15(II): Über die eigenen Grenzen hinaus

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Ich watete in das knietiefe Salzwasser, das sich in die feinen Schnitte in meiner Haut hineinfraß und brannte, zu den Beibooten. Recht geschickt löste ich, ebenso wie Roan, das Tau, mit dem das Boot hier zwischen den dunklen Felsen befestigt und versteckt worden war. Insgesamt waren es sieben an der Zahl. Für unsere kleine Gruppe würden sie ausreichen, fragte sich nur, wie wir uns unerkannt den Schiffen Luporas und Minerras nähern konnten. Diese trieben am Horizont und es gab auf offener See keinerlei Deckung für uns.

Ehe ich reagieren konnte, schwang sich Roan bereits in eines der Boote und paddelte voran. Ich hielt noch immer eines der Taue des Beibootes in der Hand, das ich etwas näher an Land ziehen wollte und atmete zu schnell ein. Ich schluckte die Luft schmerzhaft herunter und ließ das Tau fallen, um Roan nachzugehen. Schwerfällig kämpfte ich mich durch das Wasser, das mir bereits über den Bauch reichte, um den Piraten einzuholen.

„Roan!", rief ich ihm schließlich nach und obwohl ich keine Reaktion erwartet hätte, drehte er sich zu mir um. „Du sagtest doch selbst, dass niemand allein handeln soll und wir uns am Treffpunkt sammeln sollten!"

Ich sah, wie er den Kopf hängen ließ, als würde ihm meine Anmerkung ganz und gar nicht gefallen. Und als würde er wissen, dass ich Recht hatte. Kurz darauf versenkte er die Paddel im Wasser und wendete das Boot, um zu mir zurück zu rudern. Ich lief halb schwimmend ebenfalls zurück an Land und sammelte das Beiboot, das ich zuvor losgelassen hatte und das von den Wellen an den Strang gespült worden war, wieder ein.

„Einverstanden, Prinzessin", sagte er beim Vorbeigehen und nahm weitere Boote mit. „Wir machen es, wie Ihr sagt."

„Du sollst mich doch nicht so nennen", entgegnete ich und unterdrückte den Drang, ihn abermals zurechtzuweisen und darauf hinzuweisen, dass ein Alleingang eine dumme Idee gewesen wäre.

„Dann sollten wir dir aber auch ein anderes Gewand besorgen", erwiderte er und musterte mich eindringlich, was mich zum Halten bewegte. „So wirkst du immer noch recht adlig."

Ich zog den Rock des ausgeblichenen Kleides, das ich trug, etwas nach vorn und hoch, um es besser betrachten zu können. Der Saum war bereits ausgefranzt und auch an anderen Stellen hatte seine Vorbesitzerin es bereits einige Male flicken müssen. Ich war dankbar, als mir die Bewohner Primins eines ihrer Gewänder überlassen hatten, dennoch sah dieses alles andere als adlig aus. Nur weil es ein Kleid war, war es nicht dem Adel vorbehalten. Trotzdem würde ich eine trockene Hose, in der ich mich freier bewegen könnte, nicht ablehnen.

„Also nennst du mich bei meinem Namen, sobald ich etwas weniger Adliges trage?", wollte ich wissen und atmete erleichtert aus, als ich wieder im knietiefen Wasser stand. Roan hatte derweilen drei der Beiboote im Schlepptau. Die anderen würden sich ihre Boote später holen und uns folgen.

„Das kommt ganz darauf an ...", antwortete er und grinste verschmitzt.

„Worauf kommt es an?", hakte ich nach und bereute es in dem Moment, in dem er aufholte und viel zu dicht an mich herantrat.

Doch bevor er etwas unternehmen oder einen anzüglichen Kommentar hätte äußern können, riss ihn eines der Beiboote zurück. Der Pirat fiel rückwärts ins Wasser und kämpfte sich ebenso schnell, wie er gefallen war, wieder auf die Füße. Ich blickte rasch zu dem Boot, das ihn zu Fall gebracht hatte und staunte, als ich Zuma darin ausmachte. Er musste wohl mit vollem Schwung vom Strand aus ins Bott gesprungen sein.

„Was machst du denn hier?", fragte ihn Roan, nachdem er das Salzwasser, das er geschluckt hatte, ausgespuckt hatte. „Du solltest doch den Feind ausspähen."

„Das habe ich auch gemacht", erwiderte er und schaute den Piraten grimmig an. „Und du solltest nur die Beiboot holen. Ohne meine Herrin in Gefahr zu bringen oder dich ihr zu nähern."

„Ja, ja. Schon verstanden", lenkte Roan ein und zuckte mit den Schultern. „Wie dem auch sei, warum bist du hier und nicht im Dschungel?"

„Weil die Soldaten bereits auf dem Weg sind", erklärte Zuma und warf einen Blick über die Schulter in Richtung der angrenzenden Bäume. „Sie sind nur noch wenige Stunden entfernt. Wenn wir Glück haben, brauchen sie noch zwei oder drei Stunden. Mehr nicht. Und sie sind bewaffnet."

„War ja klar", stöhnte Roan und beschleunigte sein Tempo. „Komm Prinzessin, wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht von deinen Verfolgern geschnappt werden wollen!"

Ich versuchte mit ihm Schritt zu halten, was nicht so einfach war. Es war mir ein Rätsel, wie er trotz der drei Boote, die er hinter sich her zog, so schnell durch das lähmende Wasser rennen konnte. Jeder Schritt fiel mir schwerer und das Beiboot zog mich zusätzlich zurück. Zuma hatte uns mittlerweile verlassen und war schon einmal vorausgelaufen, um die anderen zu warnen. Die Soldaten bewegten sich schneller durch das Unterholz, als wir erwartet hatten und uns fehlte nicht nur Zeit, sondern auch der richtige Plan, um uns eines der Schiffe zu ergaunern.

„Wie ...", begann ich atemlos und brach wieder ab. Als Roan anhielt und mich anschaute, sprach ich jedoch weiter. „Wie genau sollen wir eines ihrer Schiffe kapern, wenn wir niemals auch nur in ihre Nähe kommen, ohne gesehen zu werden?"

„Keine Sorge", erwiderte er und lief weiter. „Ich habe schon einen Plan."

„Und der wäre?", hakte ich nach, denn vor wenigen Minuten schien sein Plan noch darin zu bestehen, Hals über Kopf und im Alleingang zu den Schiffen zu paddeln.

„Wir geben uns als Soldaten aus", erklärte er und ich hörte die Vorfreude in seiner Stimme, die nicht einmal das Rauschen der Wellen überdecken konnte. „Immerhin sehen momentan alle recht armselig aus. Keiner der Männer aus Lupora und Minerra trägt ihre Uniform. Einige meiner Leute und ich werden gar nicht auffallen."

„Aber sie die Soldaten auf dem Schiff werden erkennen, dass ihr nicht zu ihnen gehört", gab ich zu Bedenken und mein Magen verkrampfte sich. „Außerdem werden die Männer an Land die verschwundenen Beiboote suchen und-."

„Ja, ja", unterbrach er mich. „Ich weiß, es wird nicht einfach und ganz bestimmt nicht sicher. Trotzdem wird es klappen, wenn wir nur schnell genug handeln. Sind wir erst einmal an Bord, ist es gleich, ob die Soldaten erkennen, wer wir sind. Ehe sie wissen, wie ihnen geschieht, rollen ihre Köpfe bereits übers Deck."

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