Das ist ein anderes Paar Schuhe

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3 Monate später

Sichtweise Dag

,, Sehen wir uns morgen?’’, fragte Bea, als wir vor ihrer Wohnungstür standen. ,, Ich bin den ganzen Tag mit Vince im Studio. Du darfst aber gerne vorbeikommen.’’, lächelte ich sie an. Was hat diese Frau bloß mit mir gemacht? Immer noch fühlt mein Magen sich an, als würden tausend Schmetterlinge darin herumflattern. ,, Dann sehen wir uns morgen.’’, sagte sie und verschwand hinter der Tür. Freudestrahlend lief ich nach Hause. Innerlich fühle ich mich, wie der kleine Dag, der gerade zum ersten Mal in seinem Leben einer Frau begegnet ist.

,, So spät noch unterwegs?’’, flötete ich fröhlich, als Lisa mir im Treppenhaus entgegengelaufen kam. Völlig anteilnahmslos lief sie an mir vorbei.  ,, Hallo?’’ rief ich etwas lauter. Erschrocken drehte sie sich zu mir. ,, Ach Dag, du bist es. Ich habe dich gar nicht erkannt.’’, entschuldigte sie sich. ,, Das sehe ich.’’ Ihr Gesicht war blass und die dunklen Ränder unter den Augen waren nicht zu übersehen. ,, Ich muss noch schnell einkaufen. Brauchst du noch was?’’, fragte sie und tippelte ungeduldig auf ihren Füßen hin und her. ,, Ne, ich habe alles.’’, sagte ich nachdenklich und schon war sie verschwunden. Grübelnd schloss ich meine Wohnungstür auf und legte die Schlüssel auf der Kommode ab. Im Kühlschrank suchte ich mir das Essen von gestern raus und setzte mich auf die Couch. Fünf neue Nachrichten. Gespannt öffnete ich Beas Chat.
Bea: ,, Vermisse dich jetzt schon, Schatzi.’’
Darunter ein paar Selfies von ihr. Schnell textete ich zurück.
Dag: ,, Ich vermisse dich auch, Babe.’’ 
Bea: ,, Alles gut? Du wirkst so reserviert.
Dag: ,, Ja, bin nur gerade Lisa über den Weg gelaufen. Sie sieht echt nicht gut aus…..’’
Bea: ,, Soll ich mal mit ihr reden? So von Frau zu Frau ;)
Dag: ,, Was hat der Smiley zu bedeuten? :D Mit mir kann man auch reden…..
Bea: ,, Manche Sachen möchte man aber nicht mit Männern besprechen ;)
Dag: ,, Weißt du was, was ich nicht weiß? *nachdenklich*
Bea: ,, Nö :)
Dag:,, Weißt du wohl.’’ <3
Bea: ,, Nein wirklich nicht….’’ <3
Dag: ,, Na gut. Ich glaube dir.’’
Bea: ,, Ich muss morgen früh raus. Schlafe gut. Mach dir nicht so viele Gedanken. Love u’’ <3
Dag: ,, Bis morgen. Love u’’ <3

Ich starrte auf die Handyuhr. Zum Schlafen war es definitiv noch zu früh. Aus Langeweile kramte ich den Controller unterm Tisch hervor und zockte noch ein wenig. Doch nach einer halben Stunde hatte ich keinen Bock mehr. ,, Ob Vince wohl noch wach ist?’’, fragte ich mich. Kurzerhand beschloss ich nach oben zu laufen. Leise klopfte ich an die Tür, um Ben nicht aufzuwecken. ,, Dag, was machst du denn hier?’’ Nervös schaute Vince hinter sich in die Wohnung. ,, Stör’ ich?’’, neugierig versuchte ich einen Blick seine Wohnung werfen zu können. Doch Vince kam ein Stück nach draußen und versperrte mir die Sicht. ,, Ist gerade schlecht. Ich habe Besuch.’’, hektisch spielte er mit seinen Fingern herum. ,, Ok…’’ Gerade als ich mich umdrehen wollte, bemerkte ich im Flur ein Paar Damenschuhe, die definitiv nicht Lisa gehörten. Vincent folgte meinem Blick und räusperte sich. ,, Wir sehen uns morgen Diggi.’’ und drückte mir die Tür vor der Nase zu. Perplex stand ich im Treppenhaus. Wen um Himmelswillen hatte er zu Besuch? Und warum will er es mir nicht sagen? Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Betrügt er Lisa etwa? Jetzt konnte ich erst recht nicht mehr pennen.

Sichtweise Vincent

Ungeduldig wartete ich auf Dag. ,, Da bist du ja endlich.’’, sagte ich, als er ins Studio kam. Wortlos lief er in die Küche und machte sich einen Kaffee. ,, Diggi, hast du die ganze Nacht nicht gepennt?’’, fragte ich, als er sich zu mir setzte. ,, Seh’ ich so aus, als hätte ich geschlafen?’’, brummte er. ,, Du hattest ja scheinbar auch eine ‘’lange’’ Nacht.’’, nuschelte Dag vor sich hin und spielte damit auf meine Augenringe an. ,, Ben wollte nicht schlafen und hat uns wach gehalten.’’, antwortete ich ihm. Die Adoption befand sich in den letzten Zügen. Es fehlen nur noch ein paar Unterlagen und dann ist er offiziell mein Sohn. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben.  ,, Bea wollte nachher noch vorbeischauen.’’ Dag zog eine Kippe aus der Tasche und zündete sie an.    ,, Dann lass uns mal starten, damit wir rechtzeitig fertig werden.’’, voller Elan widmete ich mich dem PC zu. Trotz der Müdigkeit, arbeiteten Dag und ich konzentriert an ein paar neuen Songs.

Gegen Nachmittag bekamen wir Besuch. Lisa hatte Ben von meinen Eltern abgeholt und drückte ihn Bea entgegen, die den Kleinen freudestrahlend auf ihren Armen platzierte. ,, Und, wie ist es gelaufen?’’, fragte ich Lisa, während ich mich von hinten an ihren Rücken schmiegte. Im Augenwinkel konnte ich Dags misstrauischen Blick sehen. ,, Ich habe ein ganz gutes Gefühl. Gott sei Dank war das heute die letzte Klausur.’’ Sie neigte ihren Kopf ein Stück nach hinten und legte ihn auf meiner Brust ab. ,, Deine Mama wollte Ben gar nicht hergeben.’’, lachte Lisa. Auch wenn Ben nicht mein leiblicher Sohn ist, lieben meine Eltern ihn so, als wäre er es. ,, Ich glaube wir müssen aufpassen. Nicht, dass wir ihn gar nicht mehr zu Gesicht bekommen.’’, lachte ich und gab meiner Freundin einen Kuss, der durch einen aufgebrachten Dag unterbrochen wurde.

,, Ich kann mir das nicht länger mit ansehen. Lisa, Vince betrügt dich.’’, erleichtert atmete Dag aus, so als wäre gerade eine Last von ihm gefallen.  ,, Wie kommst du denn darauf?’’, fragte Lisa verwirrt. ,, Ich wollte gestern Abend zu ihm und da habe ich Frauenschuhe im Flur gesehen, die definitiv nicht dir gehören. Oder trägst du neuerdings rote Pumps?’’ Bea, Lisa und ich schauten uns amüsiert an. ,, Was grinst ihr denn so blöd?’’, fragte Dag wütend. ,, Schatzi, meinst du diese Schuhe?’’ Bea krempelte provokativ ihre Hose ein Stück nach oben, sodass ihre Schuhe hervorblitzten. ,, Du? Ihr?.....’’,angeekelt sah Dag Bea und mich mit einem abwertenden Blick an. Dann ging er auf mich los. ,, Dicker, beruhige dich.’’, sagte ich, während wir rangelnd am Boden lagen. ,, Dag! Du glaubst doch nicht wirklich, dass Vince und Bea was miteinander haben!’’ Lisa versuchte Dag von mir runterzuziehen. ,, Woher willst du das wissen? Du warst doch einkaufen.’’, immer noch lag Dag auf mir und drückte mich zu Boden. ,, Schatz, jetzt komm mal runter. Ich würde dich nie betrügen. Es ist alles anders, als du denkst.’’ Bea kniete neben uns und versuchte ihren Freund zu beruhigen. Schwer atmend ließ Dag mich los und setzte sich auf den Boden. ,, Auf die Erklärung bin ich jetzt aber mal gespannt.’’ ,, Oh Mann, du Idiot machst die ganze Überraschung kaputt.’’, genervt stiefelte Bea in die Küche und kam mit einer riesigen Torte wieder. ,, Die haben wir drei gestern für dich gebacken. Eigentlich sollte es eine Geburtstagsüberraschung werden.’’, beleidigt stellte sie Torte auf den Tisch. Eigentlich hatten wir geplant sie ihm heute Nacht um 12 Uhr zu geben, doch das hatte sich soeben erledigt.

,, Ihr habt für mich gebacken? Und ich Idiot dachte….’’, verlegen kratzte Dag sich am Kopf.  Wütend verschränkte Bea die Arme vor der Brust.       ,, Komm wir lassen die beiden mal alleine.’’ Ich griff nach Lisas Hand und lief mit ihr nach draußen. ,, Wenn es um dich geht, rastet Dag immer völlig aus.’’ Mittlerweile waren wir im Park angekommen. Nachdenklich schob Lisa den Kinderwagen vor sich her. ,, Ich bin halt wie seine kleine Schwester und er hat Angst davor, dass du mich nochmal verletzten könntest.’’ ,, Das tue ich aber nicht.’’, abrupt blieb ich stehen und drehte Lisa zu mir. ,, Das weiß ich Schatzi.’’, lächelnd gab sie mir einen Kuss. ,, So ein Kind steht dir.’’, grinste ich frech und schaute zu Ben.             ,, Findest du?’’, lächelte sie leicht. ,, Könntest du dir vorstellen dich um ihn zu kümmern?’’ , vorsichtig versuchte ich das sensible Thema anzusprechen. ,, Ich kümmere mich doch schon um ihn.’’, antwortete sie verwirrt. ,, Ich meine so richtig. Offiziell. Also auch auf dem Papier.’’ Lisa sagte nichts. ,, Schatz? Sag doch was.’’, nervös sah ich sie an. ,, Ich.. ich weiß nicht, ob ich das kann.’’ In ihren Augen glitzerten die Tränen.          ,, Nicht weinen.’’ Ich nahm sie in den Arm, um sie zu trösten. ,, Es tut mir leid. Ich weiß, wie viel du in letzter Zeit um die Ohren hattest. Ich hätte nicht mit dem Thema anfangen sollen.’’, entschuldigte ich mich. Langsam entspannte Lisa sich wieder. ,, Möchtest du denn, dass ich seine Mama werde?’’, fragte sie plötzlich. ,, Machst du Witze? Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen. Ich kann es aber auch verstehen, wenn du nicht willst. Ich meine, es ist Franzis Sohn… und…..’’ ,, Wenn es dich glücklichen machen würde, dann machen wir das.’’, fiel Lisa mir ins Wort. ,, Wirklich?’’, fragte ich vorsichtshalber nochmal nach. ,, Ja, lass es uns offiziell machen. Vincent ich liebe dich. Ben ist nun Teil deines Lebens. Bessere Eltern, als uns kann er sich doch gar nicht wünschen.’’, lachte sie. ,, Ich liebe dich.’’, flüsterte ich leise in ihr Ohr. ,, Was meinst du, sind die beiden fertig?’’, fragend sah Lisa mich an, als wir uns aus der Umarmung lösten. ,, Mhm. Denke schon.’’, antwortete ich bei einem Blick auf die Uhr. Hand in Hand liefen wir zurück zum Studio. Grinsend schauten Lisa und ich uns an, als wir die beiden gerade dabei erwischten, wie sie ihre Kleider wieder richteten. ,, Ihr seid ja schon zurück.’’, stellte Bea verlegen fest. ,, Soll wir nochmal gehen?’’, fragte ich frech. ,, Ne, ne. Dag und ich haben alles geklärt.’’, Bea wich unseren Blicken aus und schaute stattdessen Dag an.      ,, Das sehe ich.’’ , sagte ich noch, bevor ich mir ein Stück vom Kuchen nahm. ,, Finger weg!’’, schimpfte Bea und gab mir einen leichten Klaps auf die Hand.

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