Gefangen im Alltag

983 16 0
                                    

Für mich war es wieder einmal an der Zeit eine Entscheidung zu treffen. Nichts, wirklich gar nichts tue ich lieber als mich mit meiner Zukunft auseinanderzusetzen. Denn ich bin ein geradliniger Mensch, der immer zu hundert Prozent weiß, was er will! Schön wär's, aber wie heißt es doch so schön, '' Die Hoffnung stirbt zuletzt''......

Gelangweilt saß ich am Frühstückstisch und schmierte mein Nutella Brötchen, schnippelte das frische Gemüse in mundgerechte Stücke, würfelte die Erdbeeren so klein es nur ging und gab diese zu dem Magerquark dazu. Warum mache ich mir diese Mühe nur immer wieder? Jeden Tag das gleiche Ritual, jeden Tag der gleiche Trott, in dem man sich mehr als nur unwohl fühlt. Trotzdem ändert man nichts. Im Gegenteil, es wird einfach weiter gemacht. Also begann ich wie sonst auch immer, meine Tasche für die Arbeit zu packen und mich danach auf mein Fahrrad zu schwingen. Etwa dreißig Minuten dauerte mein Arbeitsweg, ich fuhr gerne mit dem Rad. So konnte ich noch ein wenig entspannen und meine Gedanken schweifen lassen, bevor der Wahnsinn wieder begann.

,, Lisa, warst du schon in Zimmer zwei? Diese blöde Kuh klingelt bestimmt schon seit einer halben Stunde. Entweder will sie wieder eine Beschwerde abgeben, wir seien nicht zuvorkommend genug oder aber sie kommt mit dem Fernsehprogramm nicht zurecht und die Lautstärke soll um genau eine Stufe reduziert werden!'' Zwar brachte mich die Aussage zum Schmunzeln, da Tanja wahrscheinlich recht hatte, nur irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, wenn so über einen Menschen gesprochen wird. Egal wie schwierig sie sein können, Würde hat schließlich jeder. Leicht verschlafen nahm ich an dem großen, rechteckigen Tisch Platz und gab meiner Kollegin noch halb verschlafen eine Antwort auf ihre Frage ,, Nein, war ich nicht. Dürfte ich eventuell erstmal angekommen? Du weißt, diese Uhrzeit ist nicht so meins. Da liege ich sonst noch im Bett.'' Tatsächlich war die Frühschicht der Horror für mich. Am liebsten machte ich die Spät- oder Nachtdienste, aber leider ging es nicht immer und somit kam es vor, dass ich 4-5 mal im Monat auch zum Frühdienst antreten musste. ,, Außerdem ist Schichtbeginn erst in 5 Minuten, das heißt, die nette Dame ist offiziell noch deine Patientin'', grinste ich Tanja an. Tanja war eine meiner liebsten Kolleginnen. Wir kamen sehr gut miteinander aus und auch privat unternahmen wir sehr viel gemeinsam. Zwar waren wir beide sehr unterschiedlich, doch gerade das machte unsere Freundschaft aus. Sie, die Offene, Flippige und Verrückte. Ich hingegen eher die Schüchterne, Ruhige. Tanja stand also gegen ihren Willen auf und lief in Zimmer zwei. Ich nahm mir eine Tasse Tee und setzte mich wieder auf meinen Platz. In dem Moment kam Maike rein. Wir beide durften heute zusammen den Frühdienst rocken. ,, Hi Lisa, na ausgeschlafen?'' frech grinste sie mir entgegen. Genervt warf ich ihr meinen ''Du kannst mich mal Blick'' entgegen, was sie nur noch mehr zum Grinsen brachte. Nach 15 Minuten gesellte auch Tanja sich wieder zu uns. Es war nicht zu übersehen, dass Frau Müller ihr den letzten Funken Freude aus dem Gesicht vertrieben hatte, worauf zu schließen war, dass der Klingelruf völlig unnötig getätigt wurde. Aber was soll man machen? Wenn der Patient einen Wunsch oder ein Anliegen hatte, musste wir darauf eingehen. Schnell machten wir noch die Übergabe und dann ging es auch schon los. Gott sei Dank, waren am Wochenende viele unsere Patienten entlassen worden, sodass die Anzahl heute sehr überschaubar war und Maike und ich ausnahmsweise mal wieder einen etwas entspannteren Vormittag bei der Arbeit hatten. Jede Sekunde, in der das Telefon nicht klingelte und unser Chefarzt keine Neuaufnahmen für uns hatte, genossen wir. Denn wir beide wussten, wie schnell sich sowas ändern kann. Als ich später wieder zu Hause war, legte ich mich für eine Stunde auf die Couch, um etwas Schlaf nachzuholen. Danach wollte ich noch gemütlich eine Runde im Park spazieren gehen und die ersten Frühlingsstrahlen genießen. Auch wenn es anfangs nicht leicht für mich war diese Entscheidung zu treffen, habe ich es bisher nicht bereut den Schritt gewagt zu haben. Meinem kleinen Dorf im Norden Deutschlands habe ich den Rücken zugekehrt und bin stattdessen ins Großstadtleben gezogen. Zwar habe ich oft Heimweh, dank meiner Freunde, die mich dann schnell wieder aufbauen, ist es aber auszuhalten.

Leben ist VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt