23(I): Von Glimmender Gefahr

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Nichts klappte. Wir trainierten – wenn man es überhaupt so nennen konnte – schon seit zwei Tagen und ich konnte meiner Helix nicht einmal ein Glimmen entlocken. Frustriert trat ich nach dem Ast, den Roan immer wieder vor meine Nase hielt und hätte ihm dabei beinahe einen Tritt ins Gesicht versetzt.

„So wird das nichts", merkte Zuma von seinem Stein, auf der er etwas erhöht eine gute Sicht auf unser Training hatte, an und schlug ein Bein über das andere.

„Fein, dann machen wir es anders", verkündete Roan und richtete den Ast abermals auf mich. Sein freudiger Ton gefiel mir ganz und gar nicht. „Vielleicht braucht Calea nur einen kleinen Ansporn, um ihre Flammen zu entfachen", er kam einen Schritt auf mich zu und klemmte sich eine Strähne hinters Ohr. „Für jedes Mal, wenn du das Feuer nicht entfachst, küsse ich dich."

„Wie bitte?", krächzte ich überrumpelt und wich zurück, doch er folgte mir rasch.

„Schaffst du es nicht, deine Kräfte einzusetzen, küsse ich dich", wiederholte er grinsend und streckte seine Hand nach mir aus. Sein Finger berührte meine Wange nur kurz, dann wich er Zuma aus, der von seinem Stein zu uns gestürmt war.

„Für jeden Kuss, den du ihr androhst", knurrte mein Wächter. „Verlierst du einen Finger, Pirat!"

„Na ja, dann kann sie sich ja zehn Fehlversuche leisten", lachte Roan laut und zwängte sich an Zuma vorbei. „Versuch es noch einmal", forderte er mich nun auf. „Zünde diesen kleinen Zweig an."

Ich atmete tief durch und spürte, wie heiß meine Wangen geworden waren. Unsicher, ob Roan seinen Vorschlag wirklich ernst meinte, versuchte ich mich noch einmal auf den Ast zu konzentrieren. Ich stellte mir vor, wie er zu glimmen begann und sich dann eine kleine Flamme an ihm nährte. Nichts geschah. Wieder starrte ich die Spitze des Zweiges an, wollte mich an das Gefühl, an die prickelnde Hitze in meinem Nacken erinnern, aber es blieb alles so, wie es war.

„Ein Fehlschlag?", hakte Roan nach und ein schiefes Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Du weißt, was das bedeutet?"

Ich machte augenblicklich einen Schritt zurück und hielt die Hände schützend vor mein Gesicht, insbesondere meine Lippen. Die Hitze in meinen Wangen, die noch immer nicht abgeklungen war, weitete sich auf meinen Körper aus. Mit ihr kam auch das Kribbeln in meinem Nacken. Ich spürte die Wärme wie Funken in meinen Venen und sah glimmende, rote Flecken vor meinen Augen aufblitzen.

„Doch nicht so!", schrie Roan noch, packte mich und ließ die Flammen, die gerade aus meinen Fingern stachen, in seinen Händen ersticken. „Du solltest den Ast anzünden, nicht dich selbst", stöhnte er erschrocken und betrachtete meine Fingerspitzen, die fürchterlich brannten. „Du hast dich wirklich selbst angezündet, wieso das?", wollte er wissen und wickelte meine angesengten Finger in etwas Stoff.

„Ich ...", stammelte ich und musste die Schmerzen erst einmal einordnen. Die Hitze in meinen Wangen war verschwunden. Das Kribbeln ebenso. „Das wollte ich nicht, aber es ist einfach passiert."

„Das habe ich gesehen", lachte Roan und warf einen Blick über seine Schulter zu Zuma, der etwas erstaunt zu uns schaute. „Anscheinend müssen wir noch ein wenig mehr üben. Aber gut ist, dass deine Kräfte auftreten, wenn du dich bedrohst oder bedrängt fühlst", er zwinkerte mir zu und ließ meine Hände los. „Also hängt es von deinen Emotionen ab, ob du die Flammen erwecken kannst oder nicht?", erklärte und fragte er gleichzeitig.

„Scheint so", entgegnete ich und versuchte noch immer die Schmerzen bewusst wahrzunehmen, die meine Finger zum Brennen brachten. Es war schön und gut, dass meine Helix sich offensichtlich aktivierte, wenn ich bestimmten Gefühlen ausgesetzt war, aber das bedeutete auch, dass ich sie nicht steuern konnte. Immerhin konnte ich auch meine Emotionen nicht bewusst steuern, denn sie kamen, wie sie wollten.

