Mein Ein und Alles

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Sichtweise Vincent 

 Gerade standen Franzi und ich bei mir in der Küche als wir die Sirenen eines Krankenwagens hörten, die plötzlich verstummten. ,, Vincent lass es uns doch wenigstens nochmal probieren. Wir werden Eltern.", fordernd sah Franzi mich an. Ich stützte mich mit den Armen auf der Küchenplatte ab und hob den Kopf. ,, Sag mal, wann kapierst du endlich, dass aus uns nie wieder etwas werden wird? Ich liebe dich nicht. Verstanden?" Sie wurde zornig. ,, Ach, zum Sex hat es dann aber doch noch gereicht, oder was?" ,, Wenn wir überhaupt miteinander geschlafen haben." nuschelte ich leise. Doch scheinbar nicht leise genug. ,, Glaubst du, ich will dir das Kind unterjubeln und denke mir das alles bloß aus?" ,, Wer weiß ?Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern mit dir im Bett gewesen zu sein." Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wann es passiert sein soll. ,, Ich kann nichts dafür, dass du auf dem Festival breit warst und dich an nichts mehr erinnern kannst." eingeschnappt drehte sie sich weg. ,, Ich will einen Vaterschaftstest, wenn das Kind da ist.", sagte ich. Jetzt brachte ich das Fass völlig zum Überlaufen. ,, Du bist so ein Idiot. Ich hoffe du erstickst irgendwann mal an deiner Selbstverliebtheit. Du wirst dich noch wundern." ,, Drohst du mir etwa?" , misstrauisch sah ich Franzi an. ,, Du hättest dich besser nicht mit mir anlegen sollen. Entweder du tust, was ich sage, oder ich werde dich in der Öffentlichkeit fertig machen. Das war's dann mit deiner Karriere." ,, Verlasse sofort meine Wohnung, bevor ich mich noch vergesse.", wütend lief ich zur Tür und drängte Franzi raus auf den Flur. Von unten hörte ich Stimmen. Sie kamen aus Dags Wohnung. Ich lief runter und traf auf einen Polizeibeamten. ,, Was ist hier los?", fragte ich aufgeregt. ,, Ich möchte Sie bitten wieder in ihre Wohnung zurückzugehen." ,, Das ist die Wohnung meines Kumpels. Ich will wissen, was hier los ist." , ich antwortete ihm lauter, als ich eigentlich wollte. 

Sichtweise Dag

Nervös starrte ich die Uhr an. Die Zeit schien still zu stehen. Auf jeden Fall fühlte es sich so an, denn nichts geschah. Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, wartete ich hoffnungsvoll darauf, dass jemand kommt und mir sagen kann, wie es Lisa geht? Das Warten machte mich noch ganz verrückt. Vor lauter Aufregung vergaß ich meine eigenen Wunden. Felix hatte mich ziemlich übel zugerichtet. Im Gegensatz zu Lisa muss ich aber nicht um mein Leben bangen. Es war ein Schock zu sehen, wie das Blut ihr Shirt innerhalb kürzester Zeit rot färbte. Der Blick, mit dem sie mich anschaute, kurz bevor sie das Bewusstsein verlor. Pure Angst. Ich stand auf und lief den Gang entlang. An den Wänden hingen Informationsschilder. Herzinfarkt, Schlaganfall. Klasse, darauf hatte ich gerade so gar keinen Bock. Wieder saß ich auf den blauen, unbequemen Plastikstühlen. Mir wurde kalt. Ich zog den Reißverschluss der Sweatjacke bis nach oben und setzte die Kapuze auf. In meinen Händen hielt ich das Armband, das ich Lisa zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte. Hypnotisiert starrte ich den blau- funkelnden Mondstein an, der liebevoll als Anhänger an den dünnen Bändchen des Armbandes hing. Lisa hatte einen Faibele für Edelsteine. Daraufhin bin ich in so einen komischen Esoterikladen rein und habe mich beraten lassen, welcher am besten zu ihr passen könnte. Aufgrund ihres Einfühlungsvermögens und der Intuition, die sie auszeichneten, entschied ich mich für den Mondstein, der diese Fähigkeiten unterstützen sollte. Als sie ihr Geschenk damals aufgeregt ausgepackt hat, funkelten ihre Augen vor Freude. Es machte mich glücklich. Bei dem Gedanken dran, dass ich ihr wunderschönes Lächeln vielleicht nie wiedersehen werde, kullerte mir eine Träne an der Wange runter, die ich schnell mit dem Ärmel meines Pullovers wegwischte. Mit einem Ruck öffnete sich die Tür, auf der in Großbuchstaben geschrieben stand '' OP ZUTRITT NUR FÜR PERSONAL'' Ein etwas älterer Herr mit langem, weißem Kittel stolzierte auf mich zu.. ,, Wie geht es ihr?'',fragte ich aufgeregt. ,, Wir konnten die Blutung soweit stillen, allerdings ist ihre Freundin noch nicht über den Berg. Wir müssen jetzt die Nacht abwarten.'' ,, Darf ich zu ihr?'' ,, Sie liegt auf der Intensivstation und braucht viel Ruhe.'', erklärte er mir. Flehend stand ich vor ihm. ,, Bitte, nur kurz.'' Nach kurzem Zögern begleitete er mich bis zu ihrem Zimmer. Ich bedankte mich schnell und setzte mich zu Lisa ans Bett. Überall hingen Schläuche. Sie wurde künstlich beatmet. Bei dem Anblick lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Instinktiv nahm ich ihre Hand und streichelte sie sanft. Ihre Haut fühlte sich kalt an. Ich erschrak, als eine der Schwestern das Zimmer betrat. ,, Sie spürt ihre Anwesenheit bestimmt. Es tut den Patienten gut zu wissen, dass vertraute Personen da sind.'' Jetzt umklammerte ich ihre Hand noch fester. Nachdem die Schwester den Raum verlassen hatte, redete ich mich Lisa. Ich erzählte ihr alle möglichen Geschichten, die wir zusammen erlebt haben. ,, Weißt du noch an dem Tag, als ich aus meiner Wohnung ausziehen musste? Du warst die Einzige, die wusste, wie es mir wirklich geht. Egal wie sehr ich versucht habe meine wahren Gefühle zu vertuschen, du wusstest, wie es wirklich in mir drin aussieht. Dir konnte ich nie etwas vormachen.'' Mir entflog ein leises Lachen. ,,Am schönsten war aber der Moment auf dem Dach. Eng aneinander gekuschelt saßen wir an der Kante und betrachteten den Sonnenaufgang. Für einen kurzen Moment blieb die Zeit einfach stehen. Es gab nur dich und mich.Weißt du eigentlich, wie gern ich dich geküsst hätte? Tausend Schmetterlinge flogen durch meinen Bauch, als unsere Lippen sich fast berührten. Hättest du den Kuss erwidert, wenn Vincent nicht angerufen hätte? Hätten wir beide jemals eine Chance gehabt? Ich habe dir nie gesagt, was ich für dich empfinde. Wusstest du, dass es von meiner Seite aus mehr als nur Freundschaft ist? Wenn ja, konntest du es ziemlich gut verheimlichen.'' Ich lachte leise. Es tat gut all die unausgesprochenen Worte auszusprechen. Die meiste Zeit habe ich versucht meine Gefühle in Songtexten zu verarbeiten, die ich bisher noch niemandem gezeigt habe. Vom ganzen Reden bekam ich einen trockenen Hals und fing leicht an zu husten. Aus meiner Jackentasche zog ich einen Bonbon und warf das Papier treffsicher in den Mülleimer, der auf der anderen Seite des Bettes stand. Vincent und ich spielten, wenn uns manchmal langweilig ist, Papierbasketball im Studio. Meistens werfe ich aber daneben und er entscheidet das Spiel für sich. ,, Herr Kopplin, ich habe gerade einen Anruf von der Stationsschwester erhalten. Sie werden oben vermisst. Vielleicht ist es besser, wenn Sie erstmal an sich denken und versuchen ein wenig zu schlafen.'' Mitfühlend legte die Nachtschwester ihre Hand auf meine Schulter. ,, Soll Sie jemand begleiten?'', fragte sie. ,, Nein danke, ich finde den Weg.'', antwortete ich und flüsterte Lisa noch etwas ins Ohr, bevor ich die Intensivstation verließ. Mit dem Fahrstuhl fuhr ich rauf in den sechsten Stock. Auf dem Flur war es kühl und bei einem Blick nach draußen sah ich die Sterne am Himmel funkeln. In ein paar Tagen ist Silvester, doch ans Feiern wollte ich in dieser Situation nicht denken. Ich meldete mich schnell bei der zuständigen Schwester, die meinen Blutdruck und meinen Puls checkte, bevor ich aufs Zimmer ging. Sie wollten mich zur Beobachtung eine Nacht hier behalten, falls es durch die Kopfverletzungen doch noch zu irgendwelchen Komplikationen kommen sollte. Grübelnd legte ich mich ins Bett und fiel irgendwann in einen unruhigen Schlaf. 

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