Ohne Dich

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Sichtweise Vincent

,, Bist du soweit?’’, brüllte ich Richtung Bad. ,, Einen Moment.’’, antwortete Lisa gestresst. Ungeduldig hob ich den Arm und sah auf meine Uhr, die locker am Handgelenk saß. Allmählich wurde ich nervös. Wir hingen schon 15 Minuten hinter dem Zeitplan. ,, Fertig, mein Schatz.’’, hastig drückte Lisa mir einen Kuss auf den Mund. ,, Wow, du siehst umwerfend aus.’’ , mir stockte der Atem , als ich sie von oben bis unten musterte.       ,, Gefällt es dir?’’ Lisa drehte sich leicht zur Seite und wirbelte das locker an ihrem Körper anliegende Kleid im unteren Bereich auf.  ,, Wären wir nicht schon so spät dran, würde ich dich sofort ins Schlafzimmer zerren.’’, grinste ich. ,, Später.’’, lächelte sie zurück. ,, Wo geht es denn eigentlich hin?’’, fragte Lisa neugierig, als wir endlich im Auto saßen. ,, Lass dich überraschen.’’, antwortete ich und setzte zum Überholen an. Neugierig wanderte ihr Blick zu den Autobahnschildern. In ihrem Gesicht sah ich förmlich die Synapsen rattern. Wenn ich ihr schon nicht sage wo es hingeht, dann muss sie es eben selber herausfinden. ,, Liebe Grüße von Dag und Bea. Die beiden genießen die Sonne in Rom.’’ Lisa zeigte mir ein Bild der beiden, wie sie Hand in Hand vor einem Museum standen. ,, Da haben sich ja zwei gefunden.’’, lachte ich. Für mich ist dieses ganze Kulturjedöns nichts. Deswegen fliegen Dag und ich auch meistens nicht zusammen in Urlaub. Wir sind, was die Urlaubsgestaltung angeht, einfach zu verschieden. ,, Und hast du schon herausgefunden, wo es hingeht?’’, neckte ich meine Beifahrerin. Frustriert schüttelte Lisa den Kopf. ,, Dein Outfit passt schon mal.’’, gab ich ihr einen Tipp. Angespannt grübelte sie weiter und versuchte die Puzzleteile zusammenzufügen. ,, Fahren wir nach Hamburg?’’, fragte sie. ,, Nicht direkt.’’, antwortete ich, als wir auf die A24 Richtung Hamburg abbogen. Als Nächstes folgten wir der Beschilderung Richtung Lübeck. Verwirrt sah Lisa mich an. ,, Lübeck?’’ Ein leichtes Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. ,, Jetzt mach’ es nicht so spannend Vince.’’, schmollte Lisa.  ,, Wir sind in circa einer Stunde am Ziel.’’ Ich genoss es Lisa auf die Folter zu spannen.

Sichtweise Lisa

Ich merkte, wie mir jemand sanft über die Wange streichelte. ,, Wir sind da mein Engel.’’, säuselte Vincent leise. Verschlafen öffnete ich die Augen und blinzelte ein paar Mal. Irgendwie muss ich wohl den Rest der Strecke eingeschlafen sein. Vor mir sah ich das strahlend blaue Wasser, wie es Wellen schlug, die immer kleiner wurden, je näher sie zum Strand kamen. Der Anblick überwältigte mich. ,, Woher weißt du….?’’, stotterte ich.      ,, Ich bin eben ein aufmerksamer Zuhörer.’’ Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen. Es ist Ewigkeiten her, dass ich hier an der Ostsee war. Früher, als ich noch zu Hause gewohnt habe, bin ich einfach rein ins Auto und ab ans Meer. Dieser Ort ist etwas ganz besonderes für mich. Hier bin ich oft hergefahren, wenn ich einfach mal eine Pause von meinem Leben brauchte und abschalten wollte. ,, Du bist der allerbeste Partner, den man sich nur vorstellen kann.’’ freudig hüpfte ich aus dem Auto und umarmte Vincent. An meiner Schulter spürte ich sein Lächeln. Wir holten unsere Taschen aus dem Auto und brachten sie zu einem kleinen Strandhaus. Auf der Terrasse stand ein frisch gedeckter Tisch mit Brot und Früchten. ,, Darf ich bitten?’’ Vince stellte unser Gepäck ab und zog den Stuhl zur Seite. Gemeinsam genossen wir die Ruhe und wärmten uns an den Sonnenstrahlen. Als wir mit dem Essen fertig waren, räumten wir den Tisch ab und setzten uns mit einem Gläschen Wein in die Hängematte. ,, Ich wusste gar nicht mehr, wie schön Zweisamkeit sein kann.’’, sagte ich, während ich meinen Kopf an seine Schulter legte. Sanft bekam ich einen Kuss auf die Stirn.  ,, Hast du Lust auf einen Strandspaziergang?’’  Ich nickte und ehe ich mich versah, hatte Vincent mich schon hochgezogen. Arm in Arm liefen wir durch den Sand. Vor uns konnten wir den Sonnenuntergang beobachten und tauchten unsere Füße in das kühle Wasser. Kindisch, wie wir beide nun mal sind, spritzten wir uns gegenseitig nass. Während wir herumalberten schoss Vincent ein paar Fotos. Gerade als er den Sonnenuntergang fotografieren wollte, sprang ich einfach ins Bild. Doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und wartete geduldig, bis ich zur Seite ging. ,, Wer als Erster hinter der Düne ist, hat gewonnen.’’ und schon rannte Vincent los. Schnell spurtete ich hinterher, hatte jedoch keine Chance mehr ihn einzuholen. Völlig außer Atem lief ich hinter die Düne und suchte nach meinem Freund. Leise Klaviermusik drang in meine Ohren und neugierig folgte ich der Musik. ,, Darf ich mich setzten?’’, fragte ich höflich und Vincent rutschte ein Stückchen zur Seite. Rings um uns herum standen Kerzen und gemeinsam spielten wir mein Lieblingsklavierstück ‘’ Comptine d'un autre été’’ Immer wieder lächelten wir uns an. Schöner hätte der Moment nicht sein können. Glücklich beobachtete ich die blutrote Sonne, wie sie gänzlich am Himmel verschwand. ,, Das war wunderschön.’’ sprach ich leise und schaute Vince direkt in die Augen. Behutsam legte er seine Hand an meine Wange und küsste mich sanft. Er wirkte nervös. Dann plötzlich kniete er sich vor mich und nahm meine Hände.   ,, Ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll.’’, räusperte er sich. ,, Als ich dir das erste Mal auf dieser Parkbank begegnet bin, da wusste ich nicht, wie das Ganze einmal enden wird. Ich hätte mir nie erträumt, dass wir beide einmal hier sitzen werden und du mich zum glücklichsten Mann  der Welt machst. Wir haben so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Trotzdem haben wir immer wieder zueinander gefunden und niemals aufgeben. Du hast niemals aufgegeben. Ich kann mir keine bessere Frau, als dich an meiner Seite vorstellen. Mit dir möchte ich alt werden. Mit dir möchte ich den Rest meines Lebens verbringen. Für mich bist du einfach perfekt. Deswegen habe ich dir einen Song geschrieben.’’ Langsam stand er auf und setzte sich wieder zu mir. Konzentriert richtete er seinen Blick auf die Tasten des Pianos. Eine ruhige, gefühlvolle Melodie berührte mein Herz. Dann fing Vincent an zu singen und ich konnte meine Emotionen nicht mehr unterdrücken. Freudentränen liefen über meine Wangen und auch er fing leicht an zu weinen.

- Ich könnt' die Welt umreisen, tausend Partys schmeißen
Jede Nacht in einer anderen Stadt
Auf jeder Welle reiten, jeden Berg besteigen
Doch was wär' das wert, wenn ich dich nicht hab'?

Alles Geld der Welt, alles Geld der Welt
Ist nur Papier, das zerfällt
Ja, ich könnte auf jeder Welle reiten, jeden Berg besteigen
Doch was wär' das wert
Ohne dich?
Ohne, ohne Dich
Was wär' ich ohne
Ohne dich?-

Langsam verstummte die Melodie und Vince atmete einmal tief ein, bevor er mir die Frage aller Fragen stellte. ,, Lisa, willst du meine Frau werden?’’

Leben ist VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt