

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