Kapitel 31

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Misas Sicht:

„Und wenn du soweit bist, komm einfach runter. Lass dir Zeit. Der Chauffeur muss sowieso erst noch das Auto aus der Garage holen." Mit einem bemüht fröhlichen Lächeln schloss Lilly die Tür hinter sich und ließ mich damit in unserem Zimmer alleine. In meinem Zimmer, korrigierte ich mich selbst in Gedanken. Seufzend ließ ich mich auf das weiche Bett sinken, das Misono mir nun schon seit einigen Wochen in seinem Anwesen zur Verfügung stellt. Mein Blick schweifte zu dem leeren Katzenkörbchen neben dem Bett, welches seit Kuros Abwesenheit unberührt blieb. ‚Abwesenheit' war vielleicht das falsche Wort, denn eigentlich war mein Servamp noch immer treu an meiner Seite... nur leider in einer seltsamen kleinen Kugel gefangen, die Lilly bei sich trug. Natürlich bin ich überglücklich, dass Lilly meinen Kuro retten konnte, doch bisher hatte er keine Anstalten gemacht, ihn in seinen alten Körper zurück zu befördern.

Doch nicht nur das war der Grund meiner momentan bedrückten Stimmung. Als ich heute früh auf dem Weg zum Einkaufen nach Tokyo war, hatte ich plötzlich eine Nachricht bekommen, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es gab wohl vermehrt Angriffe auf die Servamps, wobei drei von Lillys Brüdern verletzt wurden, die sich zu diesem Zeitpunkt an völlig unterschiedlichen Orten in der Welt befanden, was bedeutet, dass Tsubakis Abkömmlinge sich ungewöhnlich rasch vermehrten. Daraufhin kehrte ich so schnell wie möglich um.

„Misa, du musst dich beeilen. Die Versammlung beginnt bald..." Erschrocken wirbelte ich herum, als sich eine kühle Hand auf meine Schulter legte, und blickte in das Gesicht von Kur... Sakuya. „Hab ich dich erschreckt?" fragte er grinsend. Ich brauchte einen Moment, dann schüttelte ich den Kopf. „Ich hab nur nicht gehört, wie du reingekommen bist." wehrte ich ab. Sakuya lachte. „Ja, klar. Deshalb hast du mich gerade angeglotzt wie ein Goldfisch! Los, komm, wir wollen doch nicht die Servamp-Versammlung verpassen!"

Sakuya zog mich auf die Beine und gemeinsam liefen wir die Treppe hinunter. Draußen wartete schon der Chauffeur des Anwesens mit dem großen Auto, in dem Lilly und Misono bereits saßen.

Lillys Sicht:

Bisher wurde eine Versammlung stets aus ernsten Gründen einberufen, doch dieses Mal war die Situation mehr als ernst. Eher beängstigend. Schon im Voraus war mir klar, dass wir Servamps uns nicht auf ein klares Ergebnis einigen konnten, wie wir gegen Tsubaki vorgehen sollten. Unsere einzige Möglichkeit wäre, selbst tausende von Abkömmlingen zu kreieren, um mit Tsubaki mitzuhalten. Doch dieses Wettrüsten würde ebenfalls zu keiner Lösung führen. Auf diese Weise würden wir einen Krieg nur zusätzlich anheizen.

„Verdammt, dieser Dreckskerl wird uns noch vernichten!" knurrte Lawless, während er mit der Gabel auf seine Pizza einhackte. Wir befanden uns nicht im selben Restaurant, in dem die letzte Versammlung stattgefunden hatte. Dort hatten wir Hausverbot. „Es gibt doch einen beschissenen Grund, warum wir Servamps zusammenhalten. Wenn einer mit Abkömmlingen und Krieg anfängt, können die anderen schon einpacken!! Hmpf!" mein Bruder verschluckte sich am Käse seiner Pizza. Misa klopfte ihm besorgt auf den Rücken.

„Keine Sorge, der kann nicht ersticken." murmelte ich, halb in Gedanken versunken. Auf eine widerliche Weise rotzte Lawless seine Pizza zurück auf den Teller. „Hey! Ich kann zwar nicht sterben, aber ersticken ist ja wohl trotzdem kacke. Hab mal etwas Mitgefühl!" motzte er. Bis auf Lawless herrschte erstaunlicherweise Totenstille am Tisch. Nur Jeje hörte man leise von unten an der Tischplatte kratzen. Jeder von uns wusste, wie ernst die Lage war.

Nachdenklich betrachtete ich meinen Apfelsaft, als ich plötzlich von der Seite angestupst wurde. Old Child reichte mir einen Briefumschlag, den ich mit einem fragenden Blick entgegennahm. „Der ist von C3. Die wollen irgendwas von dir. Den hätte ich dir schon vor einer Weile geben sollen, aber ich hab's total vergessen und... naja." Neugierig riss ich den Umschlag auf und zog die Nachricht heraus. Ich überflog den Text und zog dabei die Stirn in Falten. „Was wollen die von dir? Du hast doch nicht mit C3 irgendeinen Streit angefangen, oder? In dem Fall können wir jegliche Unterstützung vergessen." giftete mich Lawless an.

Normalerweise hätte mich sein Verhalten auf die Palme gebracht, doch stattdessen breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. „C3 haben sich in der Zwischenzeit daran gemacht, eine neue Waffe zu entwickeln." berichtete ich.

