Obwohl Roan einen mehr oder weniger scharfen Gegenstand an meine Kehle drückte und mich offensichtlich als Geisel benutze, blieb ich erstaunlich ruhig. Ich bewegte mich nicht, nur mein Herz schlug regelmäßig gegen meine Brust. Seine Hände zitterten jedoch, also hatte er Angst? Angst vor diesen Einheimischen, die uns umzingelt hatten und ihn bedrohten?
Ich drückte mich dichter an Roan, um dem Gegenstand an meinem Hals auszuweichen und er hielt mich ebenfalls fester. Nicht, um mich wirklich zu verletzen, sondern um sich selbst die Sicherheit zu geben, dass die Einheimischen ihn nicht sofort umbringen konnten, ohne auch mich zu verletzen.
„Ich sagte doch", wiederholte der Mann, der soeben gefordert hatte, mich freizugeben, „Du sollst sie loslassen."
Seine Stimme kam mir nicht bekannt vor und die Härter darin ließ kleine Schauer über meinen Rücken flitzen. Ich sah mich um, so gut ich es in dieser Position konnte und atmete scharf ein, als endlich ein Gesicht aus dem Meer aus grünem Blattwerk auftauchte. Ein recht blasses Gesicht, das von rostbraunen Haaren umspielt wurde. Seine Augenbrauen zogen sich weiter zusammen, ließen Falten auf seiner Stirn tanzen. Aber die Brandnarbe rund um sein linkes Auge wirkte unglaublich einschüchternd auf mich. Nicht, weil die Narbe abstoßend war, ganz im Gegenteil, denn sie schien gut verheilt zu sein.
„Und ich sagte, niemand bewegt sich, verdammt!", Roan setzte die Klinge, oder was er auch immer in der Hand hielt, höher an, sodass der kalte Gegenstand nun mein Kinn anschnitt. Der andere Mann wich zurück, öffnete die Hände als beschwichtigende Geste. „So ist gut", setzte Roan nach und ich spürte, wie er erleichtert ausatmete.
„Lass sie gehen, dann klären wir das zwischen uns", schlug der Rothaarige vor und kam abermals auf uns zu. Dieses Mal langsamer.
„Sicher. Du und deine Armee gegen mich. Klingt gerecht und mir wir sicherlich nichts geschehen", lachte der Pirat. Sein warmer Atem streifte meinen Nacken. „Ich behalte meine Lebensversicherung lieber nah an meinem Herzen."
Roans Antwort schien dem anderen Mann gar nicht, denn er ballte seine eben noch beschwichtigend wirkenden Hände nun zu Fäusten. Vielleicht tat er es unbewusst, aber sein Blick lag seit einiger Zeit des Stillschweigens auf mir. Ein unangenehmes Gefühl, wie ich feststellen musste und dennoch fragte ich mich, warum seine bläulich schimmernden Irden so besorgt aussahen. Kannte er mich etwa? Aber wieso erkannte ich diesen Mann dann nicht?
„Weißt du überhaupt, wer diese Frau ist, deren Leben du bedrohst?", erkundigte sich der Rothaarige plötzlich und schaute auf zu Roan. Dieser erwiderte nichts, doch das genügte dem anderen als Antwort und er sprach weiter. „Sie ist-."
„Nicht!", unterbrach ich ihn und erschreckte Roan so sehr, dass er mich beinahe losgelassen hatte. Ein dumpfes Geräusch nahe meiner Füße lenkte mich ab. Der Captain hatte das rostige Messer, das er bis eben an meine Kehle gehalten hatte, fallen gelassen. Ohne darüber nachzudenken, stieß ich es weg, blieb aber vor ihm stehen.
„Wie bitte?", hakte der Rothaarige nach und legte den Kopf schief, während er einen weiteren Schritt auf uns zukam. „Ich darf deinen Namen und deinen Rang nicht nennen? Auch wenn das dein Leben retten könnte?"
Auf einmal war die Härte in seiner Stimme verschwunden und etwas Spielerischem gewichen. Ich schaute dem Rothaarigen in die Augen, erkannte im Augenwinkel, wie seine Leute den Kreis um uns enger schnürten. Aber der Mann selbst steckte die Hände in die Hosentaschen und pfiff kurz, woraufhin die Restlichen ihre Waffen niederlegten.
„Was zum ...", stammelte Roan verwirrt und legte seine warmen Hände auf meine Schultern. Er neigte sich soweit zu mir herab, dass seine Brust meinen Rücken berührte und flüsterte: „Wer bist du?" Ich drehte mich rasch um, stieß mich von ihm und mein Blick schien Roan nun zu amüsieren. „Bist du so besonders?", fragte er weiter und ignorierte die Einheimischen, die sich weiter sammelten. Scheinbar sah er sie jetzt nicht mehr als Gefahr an. „Hätte ich dich vielleicht besser verkaufen sollen, wenn du doch so wertvoll zu sein scheinst?"
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Seabound
FantasyCalea Amante ist eine junge, starke Frau und stammt aus gutem Hause. Nicht nur das, sie ist eine Prinzessin, auch wenn ihr dieser Titel gar nicht zusagt. Was für die einen ein Segen ist, wird für sie sehr bald zum Fluch. Denn als ihr Widersacher aus...