Sakuyas Sicht:
Ich müsste tot sein, und wenn ich es noch nicht war, würde ich innerhalb der nächsten Minuten den Abgang machen. Tatsächlich bekam ich noch sehr genau mit, wie ich in einem Wald abgelegt wurde. Mein Bewusstsein schwankte ständig zwischen wach und halbtot, obwohl ich inzwischen bis zum letzten Tropfen ausgeblutet sein musste, so fühlte es sich jedenfalls an. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie ein Vampir sterben würde. Ich hatte nicht gewusst, dass es ein langsamer, qualvoller Abschied ist.
Mein lebloser Körper traf auf den feuchten Waldboden, als ich eine starke Präsenz wahrnahm. Ich konnte keine Worte mehr aufnehmen, die gesprochen wurden. Ich konnte nicht mehr sehen oder fühlen. Jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass es sich bei dieser besonderen Präsenz um Tsubaki handelte. Ich hätte mich gefragt, warum er ausgerechnet jetzt aufgetaucht ist oder ob er meinen Tod bedauerte, wenn ich dazu noch imstande gewesen wäre, doch ich spürte wie die Müdigkeit, die meine Gedanken einhüllte, stetig zunahm.
Mit dem letzten Hauch Energie, der sich noch in meinem Kopf befand, konnte ich nicht einmal mehr Traurigkeit über meinen Abschied empfinden, ich spürte nur diesen stärker werdenden Sog, ich hatte das Gefühl, aus meinem Körper gerissen zu werden, ich hatte das Gefühl, frei zu sein...
...bis ich einen ruckartigen Stich spürte und tausend fremde Gedanken über mich hereinbrachen.
Und dann war ich plötzlich hellwach und schlug die Augen auf.
Misas Sicht:
Wir warteten noch immer auf Lilly und hatten uns inzwischen vor den Fernseher gesetzt, der schon lief, als Kuro und ich hier angekommen sind. Ich machte mir ein wenig Sorgen um Lilly, doch Kuro hatte mir versichert, dass meine Sorgen unnötig waren. Lilly hatte wahrscheinlich noch etwas zu erledigen und würde deshalb später kommen. Trotzdem war ich besorgt. Kuro war aufgestanden und in die Küche gegangen, um sich ein Getränk zu holen. Wahrscheinlich seine tausendste Cola an diesem Tag. „Warum braucht Lilly so lange... wenn er in die Stadt gefahren ist, hat er den Einkaufszettel liegen gelassen." Grummelte Misono genervt. Ich fühlte mich etwas unbehaglich, daher stand auf und ging, um Kuro in der Küche Gesellschaft zu leisten.
Der blauhaarige Vampir stand vor dem geöffneten Kühlschrank und starrte mit leerem Blick hinein. Er wirkte so gedankenverloren, ich hätte gerne gewusst, was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Als ich mich neben ihn stellte, sah er mich erst überrascht an, als hätte er gerade bemerkt, dass ich da war. „Wir haben keine kalte Cola mehr." Stellte er dann bedrückt fest. Ich war mir nicht sicher, ob das momentan wirklich seine Gedanken waren, denn er wirkte ziemlich niedergeschlagen. Obwohl... für jemanden wie Kuro reichte dieser Grund womöglich aus, um traurig zu wirken.
Einige Sekunden lang standen wir uns schweigend gegenüber und ich überlegte, ob es nötig war, ihn in den Arm zu nehmen. Doch dann verwandelte sich sein Gesichtsausdruck zu einer leicht erschrockenen Mine. „Was ist los?" fragte ich mit Besorgnis in der Stimme. „Hast du das gerade nicht gehört, was die im Fernsehen gesagt haben?" hauchte Kuro. Ich schüttelte leicht verärgert den Kopf. Wir befanden uns hier in der Küche, in dieser Villa meilenweit entfernt vom Wohnzimmer. Ich bin kein Vampir, wie sollte ich das bitte hören können? Auf Kuros Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
„Zyu scheint der Akku ausgegangen zu sein."
Misonos Sicht:
Gebannt klebte mein Blick am Bildschirm. Ich wollte vorhin umschalten, als eine Eilmeldung kam und die Ninja Turtles unterbrach. „.....der zerstörerische Metallgigant in New York City scheint mitten während des Gefechts eingeschlafen zu sein. Plötzlich, so berichten die Bewohner, habe das Ungetüm ein leichtes Beben der Erdoberfläche verursacht, und daraufhin sei es erstarrt. Ich berichte hier live aus der Innenstadt...."
Fasziniert und zugleich verwirrt betrachtete ich das Metallmonster, welches auf der Straße zusammengesunken ist und starr in einer sitzenden Position verharrte, einen Arm noch immer zum Schlag erhoben. Was ist los mit Zyu?? „...mutige Freiwillige nähern sich dem riesigen Roboter, um ihn bei dieser Gelegenheit genauer unter die Lupe zu nehmen..." die Kamera richtete sich auf einzelne Polizisten, die sich Zyu näherten und vorsichtig berührten. Nach einer langen Weile trauten sich immer mehr Menschen heran und einige von ihnen zogen sogar ihre Smartphones hervor und schossen stolz Selfies vor Zyu und den Trümmern, in denen sich noch immer Leichen befanden, während Sanitäter vergeblich versuchten, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Die Menschheit von heute ist echt krank. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, wie falsch diese Welt geworden ist. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Jeder ist ach-so-freundlich-und-hilfsbereit, bis man erfahren muss, dass ihnen alles am Arsch vorbeigeht, solange es ihnen gut geht.
Nur am Rande bekam ich mit, wie Misa und Kuro das Wohnzimmer wieder betraten und ebenso verwirrt wie ich zu sein schienen. Einige Minuten lang beobachteten wir das Szenario, bis auf einmal ein heftiger Ruck durch Zyus riesigen Metallkörper fuhr. Die Menschen, die eben noch begeistert Fotos geschossen hatten, schrien entsetzt auf und versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Vielleicht war ich fies, aber ich musste daraufhin zufrieden grinsen.
„Was ist das! Einer der Metallarme scheint soeben gezuckt zu haben!" rief die zittrige Stimme der Moderatorin. „Scheint der Albtraum etwa doch nicht zuende zu sein?"
Als hätte Zyu einen Stromschlag versetzt bekommen, richtete sie sich auf. Doch anstatt die Menschen anzugreifen, drehte sich ihr Kopf perplex hin und her. Sie schien traurig zu sein, als sie die Trümmer erblickte.
„Könnt ihr das auch hören? Es scheint aus dem Inneren der Maschine zu kommen. Sie scheint, mit uns kommunizieren zu wollen! Hört ihr das?" Schrie die Moderatorin und fuchtelte hektisch in Zyus Richtung, bevor sie sich an die umstehenden Kameraleute wandte. „Es klingt ein wenig wie Japanisch. Haben wir einen Übersetzer hier?"
Während die New Yorker noch verzweifelt nach einem Übersetzer suchten, gefror mir das Blut in den Adern. Ich erkannte die schmerzerfüllten Worte über das Geschrei der Menschen hinweg sehr gut.
„Misa! Misa, warum hast du mich getötet?"
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Ich will keine Werbung machen... aber liest jemand von euch Bloody Mary? Ein richtig gutes Manga!! ^-^
Sorry, dass es wieder lange gedauert hat... ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Schönen Tag/Nacht noch :)