Und was ist mit mir?

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Sichtweise Dag

Lisa und ich liefen Richtung Küche, dabei fiel mir eine riesige Blutspur an der Wand auf. ,, Was ist hier denn passiert?'', fragte ich erschrocken. ,, Ähmm. Das kann Vince dir lieber selber erklären.'', stammelte Lisa. ,, Was kann ich besser selbst erklären?'' Vincent schaute zu mir, als er den Raum betrat. Ich deutete auf die rot befleckte Wand. ,, Na das hier.'' ,, Achso. Nichts Wildes.'', lässig winkte er ab. ,, Nichts Wildes? Und deine Hände?'' Seine Fingerknöchel waren zerkratzt und angeschwollen. ,, Nichts Besonderes.'' lächelte er. ,, Ja ne, ist klar!'', böse sah ich ihn an, was dazu führte, dass er sich rechtfertigte. ,, Du kennst so was doch am besten. Wie oft musste deine Wohnungseinrichtung herhalten, wenn mal wieder eine Beziehung schiefgelaufen ist!'' ,, Stopp mal, was heißt hier, wenn mal wieder eine Beziehung schiefgelaufen ist? Hast du Ärger mit Charlie?'' ,, Kann man so sagen. Sie hat gestern Schluss gemacht.''  ,, Laber keinen Scheiß, Dicker. Ihr wart doch ein Herz und eine Seele. Immerhin hast du sie mir ständig vorgezogen. Dann musst du ja richtig Mist gebaut haben.'' Ein kurzes Schweigen. ,, Nein Dag, das ist die Wahrheit.'', antworte Vince bedrückt. ,, Und was war der Grund für eure Trennung?'' ,, Sie hat Lisa in meinem Bett erwischt und dachte wir hätten was miteinander.'' Mit jedem Wort, das er sagte, wurde mein Lachen lauter. ,, Ja genau, du und Lisa. Das ich nicht lache. Charlie weiß aber schon, wie gut ihr befreundet seid und zwischen euch nichts geht, oder?'' Seit wann ist sie denn so eifersüchtig? Auf mich machte sie immer den Eindruck, als könne es eh keine andere Frau mit ihr aufnehmen. Ihre arrogante Art ging mir manchmal ziemlich auf die Nerven. Ich frage mich sowieso, wie Vincent es solange mit ihr ausgehalten hat. Charlie passt überhaupt nicht zu ihm. Während ich mich langsam mit dem Gedanken anfreundete, dieses Biest jetzt nie mehr wiedersehen zu müssen, bemerkte ich, wie Lisas Gesicht plötzlich puterrot anlief und sie verlegen zur Seite schaute. ,, Moment mal. Irgendwie verhaltet ihr euch komisch. Sag jetzt nicht, du hast  Charlie wirklich mit Lisa betrogen?'' ,, Nein, ich habe sie nicht betrogen. Lisa lag nur bei mir im Bett, weil ich sie nach ihrem Alptraum nicht alleine im Wohnzimmer schlafen lassen wollte. Charlie hat es in den völlig falschen Hals bekommen.'' Erleichtert atmete ich auf. ,, Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, ihr hattet Sex.'' Völlig überraschend sagte Vincent.        ,, Hatten wir auch.'' Ich schluckte. ,, Wie? Gerade hast du gesagt, ihr habt nicht miteinander geschlafen.'' ,, Ich habe gesagt, dass ich Charlie nicht mit Lisa betrogen habe, aber nicht, dass Lisa und ich nicht miteinander geschlafen haben'' ,, Oh.'', brachte ich nur heraus. Völlig überrumpelt saß ich auf meinem Stuhl und merkte die Anspannung in mir. ,, Seid ihr jetzt zusammen?'' Ich fiel mit der Tür ins Haus und wollte wissen, was Sache ist. Auf meine Frage bekam ich jedoch keine Antwort. Stattdessen schauten die beiden sich unsicher an. Solange bis Lisa sich räusperte. ,, Wir wissen noch nicht, was es zwischen uns ist. Wir wollen es langsam angehen lassen.'' Wie aus dem Nichts verspürte ich diese Wut in mir. Ich weiß nicht warum, aber ich fühlte mich hintergangen. Immerhin ist Lisa erst seit gestern wieder da und springt gleich mit meinem besten Kumpel in die Kiste. Dementsprechend pissig reagierte ich auf ihre Antwort.        ,, Ah, verstehe. Heult mir aber nicht wieder die Ohren voll, wenn es schiefgeht.'', sauer nahm ich meine Sachen und verließ die Wohnung. ,, Dag, warte. Was ist denn los?'' Lisa rannte mir hinterher. Doch ich lief einfach stur die Treppe runter. Ich schloss meine Wohnungstür auf und wollte sie zuknallen. Lisa stellte jedoch ihren Fuß dazwischen und ließ es nicht zu, dass ich ihr aus dem Weg gehe. ,, Warum haust du einfach ab?'', fragte sie weiter. ,, Lass mich.'' Ich stiefelte ins Wohnzimmer. Sie packte mich am Arm und drehte mich zu sich. ,, Hey, jetzt rede doch bitte mit mir.'' Ihr Blick wurde traurig. In mir brodelte es nur so. ,, Du willst wissen, was los ist? Erst verpisst du dich für ein Jahr und dann tauchst du wie aus dem Nichts wieder hier auf. Falls du es vergessen hast, vor deinem Abgang habt ihr euch nur gestritten. Und jetzt? Jetzt vögelt ihr miteinander. Glaubst du echt, dass er Gefühle für dich hat? Whynee kommt gerade frisch aus einer Beziehung. Egal, wie sehr ich Charlie verabscheue, die beiden schienen sich zu mögen, auch wenn ich nicht verstehen kann, was er an ihr fand. Kurz nachdem sie dann die Beziehung beendet, liegt er mit dir im Bett. Schnall es endlich, Vincent liebt dich nicht. Für ihn bist du ein Spielzeug, das man wegwirft, wenn einem langweilig wird.'' Mit ihren leuchtend grünen Augen schaute sie mich an. ,, Wie kannst du behaupten, dass er mich nicht liebt?'' ,, Weil ich ihn seit über zwanzig Jahren kenne. Deswegen.'' Es war nicht schwer zu erkennen, dass ich sie mit meinen Worten mal wieder verletzt hatte. Kurz blieb Lisa stehen, fast so als hoffe sie, ich würde noch irgendwas sagen. Dann aber schlängelte sich an mir vorbei und ging raus. ,,Verdammt!'' Ich zog meinen Arm nach hinten und schlug mit rasender Geschwindigkeit die kleine Lampe vom Tisch. Von hinten hörte ich, wie jemand näher kam. Vincent beugte sich nach unten und sammelte die Glasscherben auf. ,, Dicker, was ist denn los mit dir?'' ,, Ich habe Scheiße gebaut.'', sagte ich. ,, Das ist ja nichts Neues. Geht es etwas genauer?'' ,, Ich habe Lisa gesagt, dass du sie nicht liebst.'' ,, Was hast du? Sag mal, tickst du noch ganz sauber? Wie kommst du denn darauf?'' Binnen kürzester Zeit, war mein bester Kumpel stinksauer. ,, Stimmt doch, oder nicht? Immerhin hast du nach ihrem Verschwinden nicht mehr über sie gesprochen und mit Charlie warst du glücklich. Da verliebt man sich doch nicht innerhalb von ein paar Stunden neu.'', sagte ich.            ,, Alter, du rallst echt gar nichts. Ich habe Lisa von Anfang an geliebt. Ich habe nur nie über sie gesprochen, weil ich dann wieder an sie denken musste. Charlie war doch nur Ablenkung von allem. Ich weiß, nicht die feine englische Art, aber du kennst mich. Wo ist Lisa hin?'' ,, Keinen Plan.'', antwortete ich leise. ,, Wenn ihr was passiert, ich schwöre dir..dann.. dann..'' ,, Warum sollte ihr was passieren?'', fragte ich. ,, Weil Lisa denkt, sie sei ein Trostpflaster und ich deswegen mit ihr geschlafen habe. Du weißt doch, wie emotional sie ist. Nicht, dass sie auf doofe Gedanken kommt.'' Allmählich machte auch ihr mir Sorgen. Für einen kurzen Augenblick hatte ich nur an meine eigene Wut gedacht. Dass meine Worte sie treffen könnten, kam mir gar nicht in den Sinn. ,, Und jetzt?'', fragte ich. ,, Na, suchen wir sie.'', sagte Vince panisch. Zuerst versuchten wir es auf ihrem Handy, aber sofort sprang die Mailbox an. ,, Scheiße, sie geht nicht ran.'' Nervös steuerte Vince sein Auto durch die Straßen Berlins. ,, Weit kann sie nicht sein.'' Er fuhr, als wisse er genau, wo er hinfahren muss. Ich schwieg und ließ ihn machen. Nervös kaute ich auf meinen Fingernägeln herum. ,, Warum warst du heute Morgen eigentlich zum Frühstück da?'' Zur Ablenkung fing Vincent ein Gespräch an. ,, Ich wollte mit euch über den Stalker reden.'', antworte ich. ,, Liebst du Lisa?'', fragt er