14(II): Wieder vereint

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„Du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst!", knurrte Roan und stellte sich Zuma in den Weg.

„Ach und du meinst, du könntest dich auf eines der Schiffe voller Soldaten schleichen und es alleine kapern?", fragte mein Wächter belustigt nach, aber sein Lachen klang finster. „Mal ganz davon abgesehen, dass du wohl kaum zu den Schiffen, die meterweit von der steinigen Küste entfernt sind, schwimmen kannst."

Ich blickte unsicher von Roan zu Zuma und wieder zurück, spielte dabei an dem ausgefranzten Saum meines ärmellangen, fliederfarbenen Kleides. Sie würden sich doch jetzt nicht darum streiten, wer den Held spielen dürfte. Immerhin mussten wir, wie Zuma richtig wenn auch sehr aufmüpfig angemerkt hatte, erstmal herausfinden, wie wir ohne Boot über das Meer zu den großen Schiffen gelangten.

Auf die Hilfe der Mysta würde ich nicht zählen können. Soweit ich Frauds Worten Glauben schenken konnte, taten diese geisterhaften Wesen, was sie wollten und würden sich sicher nichts von mir befehlen lassen. Zumal ich das Risiko, ihre Hilfe zu nutzen und ihnen damit einen Grund für Wiedergutmachung zu geben, nicht eingehen wollte. Wer konnte schon vorausahnen, was diese Mysta im Schilde führten?

Dennoch übermannte mich mein schlechtes Gewissen, dachte ich an Fraud. Ich hatte ihn zurückgelassen und das, obwohl er mir geholfen hatte. Wir waren so etwas wie Kindheitsfreunde, aber etwas in meinem Inneren, sei es mein Instinkt oder irgendeine übermenschliche Eingebung, riet mir dazu, mich von diesem Mann fernzuhalten.

Ich kniff mir selbst in die dünne Haut an meinem Unterarm und versuchte, mich auf das Wichtige zu konzentrieren. Wir mussten einen Weg von der Insel finden, insbesondere weil Xylon Dalibor und seine Männer uns mit großer Wahrscheinlichkeit suchten. Wieso hatte er mich überhaupt gehen lassen? Es wäre ein Leichtes für ihn und sein Heer gewesen, Zuma und die Hand voll Piraten, die im Dickicht gewartet hatten, zu besiegen. Doch er hatte mich gehen lassen. Bedeutete das nun, dass seine Schulden – wie er es genannt hatte – beglichen waren und er mich nun wieder nach Belieben jagen konnte? Mein Kopf brummte und ich ließ mich auf einen trockenen Felsen nahe der steilen Küste nieder.

„Wie sollen wir nur einen Weg finden, der uns von hier auf die offene See führt?", seufzte ich fragend, ohne eine Antwort zu erwarten, bekam aber Roans ganze Aufmerksamkeit.

„Keine Sorge", entgegnete er fröhlich gestimmt und setzte sich neben mich. Ich rückte aus Gewohnheit einige Zentimeter von ihm weg. Das bewegte ihn anscheinend dazu, die entstandene Distanz mit seiner Hand neben meinem Bein einzunehmen. „Ich versichere Euch, Prinzessin von Ameeris, dass wir Euch sicher von hier wegbringen", er schenkte mir ein verschmitztes Lächeln und neigte den Kopf. „Ich haben Euch schon einmal aus einer brenzlichen Lage gebracht, erinnert Ihr Euch?"

„Ruhe jetzt!", befahl Zuma streng und zog Roan von mir weg. „Jetzt wo du weißt, wer sie ist, solltest du dich ihr gegenüber angemessen verhalten."

„Angemessen?", hakte der Piratencaptain neugierig nach und ein Raunen ging durch seine Mannschaft, die in kleinen Grüppchen in unserer Nähe geblieben war, um Wache zu halten. „Was wäre ihrer denn angemessen? Sollte ich ihr die Füße küssen? Sie zum Tanz auffordern?"

„Nein!", erwiderte mein Vertrauter nun ruhiger, beinahe gefasst. „Du sollst ihr nur nicht zu nahe kommen."

„Warum nicht?", wollte Roan wissen. „Sie scheint keine Angst vor mir zu haben und außerdem riecht sie gut."

Ich errötete und machte mich etwas kleiner. Dieser Pirat spielte doch nur mit uns und wollte vor allem Zuma aus der Fassung bringen. Keine Ahnung, was seine Absichten dahinter waren, aber meine Reaktion schien ihm nicht entgangen zu sein, was meine Wangen dazu brachte, sich weiter aufzuheizen. Wie um alles in der Welt sollte ich gut riechen, nachdem ich beinahe in einem See ertränkt und durch den halben Dschungel geschleppt worden war? Das ergab keinen Sinn, es sei denn, er wollte mich – vielleicht aus Vergnügen – in Verlegenheit bringen. Nun ja, das war ihm gelungen.

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