Claire #1

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Es klopfte an der Tür und ich rief gelangweilt: „Ja?". Unser Buttler steht in der Tür und verbeugt sich höflich, derweil fängt er an zu reden: „Miss Claire, sie werden von den Hoheiten im Speisesaal erwartet." Ich legte mein Handy aus der Hand und stand seufzend von meinem Bett auf. Dann folgte ich Mr. Brown, unserem Buttler, die große, gigantische Treppe herunter in das Erdgeschoss und lief alleine in den Speisesaal. Schon auf dem Gang roch ich den köstlichen Duft des Essens, ich vermutete dass es Entenbrust gab. Unser Kellner öffnete mir die schwere Holztür und ich schlürfte in den großen Raum. Meine Stiefmutter sah mir empört entgegen: „Claire, könntest du dich bitte so verhalten wie eine echte Prinzessin!" Ich schlürfte extra noch ein bisschen extremer, um sie zu nerven und ließ mich auf den bequemen Stuhl plumpsen. Mein Vater räusperte sich und hob sein Glas: „Lasst es euch wohl bekommen" Ich nuschelte: „Danke" und fing an die herrliche Entenbrust zu verspeisen.

Als ich wieder auf meinem Zimmer war, ging ich zu dem regal voller Bücher und holte das einzige Buch heraus, das nicht verstaubt war. Ich fuhr über den Einband, der von dem vielen Anfassen ganz abgenutzt aussah und schlug vorsichtig die erste Seite auf. Ich blickte sehnsüchtig auf die erste Seite, wo ein Hochzeitsfoto meiner Eltern zu sehen war und seufzte. Ich vermisste sie so sehr... Wieso hatte das Auto damals nicht die rote Ampel gesehen, wieso ist unser damaliger Chauffeur über lebhafteste Kreuzung in ganz Paris gefahren, obwohl die Ampel rot war? Das war jetzt fünf Jahre her, mein Vater hatte versucht den Kummer mit Reisen zu verarbeiten. Fünf verdammte Jahre war ich mir alleine überlassen, weil er ständig weg war. Ich habe ihn kein einziges Mal im Schloss gesehen, wir haben uns immer außerhalb getroffen. Damals habe ich es nicht verstanden, doch jetzt denke ich, dass das Schloss ihn zu sehr an meine Mutter erinnert hatte. Fünf verdammte Jahre hatte ich gehofft, dass meine Mutter auf einmal wieder vor der Tür stehen würde, dass mein Vater wieder nach Hause kam, doch ich habe auf beides vergebens gewartet. Eines Tages habe ich mich mit meinem Vater wieder in einem teuren Restaurant getroffen. Das war der Tag, an dem er mir mitgeteilt hatte, dass wir nach Amerika ziehen, um genauer zu sein nach Texas , in die Stadt San Leon. Er hatte mir aber nichts von seiner Verlobung erzählt, das habe ich dann knallhart zwei Wochen nach unserer Ankunft erfahren, genauer gesagt an dem Tag der Hochzeit. Charlotte van Parker würde von nun an Prinzessin Charlotte De Lorraine heißen! Ich hasste Charlotte von beginn an, zum einen, weil sie Mutters Platz ersetzte, zum anderen weil sie viel zu ernst war.

Ich blätterte die nächste Seite auf und schaute in die stolzen Gesichter meiner Eltern. Mein Dad hatte die Arme um meine Mutter geschlungen und meine Mutter hatte mich im Arm. Ich war noch so winzig. Meine Mutter hatte mit ihrer geschwungenen Handschrift unter das Bild geschrieben: Einer der glücklichsten Momente in unserem gemeinsamen Leben. Claire sieht schon mit ihren 3 Monaten schon so wunderschön aus... sie ist unser ganzer Stolz.

Still und leise flossen mir die Tränen über die Wangen. Ich klappte das Buch zu und stellte es zurück ins Regal, dann lief ich in den kleinen Erker meines Zimmers und fing leise an zu beten: Hallo Mutter, ich glaube du siehst mich genau in diesem Moment, wie ich still zu dir bete. Ich hoffe es geht dir gut da oben... zum Glück hast du Großmutter und Großvater, die bei dir sind und dir beistehen. Ich vermisse dich.

Ich zog mein langes Nachthemd an und verschwand im Bad. Nach kurzer Zeit kam ich wieder in mein Zimmer und legte mich auf mein Bett. Ich wälzte mich ungeduldig hin und her. Mein Blick huschte durch mein Zimmer, er blieb an dem Bild meiner Mutter auf dem Nachttisch hängen. Ich nahm es und drückte es an mein Herz, dann stellte ich es zurück und fing bitterlich an zu weinen.

Mein Wecker riss mich aus meinem Schlaf und ich stand schnell auf. Dem Bild meiner Mutter flüsterte ich ein: „Guten Morgen" zu und zog dann schnell meine Reiterhose und das dazu passende Polo-Shirt an. Im Bad kämmte ich mir meine Haare und flocht sie zu einem schönen, französischen Zopf zusammen. Als ich fertig war, sprintete ich durch das Schloss und aus schlitterte durch die Hintertür in die große Anlage. Ich schlug den Weg zur Koppel ein und blieb vor dem Zaun stehen. Mirabelle la aigre-douxhatte mich schon gehört und wieherte mir entgegen. Ich schlüpfte durch den Zaun und wir begrüßten uns voller Freude. Als ich aus der Koppel ging, folgte mir Mirabelle bis zu der Sattelkammer, wo ich ihre Trense holte und sie ihr umlegte. „John!", rief ich und bekam ein Husten als Antwort. John kam den Gang entlang auf mich zu und meinte strahlend: „Sieh an! Die Prinzessin reitet wieder aus!" Er half mir auf Mirabelle und ich winkte ihm zum Abschied zu. John war genau so, wie man sich einen Stallknecht vorstellte: Um die 50 Jahre, graue Haare, stets freundlich und er liebte Pferde.

Ich dirigierte Mirabelle in die Richtung der neuen Geländestrecke, die erst seit gestern eröffnet worden war und fing an sie warm zu reiten. Sie galoppierte sofort los und ich fühlte mich, als würde ich fliegen. Nach ein paar Kilometern parierte ich sie durch und ließ ihr einen langen Zügel. Ich musterte die Landschaft. Obwohl wir im Wald waren, standen hier ein paar Häuser. Auf dem einen Haus hing ein Schild über der Tür, auf dem zwei Boxhandschuhe abgebildet waren. Da ich sehr neugierig war, sprang ich von Mirabelles Rücken und band sie an einem Zaun an. „Schön hier bleiben, Belle!", flüsterte ich ihr zu, dann schlich ich bis zu einem Fenster und spähte hinein. In dem Haus war ein Mattenboden ausgerollt und auf der einen Seite waren ein paar Sandsäcke auf gehangen. In Regalen stapelten sich Handeln, Medizinbälle, Stepper und andere Sportgeräte. Ich bemerkte eine Treppe und schielte nach oben. Dort stand ein großer Ring und um ihn herum ein paar Bänke. Auf einmal knackste neben mir ein Ast und ich fuhr herum. Hinter mir stand ein Mädchen. Ich rannte schnell zu Mirabelle, band sie los und stieg vom Zaun aus auf ihren Rücken. „Warte!", rief das Mädchen mir hinterher, doch ich galoppierte mit Mirabelle davon.

Another LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt