Alkohol, dein Retter in der Not?

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Sichtweise Dag 

 Mein Herz schlug mit voller Wucht gegen meine Brust. Nach Luft schnappend blieb ich im Park stehen und ließ mich auf die nächste Bank fallen. ,, Hey, Pause kannst du später machen.'', sagte Lukas. ,, Gib mir fünf Minuten.'', antworte ich völlig aus der Puste. ,, Drei.'', kam plump zurück. Punktgenau zog er mich wieder hoch und wir liefen den Rest der Strecke in mäßigem Tempo.       ,, Sehen wir uns morgen?'', fragte er, nachdem wir an meiner Wohnung angekommen sind.          ,, Geht klar. Bis morgen.'' Schnell sprintete ich die Treppen rauf und sprang sofort unter die Dusche. Seit zwei Monaten liegt Lisa jetzt im Koma und die Ärzte haben kaum noch Hoffnung, dass sie wieder aufwachen wird. Ich besuche sie jeden Tag. Doch eines bereitete mir Kopfzerbrechen. Nächste Woche startet unsere Tour und der Gedanke, Lisa nicht mehr jeden Tag sehen zu können, gefiel mir ganz und gar nicht. ,, Jo Whynee, was geht?'', schnell fischte ich mein Handy aus der Sofaritze und telefonierte mit meinem Kumpel. ,, Ich bin im Studio und wollte ein bisschen proben. Kommst du vorbei?''' ,, Später, ich muss noch was erledigen.'' , antwortete ich. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich auf dem Weg zu Lisa bin. Denn im Gegensatz zu mir schien Vincent derjenige zu sein, der begriffen hat, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Natürlich wusste ich, dass es ihn nicht kaltlässt. Im Gegensatz, es beschäftigt ihn. Und zwar jeden Gott verdammten Tag. Auch wenn er versucht es zu verheimlichen, weiß ich, wie sehr er sie vermisst. Trotzdem kam mein Kumpel auf die glorreiche Idee Franzi bei sich einziehen zu lassen und einen auf super Daddy zu machen. Dafür, dass er sich nicht mal sicher ist der Vater zu sein, geht er ganz schön in seiner Rolle auf. Zu gerne wüsste ich, womit sie ihn erpresst, aber er redet ja nicht mit mir. ,, Na junger Mann, Sportprogramm beendet?'', lächelte mich eine der Schwestern auf Station an. ,, So jung bin ich auch nicht mehr.'', lachte ich. ,, Man ist nur so jung, wie man sich fühlt.'', antwortete sie grinsend. Flirtet sie etwa mit mir? Schnell wechselte ich das Thema. ,, Gibt es schon was Neues?'', ich deutete auf Lisas Zimmer. Bedrückt schüttelte mein Gegenüber den Kopf. ,, Tut mir leid, ich wünschte, ich hätte gute Neuigkeiten.'' Verständnisvoll nickte ich und betrat schweigend den Raum. Lisa lag immer noch friedlich in ihrem Bett. Fast so, als würde sie einfach nur schlafen. ,, Ach Schnuppelchen, wenn ich dich doch nur wieder lachen sehen könnte.'' sagte ich traurig, während ich meine Finger mit ihren verschränkte. Wie immer fing ich an ihr von meinem Tag zu erzählen. Nachdem ich nichts mehr zu sagen hatte, realisierte ich, wie spät es schon war. ,, Fuck!'', fluchte ich leise. ,, Vince wird mich umbringen.'' Ich angelte mir schnell meine Jacke, die über dem Stuhl hing und gab Lisa zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. Ihre Haut fühlte sich warm an. ,, Bis morgen, Schnuppelchen.'', flüsterte ich leise.

,,Sorry Dicker, hat etwas länger gedauert.'', unauffällig schlich ich hinter Vincent entlang, der konzentriert auf seinen Bildschirm starrte. ,, Ich weiß. Macht nichts.'' Hatte ich gerade richtig gehört? Meinem Kumpel ist egal, wenn ich zu spät komme? ,, Entweder bist du krank oder das, was du da machst, muss mega spannend sein.'' Laut las ich den Titel der Homepage vor. ,, Wie werde ich ein guter Papa? Dicker, was liest du denn für einen Blödsinn?'' ,, Das ist kein Blödsinn.'' Mit zusammengekniffenen Augen drehte er sich langsam zu mir um. ,, Mal ehrlich, übertreibst du nicht ein kleines bisschen mit deinem Vatergedöns?'' So vorsichtig wie möglich tastete ich mich an das Thema Franzi heran. ,, Soll ich mich etwa meiner Verantwortung entziehen?'', wollte er von mir wissen. ,, Nein, natürlich nicht. Aber.... du weißt doch noch gar nicht....'' ,, .....Natürlich bin ich der Vater, falls du das meinst.'', fiel er mir ins Wort. ,, Ach ja?'', fragte ich skeptisch. ,, Ja, und jetzt will ich da nichts mehr davon hören.'' Damit war die Diskussion mal wieder beendet. Irgendwie muss ich doch an ihn rankommen. ,, Hast du heute Abend schon was vor?'' ,, Bisher nicht.'', antwortete Vince. ,, Bock auf ein bisschen Party?'' Er zuckte mit den Schultern. ,, Warum nicht.'' 

Gegen 22 Uhr standen wir vorm K11 und der Türsteher winkte uns so durch. Für einen Donnerstagabend war der Club mal wieder brechend voll. Im Eingang hörte ich die Musik, die laut aus den Boxen schallte. ,, Such du schon mal einen Platz. Ich kümmere mich um die Getränke.'', schrie ich Vincent ins Ohr, damit er mich überhaupt verstehen konnte. Während ich auf die Drinks wartete, schweifte mein Blick durch den Raum. Bisher kannte ich keinen von den hier Anwesenden. Normalerweise treffen wir hier immer auf irgendwen, den wir kennen. In der hintersten Ecke fand ich Vince , der das Display seines Handys fixierte. ,, Weg mit dem Ding.'' Ich zog es ihm aus der Hand und legte es auf den kleinen Tisch vor uns. ,, Ey, ich muss Franzi zurückschreiben.'', protestierte mein Kumpel und griff sofort nach seinem Mobiltelefon. ,, Ihr seid doch gerade mal eine Stunde voneinander getrennt.'' Ich wackelte mit meinen Augenbrauen und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. ,, Ja, aber es geht ihr nicht so gut.'', antwortete er mir, während er textete. ,, Du haust aber deswegen nicht eher ab, oder? Wir sind doch gerade erst hier.'', hakte ich nach. ,, Ne, sie wird es schon ohne mich überlegen.'', sagte Vince schnell und legte das Handy beiseite. Eine Zeit lang unterhielten wir uns über Belangloses und beobachteten die anderen Gäste, wie sie sich auf der Tanzfläche bewegten. Mein Kumpel und ich becherten, was das Zeug hält. Man konnte uns den Alkohol schon gut anmerken. Allerdings habe ich den Vorteil größere Mengen gut wegstecken zu können, wohingegen Vincent schon nicht mehr ganz so klar denken kann. Doch genau das war mein Plan. Unter Alkoholeinfluss wird er immer redselig und plaudert vielleicht endlich aus, womit Franzi ihn erpresst. ,, Kannst du dich noch an den Abend erinnern, als wir Lisa hier begegnet sind?'' schwelgte Whynee in Erinnerungen. ,, Klar kann ich das.'', lachte ich. ,, Immerhin habe ich auf der Toilette mein gutes Bier verschüttet.'' ,, Ja, für eine heldenhafte Tat. Wir haben schließlich eine junge hübschen Lady vor den Übergriffen eines Perverslings geschützt.'' , trumpfte er und setzte das Gesagte durch seine schauspielerischen Künste gekonnt in Szene. Hübsch ist Lisa wirklich, dachte ich mir und fing unbewusst an zu lächeln. Gerade noch erzählte Vincent die Story auf lustige Art und Weise und nun wurde er plötzlich ernst. ,, Tja, und jetzt? Jetzt liegt sie im Koma und wird nie wieder aufwachen. Weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ich kann ihr nicht mal die Wahrheit sagen, warum ich mich damals von ihr getrennt habe, bevor ich nach Amerika gefahren bin. Scheiß Karma, oder?'', auf einmal lachte er wieder. Seine Gefühle befanden sich auf Achterbahnfahrt. Nur leider offenbarte er mir nicht die Informationen, die ich wissen wollte. Stattdessen sorgte er dafür, dass meine Laune schlagartig schlechter wurde. Ich hätte nie gedacht, dass es mich so fertig macht, wenn das Thema Lisa aufkommt. ,, Dicki, ich glaube wir sollten nach Hause gehen.'', sagte ich schließlich. ,, Wir hatten genug für heute.'' ,, Wer sind Sie und was haben Sie mit Dag gemacht?'' , wie ein Detektiv stand Vincent mit wackeligen Beinen vor mir und beugte sich provokant zu mir nach unten. ,, Whynee, hör auf.'', stieß ich ihn leicht von mir weg. ,, Spaßbremse.'' , frotzelte mein Gegenüber und schnappte sich seine Jacke. ,, Bin bereit zum Ableben.. Ähh Abtreten....'' salutierte er vor mir. Ich konnte nicht anders, als leicht zu lachen. ,, Komm du Spinner.'' und drückte ihn vor mir her, bis wir draußen vorm Club standen.     ,, S-Bahn oder Taxi?'', fragte ich. ,, Taxi.'', kam prompt zurück und wir stiegen in das nächste freie Auto ein.

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