Jetzt wurde auch Lawless aufmerksam. „Nachdem ihr alter Roboter ausgeschlachtet war, haben sie sich einem neuen Projekt zugewandt. Eine Waffe, die Tsubaki ebenbürtig sein wird. Ein Roboter, der ihm nicht nur in seiner äußerlichen Erscheinung gleicht, sondern auch seine gesamten Fähigkeiten besitzt." „Warte... ein Roboter, der genauso aussieht wie Tsubaki? Ein zweiter Tsubaki??" unterbrach Lawless ungläubig. Ich nickte. „Vor langer Zeit war Tsubaki im Besitz von C3, sie haben noch seine DNA." erklärte ich. Ich selbst war erstaunt, dass so etwas überhaupt möglich war.

„Nur Tsubaki selbst ist in der Lage, Tsubaki aufzuhalten." murmelte Old Child. Bisher hatte Misa nur zugehört, doch jetzt meldete auch sie sich zu Wort. „Wenn sie Tsubakis DNA benutzten, um ihn erneut zu erschaffen, werden doch automatisch alle seine Eigenschaften übernommen. Der zweite Tsubaki würde sich doch ebenfalls gegen uns wenden." räumte sie ein. Old Child zuckte mit den Schultern. „Daran habe ich vorhin auch gedacht, aber C3 wissen bestimmt, was sie tun. Der Brief soll uns wahrscheinlich informieren, damit wir uns nicht wundern, wenn wir plötzlich einem wohlgesinnten Tsubaki begegnen."

Ich erhob mich von meinem Stuhl. „Genau meine Meinung, wir sollten uns keine Sorgen machen. Und jetzt... muss ich mich wohl entschuldigen, wenn ich diese Versammlung früher als geplant verlassen muss. C3 möchten, dass ich umgehend bei ihnen auftauche, um ihnen ‚mit meinem Zauber bei ihrem Projekt zu helfen'." Misa schaute mich schräg von der Seite an. „Lilly, können wir C3 echt vertrauen? Mir kommt das alles sehr verdächtig vor," meinte sie. Ich nickte. „Mir auch. C3 verlangen, dass ich alleine zu ihnen gehe... falls ich nicht mehr wiederkomme, wisst ihr, wo ich bin. Uns bleibt in diesem Fall keine andere Möglichkeit, als mit C3 zusammenzuarbeiten. Alleine würden wir den Krieg nur verschlimmern."

Die Servamps grummelten zustimmend, Misa umarmte mich kurz. „Pass auf dich auf... und auf Kuro." flüsterte sie, unhörbar für Sakuya, der neben ihr saß.

Sakuyas Sicht:

Ich hielt Tsubaki über alles auf dem Laufenden. Ich hatte ihn angerufen und mein Handy auf meinem Schoß liegen gelassen, um ihn am Gespräch teilhaben zu lassen, was nicht einmal Misa bemerkt hatte. Kurz nach Ende der Versammlung habe ich mich sofort auf den Weg zu C3 gemacht, während die anderen nach Hause gegangen sind. Misa war es gerade recht, dass ich noch ein paar „Besorgungen" machen musste, da für sie bald wieder die Schule anfing und Misono ihr versprochen hatte, beim Auffrischen der japanischen Grammatik zu helfen.

„Den Ausflug zu C3 hätte ich mir sparen können," grummelte ich. „Hier ist echt nichts Spannendes los." Außer dem Rumschrauben an ein paar Blechteilen ist absolut nichts passiert. „Also ich fand es sehr amüsant." drang Tsubakis Stimme aus meinem Handy. „Glauben diese Schwachköpfe wirklich, sie könnten mich mit mir selbst besiegen? HAHAHAHAHAHAAAaaah... wie ermüdent..." er kicherte. „Wenn Tsubaki Nummer 2 genauso tickt wie ich, wird er sich denen garantiert nicht unterordnen lassen."

Ich verdrehte die Augen und beobachtete weiterhin den Eingang des Hauptquartiers von C3. Jeden Moment würde Lilly wieder herauskommen. „Bist du noch im Wald, vor dieser Aufzughütte zum Hauptquartier?" „Ja. Wo sonst? Ich warte, bis er wieder rauskommt." Tsubaki schwieg. Trotz unserer Distanz konnte ich sein diabolisches Grinsen deutlich erahnen.

„Du machst diese Sache wirklich gut... besser, als ich dachte." Was soll das denn heißen? „Es wird Zeit, dass ich den Teil unserer Abmachung einhalte. Verfolge Lilly ruhig weiter... für heute hast du Feierabend. Genieße einfach die Show, gern geschehen! HAHAHAHAA!" Es klickte in der Leitung. Er hatte aufgelegt. Verwirrt starrte ich auf das Handy in meiner Hand.

Sollte das etwa heißen...

Ich wusste nicht genau, was ich empfand. Freude, ja. Aber auch Nervosität. Mir wurde zugleich heiß und eiskalt. Wenn ich Tsubaki richtig verstanden habe, ist heute der Tag, auf den ich so lange gewartet habe.

Der Tag, an dem ein Servamp sterben wird.


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Macht nicht den Fehler zu glauben, nach den schriftlichen Abi-Prüfungen wäre der Stress vorbei... großer Fehler ^-^"

Danke an alle, die meine Story noch immer lesen, das bedeutet mir unglaublich viel :)

Grüßchen, eveyama ^-^


Servamp - Another TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt