30: Das letzte Aufbegehren

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„Deinen festen Stand kann ich gerne zu Fall bringen, wenn es das ist, was du möchtest, Pirat", knurrte Xylon und das, obwohl er seine Waffen soeben von sich geworfen hatte. Die Situation, die eben noch zu unseren Gunsten schien, kippte nun in Schräglage.

Als der Wind auffrischte, ahnte ich Böses und überwand die letzten Meter, die zwischen Xylon und mir lagen im Sprint. Die scharfe Böe, die an meinem Gesicht vorbeipeitschte, hätte den Mann beinahe erwischt und ich fluchte innerlich, woher Roan noch immer die Kraft und die Kampfeslust hernahm. Wir hatten gewonnen, verdammt. Es musste nicht noch mehr Verletzte oder gar Tote geben.

„Was ist mit ihm?", wollte Zuma, der meinem Beispiel und mir gefolgt war, wissen.

„Ich bin mir nicht sicher", erwiderte ich und mein Hals kratzte bei jedem Wort, während meine Beine zitterten. „Vermutlich wächst ihm seine Macht über den Kopf. Zumindest hoffe ich, dass es nur das ist. Mein Magen jedoch drohte, sein Innerstes nach außen zu kehren. " Ich drückte meinen Rücken durch und kam so in einen aufrechten Stand. „Roan!", rief ich ihm zu und er blickte mich sogleich an. „Es reicht jetzt. Wir müssen nicht mehr kämpfen."

Entrüstet weiteten sich Roans Augen und er schaute erst zu Boden, dann zu Valor, der noch immer auf der Erde lag und leise lachte. Diese surreale Szenerie zerrte an all unseren Nerven, aber wir mussten bei Vernunft bleiben und kein weiteres Blut vergießen, vor allem nicht, wenn es keinen Nutzen hatte. Dann ließ der Pirat endlich die Schultern sinken, atmete aus und lächelte traurig. Das Heulen des Windes verklang.

„Ihr werdet mich also nicht umbringen?", erkundigte sich Xylon und wirkte fast enttäuscht. Ich schüttelte verwirrt den Kopf und er seufzte. „Dann werde ich als Verräter zurückkehren und spätestens in Lupora geköpft, oder ändert ihr eure Meinung und vertraut mir Valor an?"

Seinem Vorschlag konnten wir nicht nachkommen und das wusste er auch. Allerdings konnte ich ihm seinen Versuch nicht nachtragen. An seiner Stelle hätte ich auch jede noch so kleine Chance genutzt.

„Vielleicht können wir uns anders einig werden", sprach nun Zuma und lege seine Hand auf meine Schulter, um mich hinter sich zu schieben. „Den Kampf, der auf Felior gewütet hat, kann niemand nichtig reden. Nicht einmal der Adel Luporas. Was also, wenn Valor Meliahein vom Erdboden verschluckt wurde? Eure Soldaten solltet ihr in den Griff bekommen und falls alle die, die unter Valors Hand stehen, sich weigern sollten ...", Zuma ließ seinen Blick durch die ärmlichen Reste der einstigen Armee schweifen und erntete die Angst, die er mit seiner Aussage gesät hatte. „Es ist also machbar", stellte er dann zufrieden fest und übergab mir wieder das Wort, worauf ich nicht gefasst gewesen war.

Meine Beine fühlten sich an wie Seegras. Meine Augen brannten noch immer, als würden mir die Tränen, deren Ursprung ich nur schwer ausmachen konnte, gleich über die Wangen laufen. Die nassen Haarspitzen stachen in meine Haut wie kleine, spitze Nadeln, während sich meine Zunge wie ein Schwamm anfühlte.

„Ihr wollt seinen Tod vortäuschen?", empörte sich Xylon schlagartig.

„Wir können ihn entweder vortäuschen", mischte sich nun Roan ein und strat neben Zuma, der scharf die Luft einsog. „Oder wir lassen seinen Tod Realität werden. Die Entscheidung über die Schicksale dieser Männer liegt bei dir, Calea."

Das Zähneknirschen Xylons war bis hierher zu hören und ich erschauderte leicht. Kalter Schweiß rann meinen Rücken hinab, während ich das Gefühl in meine Hände knetete. Dieser Moment konnte alles verändern. Und alles entscheiden. Allerdings konnte ich nur dastehen und keine Entscheidung treffen.

„Es ist mir gleich!"

Ich wandte mich von ihnen allen ab, während mein Gesicht immer wärmer wurde und beinahe brannte. Es reichte mir. Das alles, was hier geschehen war, geschah und was in Zukunft geschehen würde. Nach all der Zeit vermisste ich mein Zuhause so sehnlichst, dass ich hätte weinen können, obwohl ich wusste, dass mich diese Einstellung nicht weiterbrachte.

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