„Oh nein", keuchte Juna und stand plötzlich im Boot. „Siner. Das war Siner."
„Siner?", wiederholte ich fragend und kannte die unangenehme Antwort bereits. Es war einer der Piraten, der soeben über Bord gegangen und ertrunken war. Nein, vermutlich war er bereits tot, als er gefallen war.
„Ich ... muss ihnen helfen", stammelte sie vor sich hin und hielt die Strickleiter bereits in einer Hand. Über uns ertönte Gestöhne und Aufschreie. Der Kampf hatte nicht nur begonnen, er entbrannte regelrecht und würde all jene verschlucken, die zu schwach waren. Juna starrte ebenso erschrocken wie ich hinauf, fing sich jedoch schnell. „Bleib du hier und pass auf die Beiboote auf. Ich befürchte, wir werden diese Möglichkeit zur Flucht noch benötigen."
„Aber Juna", rief ich ihr noch nach, doch da war es schon zu spät.
Flink wie ein Affe kletterte sie am Schiff hinauf und stürzte sich jauchzend in den Kampf. Ich biss mir auf die Unterlippe, klammerte mich an die Seile, welche die anderen drei Beiboote mit meinem verbanden. Immer wieder hielt ich die Luft an, um die Geräusche wahrzunehmen und einordnen zu können. Würden sie es schaffen? Würden sie siegen? Ich weigerte mich, über eine Niederlage nachzudenken, aber es hörte sich nicht gut an. Gar nicht gut.
„Was haben wir denn da?", ertönte eine rauchige Stimme über mir und darauf erspähte ich das Gesicht eines Soldaten.
Er hatte mich entdeckt, doch noch nicht erkannt. Aber wo sollte ich hin? Ehe ich eine Antwort auf meine Frage finden konnte, riss ein Ruck mein Boot beinahe um. Ich hielt mich an der Seite fest und blinzelte zwischen den halb geschlossenen Augen hindurch, sah ihn. Den Soldaten, wie er auf dem Boot neben mir gelandet war und nun seinen Säbel zückte.
„Na, versteckst du dich?", fragte er mich und ließ die Klinge durch die Luft sirren. „Hast du Angst vor einem Kampf?"
Ich zückte eines meiner Wurfmesser, doch der Mann machte einen Satz voraus in mein Boot. Es schwankte so stark, dass ich mein Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf gegen eine Kante knallte. Ich war nur kurz benommen, doch die Zeit reichte dem Mann, um mir den Säbel an die Kehle zu halten und mir die Kapuze vom Kopf zu reißen.
„Nein", presste er ungläubig hervor und hatte mich wahrscheinlich erkannt. „Ihr seid-."
Ein weiteres Mal brachte jemand das Boot beinahe zum Kippen und der Mann fiel zur Seite weg. Die Klinge seines Säbels blitze in einem Augenwinkel auf, schnitt leicht in die dünne Haut meines Halses und prallte dann an meiner Schulter ab. Aufgeregt fasste ich mir an die Schnittstelle, spürte die warme Flüssigkeit an meinen Fingerkuppen. Nicht viel, aber der Gedanke daran, dass er mir fast die Kehle zerschnitten hätte, brachte den Schwindel über mich. Ich bemühte mich, aufzustehen, da griff eine Hand nach mir.
Ich schrie auf und versuchte, denjenigen abzuschütteln. Das Wurfmesser musste ich fallen gelassen haben, aber ich hatte noch mehr. Ich griff nach einem Weiteren, hielt jedoch inne, als ich bemerkte, wer da zu mir ins Boot gesprungen war.
Zuma stand vor mir, warf ein Messer nach dem anderen nach dem Mann, der sich ebenfalls wieder aufgerappelt hatte und auf Zuma einstach. Sie bewegten sich irrsinnig schnell, sodass meine Augen kaum folgen konnten. Auf einmal wankte das Boot zum dritten Mal und ich hatte kurz Hoffnung, Juna wäre zurück. Leider wurde ich enttäuscht. Neben mir stand ein weiterer Soldat mit einem Dolch in der Hand. Er stürmte auf mich zu, hatte einen wahnsinnigen, voller Angst verzogenen Gesichtsausdruck und mich womöglich nicht erkannt. Ich wich ihm aus. Einige Male sogar recht erfolgreich, bis ich verstand, dass nicht ich sein Ziel war, sondern Zuma.
Ehe ich meinen Vertrauten warnen konnte oder auch nur ein Geräusch aus mir herausbekam, grub sich der Dolch bereits von hinten in seinen Rücken. Zwischen die Rippen und so tief, bis nur noch der Schaft des Griffes zu sehen war. Für einen Augenblick herrschte totenstille und niemand bewegte sich. Mein Mund stand offen, aber noch immer fehlte mir die Stimme. Dann riss Zuma das Messer, das er noch in der Hand hielt, mit solcher Wucht herum, dass er dem Mann vor ihm den Bauch und einen Teil des Gesichts aufschnitt. In der gleichen Bewegung rammte er dem Soldaten, der ihn hinterrücks erstechen wollte, das gleiche Messer in den Brustkorb. Abermals kehrten Stille und Stillstand ein. Kurz darauf fielen beide Feinde um. Einer von ihnen ins Wasser.
DU LIEST GERADE
Seabound
FantasyCalea Amante ist eine junge, starke Frau und stammt aus gutem Hause. Nicht nur das, sie ist eine Prinzessin, auch wenn ihr dieser Titel gar nicht zusagt. Was für die einen ein Segen ist, wird für sie sehr bald zum Fluch. Denn als ihr Widersacher aus...