Kapitel 30

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Tsubakis Sicht:

Es war bereits mitten in der Nacht, als ich Belukia aus meinem Hotelzimmer schob und die Tür zuschmiss. Empört drang seine nervige Stimme durch die dünne Wand. „Heeeey, sei doch nicht so gemeeiiin. Nur eine Runde, ja? Bitte? Das ist das momentan angesagteste Brettspiel auf dem Markt!! Tsubakyuuuunn!!" Es hämmerte noch einige Male an der Tür, bevor er aufgab und ich das leise Geräusch der sich schließenden Aufzugtür vernehmen konnte. Er war weg.

Erschöpft betrachtete ich die Sauerei vor mir, die ich mein Wohnzimmer nannte. Dieses wunderschöne Hotelzimmer mitten in Tokyo kostete mich ein Vermögen, aber da ich die letzten Tage auf der Straße verbracht hatte, hielt ich es für eine gute Idee, mir etwas Geld von Sakuyas Leiche ‚auszuleihen' und mir etwas Luxus zu gönnen. Anfangs war ich mir unsicher, ob es richtig war, meine toten Abkömmlinge zu bestehlen... aber was soll's. Die brauchen es sowieso nicht mehr und inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, arbeitslos zu sein. Meine Untergebenen sollen ruhig Geld für mich verdienen.

Aber dieser hässliche Wohnzimmertisch war nun alles andere als luxuriös. Belukia und ein paar seiner Freunde hatten mitbekommen, dass ich jetzt für eine Weile in einem coolen Wolkenkratzer mit Aussicht wohnen kann und seitdem belästigen sie mich jeden Abend mit Brettspiel-Besuchen. Und nach jedem Besuch hinterlassen sie mir einen riesigen Berg aus Müll, Essensresten und Dreck. Ich seufzte und schüttelte missbilligend den Kopf. An diesem Abend hatte ich einfach nicht die Motivation, aufzuräumen. Kurzerhand öffnete ich das Fenster und packte die Tischdecke an beiden Enden. Mühelos wickelte ich den Müll mitsamt dem Geschirr und der sowieso hässlichen Blumenvase zu einem Knoten zusammen, den ich achtlos aus dem Fenster fallen ließ, bevor ich es sorgfältig wieder verschloss. Das sind sowieso nicht meine Sachen. Von draußen hörte ich die Autos der verärgerten Menschen hupen. Alles Blutbeutel. Nahrungsquellen, deren Regeln und Gesetze mir egal sein können.

Wenn ich es mir recht überlege... eigentlich störte mich der gesamte mattlackierte Tisch mit seiner weißen Farbe. Ich stand einige Sekunden lang ratlos vor dem Möbelstück, dann zuckte ich mit den Schultern, packte den Tisch an den unteren Beinen und schleuderte ihn ebenfalls aus dem Fenster. Zu spät erinnerte mich das laute Klirren daran, dass das Fenster noch geschlossen war. Nach einer Weile folgte das dumpfe Krachen unten auf der Straße.

Ich zog die Vorhänge vor dem zerbrochenen Fenster zu, ließ mich zufrieden auf die Couch fallen und griff nach der Fernbedienung, als es lautstark an meiner Zimmertür pochte. Scheiße. Genervt hievte ich mich hoch. „Belukia, ich habe keine Lust auf blöde Brettspiele..." schnauzte ich die Person vor mir an, noch während ich die Tür öffnete. Doch ich verstummte mitten im Satz, als ich das bekannte Gesicht vor mir sah. „Ich bin nicht zum Spielen hier, Tsubaki."

Ehrlich gesagt wusste ich nicht recht, wen ich erwartet hatte, als ich die Tür öffnete. Es hätte Belukia sein können, oder Mitarbeiter vom Hotel, die sich über mich beschweren wollten. Aber niemals hätte ich mit der Trägheit gerechnet. Kuro stand todernst vor mir. Er schien alleine gekommen zu sein. Woher wusste er, wo er mich finden würde? Und warum wagte er es, alleine hier aufzutauchen?

Sakuyas Sicht:

Ich wartete darauf, dass Tsubaki endlich begriff, wen er vor sich hatte. Doch er schien mich für Kuro zu halten, denn er stand mir einige Momente irritiert gegenüber bis sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. „Haha... WAHAHAHAHAAA!! GYAAAAHAHAHAHAAA!!!! Haach... wie ermüdend." Kichernd klopfte er mir auf die Schulter. „Mein Brüderchen, haha. Dass du hier auftauchst... dass du dich ganz alleine in das Nest der Feinde wagst... das muss einen wichtigen Grund haben!" Mit seinem irren Blick trat er einen Schritt zurück und hielt mir mit einer eleganten Handbewegung die Tür zu seinem Apartment auf. „Herzlich willkommen, Trägheiiit. Nur nicht so schüchtern, tritt ein und erzähle mir die beste Geschichte, die du auf Lager hast. Denn ohne eine gute Geschichte wärst du nicht gekommen, Brüderchen."

Servamp - Another TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt