„Ich werde dich nicht gehen lassen", entscheid Fraud harsch und nahm mir damit meinen Versuch, ihn zur Kooperation zu überreden. „Nicht, weil ich dich hier festhalten will, sondern weil es zu gefährlich für dich ist."
Gefährlich. Ich ließ mir dieses Wort durch den Kopf gehen und musste schmunzeln. Alles zusammengenommen, was ich in den letzten Wochen gemacht hatte, erschien mir nun wesentlich gefährlicher als das, was ich mir auf dieser abgeschiedenen Insel hätte antun können. Die Jahre vor meiner Flucht hatte ich mich auch nicht gerade vorbildlich verhalten. Immer wieder hatte ich mich in die Ruinen des Alten Volkes geschlichen und mir ihre Gebilde angesehen. Ich hatte nie viel gefunden, aber mein Herz hatte so stark in meiner Brust geschlagen, dass ich mich lebendig fühlte. Dass ich wusste, dass diese gestorbene Welt noch längst nicht tot war.
„In Ordnung", gab ich mich einverstanden und log dabei ein wenig. „Ich bleibe erstmal hier."
Der letzte Satz würde der Wahrheit entsprechen, immerhin würde nicht ich von hier verschwinden, sondern jemand anderes. Nun gut. Mein Plan war es letztendlich schon, auch von hier zu verschwinden, aber erst, nachdem ich Zuma gefunden und eine Ahnung davon hatte, wohin ich wollte.
Fraud wirkte zufrieden mit meiner Antwort und geleitete mich zurück zu dem großen Platz, der nun recht verlassen aussah. An den Geländern, die rund um diesen Platz führten, brannten bereits einige Fackeln. Ihr wallender und goldgelber Schein bildete einen starken Kontrast zu der dunklen Baumrinde und den tiefgrünen Blättern. Dünne Äste reichten bis über die Brücken und wucherten geradezu über die Dächer der kleinen Gebäude. Einige Strahlen der Fackeln stahlen sich durch die Blätter hindurch und sprenkelten die Bäume und Hauswände.
Ein bisschen verträumt fand ich mich mitten auf dem Marktplatz wieder, während die Nacht den Wald schwarz gefärbt hatte. Die Flammen stachen nun noch stärker hervor und wiesen mir den richtigen Weg. Fraud folgte mir, bis ich zurück zu meiner Unterkunft gefunden hatte. Einerseits mochte ich es, meinen eigenen Weg zu finden und nicht auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Andererseits störte es mich ein wenig, dass er mich beinahe schon bewachte und nicht von meiner Seite wich. Er verhielt sich dabei nicht wie Zuma, dessen Präsenz ich gewohnt war und der sich zurückhielt. Fraud schien bewusst präsent zu sein, als sollte ich nicht vergessen, dass er hier war. Vielleicht ahnte er bereits, dass ich von hier verschwinden oder Roan befreien wollte.
Doch davon durfte ich mich nicht einschüchtern lassen. Ein letztes Mal rückte er mir auf die Pelle und ich wich seinem Arm, den er zwischen Tür und mich platzieren wollte, geschickt aus. Noch in meiner Bewegung öffnete ich die Tür und war zur Hälfte im Haus verschwunden. Fraud sah mir mit einem nicht zu deutenden Funkeln in den braunen, unschuldig wirkenden Augen hinterher, atmete aus und verabschiedete sich dann wortlos.
Mein Herz wurde spürbar leichter. Ohne beäugt zu werden, konnte ich mich kurz fallen lassen und mich auf die Befreiung des Piraten vorbereiten. Er würde Trinkwasser benötigen, also musste ich etwas davon morgen Früh in eine Trinkflasche abfüllen und auch Proviant würde ihm sicherlich zugutekommen. Alles andere hing an ihm, aber ich war mir sicher, dass er ebenso gerne die Überlebenden seiner Mannschaft wiedersehen wollte, wie ich meinen Wächter zurücksehnte.
Meine Nacht gestaltete sich ziemlich kurz, weil die Aufregung tief in meinem Inneren hielt den wohltuenden Schlaf davon ab, über mich zu kommen. Stattdessen wachte ich hin und wieder auf, schlief ein, oder befand mich in einem Dämmerzustand. Manchmal hörte ich auch Stimmen um mich herum, die nur von den dünnen Holzwänden abgehalten wurden. Männer und Frauen redeten bereits in der Früh miteinander. Einige von ihnen schwärmten wohl aus, denn als ich es aufgegeben hatte zu schlafen und die Hütte verließ, sah ich eine Gruppe Leute auf den Boden in den Wald hineinlaufen.
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Seabound
FantasyCalea Amante ist eine junge, starke Frau und stammt aus gutem Hause. Nicht nur das, sie ist eine Prinzessin, auch wenn ihr dieser Titel gar nicht zusagt. Was für die einen ein Segen ist, wird für sie sehr bald zum Fluch. Denn als ihr Widersacher aus...