Ich ließ mich nahe der Klippe nieder und schaute aufs Meer hinaus. Die Wellen schienen ruhig und umspülten die felsige Landschaft unter mir. Das Rauschen war angenehm und ich vergaß meine noch immer brennenden Hände fast. Wie konnte ich mich nur selbst anzünden? Beinahe hätte ich gelacht, aber die Tatsache, dass die Kräfte, die in mir wohnten, mich auch verletzen konnten, macht mir Angst.

„Calea, runter!", rief mir Zuma plötzlich zu. Blitzschnell war er hinter mir und riss mich an den Schultern zu Boden. „Das kann doch nicht wahr sein", wisperte er an mein Ohr und ich wollte aufstehen, um zu sehen, was er sah, aber er hielt mich weiter am Boden fest.

„Was ist denn?", fragte ich ebenfalls im Flüsterton und lauschte in die Ferne, hörte jedoch nur das Rauschen.

„Lupora und Minerras Schiffe tummeln sich am Horizont", entgegnete Roan, der sich zu uns auf die Erde gelegt hatte. Er wirkte merkwürdig entspannt und geradezu freudig erregt, dass endlich etwas geschah. „Sie sind auf dem Weg hierher und sicher auch auf der Suche nach dir, Prinzessin."

„Dann ist es ja gut, dass ich nicht im Dorf bin", stellte ich fest und Zuma knurrte. „Werden die Bewohner und Cyril die Soldaten in Schach halten oder besser gesagt: können sie die Soldaten hinters Licht führen?"

„Erst einmal sollten wir herausfinden, ob Xylon bei ihnen ist", meinte Roan und drehte sich auf den Rücken, um in den leicht bewölkten Himmel zu schauen. „Aber das können wir nicht offen machen, immerhin kennt er Zumas, dein und mein Gesicht."

„Zuma?", wand ich mich an meinen Vertrauten, der nicht so recht antworten wollte. „Du bist der Einzige, der sich unbemerkt an jemanden wie Xylon Dalibor anschleichen kann."

„Ich weiß", erwiderte er genervt. „Aber ich kann dich nicht allein lassen", sein Blick wanderte zu Roan und verfinsterte sich ein wenig. „Nicht mit ihm."

„Habe ich ihr jemals etwas angetan?", erkundigte sich der Pirat, ohne uns anzuschauen. „Ich werde mich schon benehmen und falls nicht, weiß sie, wie sie sich verteidigen kann."

„An ihren Fähigkeiten zweifle ich auch nicht", sagte Zuma und nahm seine Hand von meinem Oberkörper, den er noch immer auf den kalten Untergrund gedrückt hatte. Diese Worte zu hören, tat gut, vor allem nach meinen vielen Fehlversuchen, meine Helix zu nutzen. „Fein, ich lasse sie mit dir hier, aber komm bloß nicht auf dumme Gedanken."

„Niemals!", lachte Roan und setzte sich auf, um wieder auf den Ozean zu blicken. „Die Schiffe kommen nur langsam näher, was entweder bedeutet, dass sie vorsichtiger geworden sind, oder der schwache Wind nicht ausreicht, um Fahrt aufzunehmen. Wie dem auch sei, sie scheinen es nicht allzu eilig zu haben."

„Vielleicht", mischte ich mich ein, blieb aber geduckt auf der Erde liegen und schaute von dem einen zum anderen. Beide musterten mich neugierig, wobei in Zumas Augen eindeutig Sorge zu erkennen war. Dieses Mal durfte ich keine Fehler machen. „Vielleicht haben sie auch Verletzte dabei und wollen sich hier ausruhen." Ich machte eine Pause und rekapitulierte, wie ich Xylon kennengelernt und wahrgenommen hatte. „Nein, sie sind auf der Suche nach mir", verbesserte ich mich rasch und Roan nickte bestätigend. „Nun ja, mit etwas Glück wird Xylon mich bald zu Gesicht bekommen", erklärte ich und Zuma sprang beinahe vor Schreck auf, erinnerte sich jedoch schnell genug daran, dass wir in Deckung bleiben sollten und drängte sich wieder an den Boden neben mir. „Falls er sich auf eine Vereinbarung mit Cyril einlässt. Falls er Lupora und Valor Meliahein hintergehen würde."

„Du klingst skeptisch", bemerkte Roan und wickelte sich eine schwarze Strähne um den Zeigefinger.

„Ja, er schien mir sehr loyal Valor gegenüber zu sein und wir sind nicht mehr als eine Bande Flüchtiger, die er einfangen soll", hörte ich mich selbst mit fester Stimme sprechen. „Es wird nicht leicht, herauszufinden, was ihn dazu bewegt hat, sich mit Lupora zu verbünden. Schwerer wird es, ihn davon zu überzeugen, uns in Ruhe zu lassen."

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