Kapitel 4

84 5 0
                                    

Erschöpft von den letzten Minuten, setzte ich mich an einen freien Platz, ganz hinten, an einen Tisch, in meinem neuen Klassenzimmer. Ein paar Schüler und Schülerinnen waren bereits anwesend und warfen mir verstohlene Blicke zu, welche ich aber gekonnt ignorierte. Auch die Tuscheleien ignorierte ich.

Nachdem ich das Schulgebäude betreten hatte, war mir ein kalter Schauer über den Rücken gewandert, aufgrund der Tatsache, dass diese Schule von innen größer war, als äußerlich anfänglich gedacht. Also gab es hier auch mehr Schüler.

Innerlich seufzend hatte ich mich anschließend auf den Weg zum Sekretariat gemacht.

Ich hatte mich zwar zweimal verlaufen, aber schließlich hatte ich den besagten Raum gefunden, hatte höflich angeklopft und mir schnell und kurz meine Stunden- und Raumpläne abgeholt, sowie den Code für meinen Spind und meine Bücher.

Regelrecht fluchtartig war ich dann meinen Spind suchen gegangen, welchen ich, glücklicherweise, bald gefunden hatte. Dort hatte ich alle Bücher verstaut, die ich heute nicht gebrauchen konnte und hatte mich zuletzt auf die Suche meines Klassenraumes begeben. Und nun saß ich hier und wartete darauf, dass mein Mathelehrer kommen würde.

Noch immer hatte ich den Drang, einfach schreiend nach Hause zu rennen. Die Blicke der Anderen machten mich fertig, obwohl ich äußerlich keine Regung zeigte. Selbstbeherrschung.

Du hast doch nur Angst, wieder als Freak abgestempelt zu werden! Das hat doch nichts mit Selbstbeherrschung zu tun.

Doch hatte es! Widersprach ich meiner inneren  Stimme. Ich reiße mich hier mit aller Kraft zusammen, nicht nur, um nicht als Freak dazustehen, sondern auch, um mir zu beweisen, dass ich mehr kann, als nur heulend vor allen wegzurennen.

Sieht man mal wie gut das damals geklappt hatte! Ich wette, in wenigen Wochen wirst du wieder da angekommen sein, wo du damals warst.. am 13.07.16.

Die Worte meiner inneren Stimme trafen mich. Obwohl es lächerlich war. Ich ließ mich von einer Stimme fertig machen, die nicht einmal existierte, sondern ein Hirngespinst meines Gehirns war.

Und genau deswegen, bin ich umso realer! Du wirst mich niemals los, Jimin! Ich bin ein Teil von dir und werde es auch immer bleiben.

Es hatte keinen Sinn mit dieser Stimme zu diskutieren, also ließ ich es sein und versuchte an andere Dinge zu denken.

Müde starrte ich deshalb aus dem Fenster. Der Himmel war hellblau und kaum Wolken waren zu sehen. Die Sonne schien und es breitete sich, je näher der Mittag kam, eine unangenehme Hitze aus. Ich fing an, in meinem Pullover zu schwitzen, aber ändern konnte ich daran nichts. Da musste ich nun mal durch.

Als es zum Unterrichtsbeginn läutete, kam unser Lehrer herein. Laut den, mir ausgehändigten, Plänen, war sein Name Herr Lee. Er war noch nicht so alt, vielleicht Mitte 30, dennoch begannen seine Haare bereits auszufallen.

"Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, möchte ich..-", Herr Lee wurde unterbrochen, als die Tür aufging und ein Junge das Klassenzimmer betrat. "Entschuldigen Sie für meine Verspätung, ich habe verschlafen", entschuldigte sich der Junge.

"Mh.. na gut, setz' dich einfach auf einen freien Platz", Herr Lee schien nicht begeistert zu sein, von der Verspätung seines Schülers, aber er hielt sich zurück.

Der Junge, welcher mintfarbene Haare hatte, setzte sich in die Reihe vor mich.