plötzlich. ,, Was? Nein! Denkst du das wirklich?'' ,, Na ja, du hast schon immer ein Auge auf sie geworfen.'' ,, Dicker, Lisa ist so was, wie meine beste Freundin.'' Stumm blickte Vincent auf die Straße und konzentrierte sich aufs Fahren. ,, Da! Ist sie das nicht?'' Er setzte den Blinker und bog rechts auf den Fahrradweg. Tatsächlich lief Lisa gedankenversunken auf uns zu. Vincent stoppte den Wagen und rannte los. Ich blieb ein Stück weiter hinten, weil ich nicht wusste, wie Lisa auf mich reagieren wird. Trotzdem verstand ich jedes Wort, dass Vince zu ihr sagte. ,, Hey, ich weiß, dass es gerade alles ein bisschen kompliziert ist. Alles, was ich gestern Nacht zu dir gesagt habe, meine ich auch so. Du bist nicht irgendeine Ablenkung. Lisa, ich liebe dich.'' Misstrauisch starrte sie ihn an. ,, Ach ja? Und warum behauptet Dag das Gegenteil?'' Nun ging ich auf die beiden zu. ,, Weil ich ein Arschloch bin. Hör zu, was ich eben gesagt habe, war nicht so gemeint. Es tut mir leid. Ich habe nur wahnsinnige Angst, dass eine Beziehung zwischen euch unsere Freundschaft kaputt macht. Immerhin habe ich in den letzten Monaten gemerkt, wie mein bester Kumpel sich verändert, wenn er eine Freundin hat. Er hat keine Zeit mehr und dieses Mal ist es eben noch komplizierter, weil du meine beste Freundin bist. Sonst haben wir drei herumgealbert und jeglichen Blödsinn zusammen gemacht. Ich habe halt Angst, dass sich daran etwas ändert. In Zukunft wollt ihr dann bestimmt Zeit ohne mich verbringen und ich bin das fünfte Rad am Wagen.'' ,, Dicker, du bist doch nicht das fünfte Rad am Wagen. Nur weil Lisa und ich zusammen sind, gehörst du noch genauso dazu, wie sonst auch und wir werden auch weiterhin jeglichen Blödsinn zusammen machen. Ich weiß, dass es nicht korrekt von mir war, dir wegen Charlie ständig abzusagen. Glaube mir, nach deiner Panikattacke habe ich mir solche Vorwürfe gemacht. Ich hätte es viel eher merken müssen, wie dreckig es dir geht. So was passiert mir bestimmt nicht noch einmal. Du bist mein Bro und wirst es immer bleiben.'' Wir nahmen uns freundschaftlich in den Arm. Danach wendete ich mich Lisa zu.              ,, Kannst du diesem Volltrottel noch mal verzeihen?'' und zeigte dabei auf mich. ,, Mhmm. Ich weiß nicht so Recht.'' ,, Komm schon. Hab mich wieder lieb.'' Ich formte einen Schmollmund.       ,, Aber nur, wenn du gleich ein Eis ausgibst? Ich habe nämlich tierischen Bock auf was Kühles bei dieser Hitze.'', lachte Lisa. Freudestrahlend zog ich sie in eine enge Umarmung und flüsterte.         ,, Danke, Schnuppelchen.'' Arm in Arm liefen Vincent und Lisa zum Auto. Der Anblick war nicht leicht für mich, aber ich werde mich schon noch daran gewöhnen. Wir legten einen Stopp bei unserer Lieblingseisdiele ein und setzten uns die hinterste Ecke. ,, Ich glaube, so früh war ich noch nie Eis essen.'', lachte Vincent. Es war gerade einmal 12 Uhr mittags. Wir gaben unsere Bestellung auf und quatschten miteinander. ,, Welchen Plan hast du dir denn ausgedacht, um den '' Stalker'' zu schnappen?'' fragte Vince. ,, Klingt wahrscheinlich blöd, aber ich dachte mir, wir stellen ihm eine Falle.'', antwortete ich. ,, Und wie soll die aussehen?'' ,, Immer wenn Lisa in unserer Nähe ist, denkt er sich wieder etwas aus, um ihr zu schaden. Dann benutzen wir sie eben als Lockvogel.'' ,, Kommt gar nicht in die Tüte. Du hast gesehen, wozu er fähig ist. Ein Feuer zu legen, ist kein Kavaliersdelikt. Wir bringen Lisa nicht in Gefahr.'', protestierte mein Gegenüber.      ,, Noch kann ich selbst über mein Leben entscheiden. Also, an was hast du gedacht?'', fragte Lisa mich und ignorierte dabei Vincents beleidigte Miene.

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