Ich verfluchte mich selbst. Meine eigenen Schwächen nur zu gut, wusste auch, dass ich mir innig geschworen hatte, weder mich selbst noch Zuma in Gefahr zu bringen und dennoch schlich ich mich gerade aufs Hauptdeck des Piratenschiffes. Nur kurz, hatte ich mir gesagt und war unter Zumas Hängematte gehuscht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich nicht gehört hatte. Aber warum hielt er mich nicht auf? Vielleicht wollte er ja, dass ich in das Messer laufe, was ich selbst aufgestellt hatte. Ein Messer, dessen Klinge die Welt teilen könnte. Meine Welt und die der Menschen, die dem Königshaus Amante angehörten.
Ein seltsames Summen weckte mich aus meinen Gedanken. Ich lugte durch die halb geöffnete Tür, die leicht knarzte. Das Deck schien auf den ersten Blick leer und die See hatte sich beruhigt. Nur die violetten Wolken am Horizont, die sich wie Lebewesen über das Wasser wälzten und die letzten Sterne verdeckten, ließen erahnen, dass sie sich bewegten. Der Wind blies mir durch das aschblonde Haar und wirbelte die feinen Strähnen umher. Jedes Härchen sah so zerbrechlich aus. Alles an mir wirkte zierlich und zerbrechlich. Selbst meine Finger, die sich so klammernd an der Tür festhielten, waren lang und dünn, beinahe knöchrig.
Das Summen wurde nicht lauter, dafür erhielt es einen dunklen und vollen Klang. Jemand schien versucht, ein Lied zu singen, wollte aber vermutlich nicht, dass ein anderer ihn hörte. Ich wagte mich weiter hervor. Einen Fuß setzte ich bereits auf das Hauptdeck, da wandelte sich das Summen tatsächlich in eine Stimme, die nicht nur eine Melodie, sondern auch Worte sang. Mein Herz raste so sehr, dass meine Finger bebten, während ich die Tür weiter aufdrückte und die Stimme immer deutlicher wurde.
Mitten auf dem vom feuchten Schein schimmernden Deck stand Roan. Sein Blick richtete sich gen Himmel, den die aufgehende Sonne allmählich purpurn färbte, und fiel dann auf den Ozean. Dabei sang er ein Lied, dass ich noch nie zuvor gehört hatte. Jeder Ton erzählte eine eigene Geschichte und ließ mich erschaudern. Die feinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf, während die Stimme des Mannes abermals einen dunklen, geradezu bedrohlichen Ton annahm.
Allerdings war es kein Lied von Krieg oder ihren erfolgreichen Raubzügen, sondern eines über die Ferne. Fernweh und den Heimweg. Ich duckte mich, als Roan sich in meine Richtung drehte und versteckte mich hinter einem alten Fass, dessen Inhalt mir unbekannt war. Ich nahm die kleinen Vibrationen wahr, die auf mich zukamen, und machte mich noch kleiner. Alles hätte ich von ihm erwartet, aber dass dieser Mann so wunderschön singen konnte, überraschte mich doch sehr und zugleich erkannte ich, dass er doch ein Herz besitzen musste. Jemand, der so sang, konnte kein allzu schlechter Mann sein, obgleich sein Verhalten bisher eher seinem eigenen Vorteil gedient hatte als reiner Herzensgüte.
Die Schritte ebbten ab, aber Ich war mir ziemlich sicher, dass der Pirat noch immer in mein Nähe sein musste. Weglaufen kam nun nicht mehr infrage, aber was sollte ich dann tun? Er würde wissen wollen, was ich so früh am Morgen außerhalb meiner Kabine machte und ich würde ihm nicht antworten können. Jedenfalls nicht, wenn ich meine Identität weiterhin geheim halten wollte. Ihc schluckte schwer, biss mir auf die Innenseite meiner Wange und wanderte mit dem Rücken am Fass ein Stückchen von seinem vermeintlichen Standpunkt weg.
DU LIEST GERADE
Seabound
FantasíaCalea Amante ist eine junge, starke Frau und stammt aus gutem Hause. Nicht nur das, sie ist eine Prinzessin, auch wenn ihr dieser Titel gar nicht zusagt. Was für die einen ein Segen ist, wird für sie sehr bald zum Fluch. Denn als ihr Widersacher aus...