Ich musterte seine außergewöhnliche Haarfarbe, widmete mich schließlich meinem Lehrer zu.

"Wie manche von euch schon mitbekommen haben, haben wir einen neuen Schüler unter uns. Würdest du bitte vor kommen und dich uns vorstellen?", nach Herr Lees Ansage lagen alle Blicke auf mir.

Na toll..

Ich spürte, wie die Nervosität ins Unermessliche schoss und mir die Hitze ins Gesicht stieg.

Ich regte mich keinen Millimeter, obwohl es im Klassenraum mindestens 10 Grad wärmer geworden war. Meine Hände waren schweißig und auch unter meinen Klamotten spürte ich die stickige Nässe.

"Na gut.. anscheinend möchtest du dich nicht selbst vorstellen, also werde ich das für dich machen", fuhr er fort. "Sein Name ist Park Jimin, er ist 16 Jahre alt und.. ~", weiter kam er nicht, denn schon wieder wurde er unterbrochen. Aber diesmal von mir.

"HÖREN SIE AUF, VERDAMMT! Nur, weil ich mich nicht vorstellen möchte, gibt es Ihnen nicht das Recht Informationen über mich preiszugeben".

Meine Atmung verschnellerte sich und meine Haare hingen mir strähnig und, vom Schweiß, nass ins Gesicht.

Ich war innerlich total aufgebracht. Und leider sah man es mir an.

Alle Blicke lagen auf mir.

Beruhig' dich, Jimin! Du schaffst das! Sollen die letzten zwei Jahre etwa um sonst gewesen sein? Lass die Angst nicht die Überhand ergreifen! Du bist stärker geworden und du darfst nicht zulassen, dass deine Fassade bröckelt..

Ruhig atmen, Jimin. Atme ruhig! Ein- und ausatmen, ein- und ausatmen, ein- und ausatmen. Gut so.

Langsam beruhigte ich mich wieder und lehnte mich erschöpft zurück.

Noch immer lagen alle Blicke auf mir, musterten mich, durchlöcherten mich. Ich hasste es.. diese fragenden und verwirrten Blicke dieser Fremden.. dieser Leute, die ich noch nie zuvor gesehen hatte und zu denen ich keinerlei Bindung hatte.

"Ähm.. nun gut.. dann machen wir einfach direkt weiter. Es gibt einiges Organisatorisches zu klären, deshalb würde ich euch bitten, etwas zum Schreiben hervor zu holen", führte der Lehrer verdutzt fort. Er hatte wohl nicht mit solch einer Reaktion gerechnet.

Na siehst du? Du hast es geschafft, wieder alles zu verbocken! Aber was erwartet man auch anderes von einem Nichtsnutz wie dir? Da kann doch nichts gescheites rauskommen. Echt schade, dass du dich damals nicht einfach umgebracht hattest, dann..

"Halt verdammt nochmal die Klappe!", entfuhr es mir plötzlich.
Als ich bemerkte, dass ich die Worte laut gesprochen hatte, wünschte ich mir, dass sich der Erdboden auftun würde und ich hinein springen konnte.

"Ist alles in Ordnung bei dir, Jimin?", fragte Herr Lee besorgt. Leicht nickte ich.

Ich wendete mich vom Geschehen ab und schaute wieder aus dem Fenster. Meine Hände zitterten schrecklich und die Sehnsucht nach meinem Bett, in meinem abgedunkelten Zimmer, wurde immer größer.

Für einen Moment wünschte ich mir sogar, wieder in der Psychiatrie zu sein. Dann könnte ich mit Thamina und Miksu reden.

Ich ignorierte meine tuschelnden Mitschüler, ihre Blicke, die auf mir lagen, als wäre ich ein Schwerverbrecher, der überwacht werden musste.

All das blendete ich aus, bis ich diese unglaubliche Stimme, die sagte: "Hey.. ich bin Min Yoongi".

Behind The Fears || Yoonmin FF || BTS Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt