Er ist ja schon ganz süß

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Sichtweise Vincent

Im Flur zog ich meine Schuhe aus und hörte schon den Fernseher im Wohnzimmer laufen.             ,, Und, alles erledigt?'', Lisa gab mir einen langen Begrüßungskuss. ,, Joa. Kann man so sagen.'', antwortete ich. ,, Wie war es in eurer Wohnung? Sieht es schlimm aus?'', fragte ich meine Freundin, während ich sie hochhob und zur Couch trug. ,, Oh ja. Die Küche sieht aus, als hätte ein Blitz eingeschlagen. Zum Glück hat das Feuer sich nicht weiter ausgebreitet und wir müssen nur einen Raum renovieren. Laut Sachverständiger sei ein Kabelbrand schuld an allem gewesen. Auf jeden Fall springt die Versicherung ein und wir bekommen den Schaden erstattet. ,, Das hört sich doch gut an. Meinetwegen kann die Renovierung auch noch etwas länger dauern. Ich könnte mich dran gewöhnen, dass du abends hier bist, wenn ich nach Hause komme.'', gab ich verlegen zu und bekam ein süßes Lächeln zurück.

Sichtweise Lisa

Die nächsten Tage verbrachten Miriam und ich damit, die Tapete von den Wänden zu reißen. Auch wenn Vincent mir angeboten hatte, vorerst bei ihm zu wohnen, wollte ich die Renovierungsarbeiten so schnell wie möglich fertig haben. Mitte nächster Woche sollte schon die Küchenfirma kommen, um die neue Küche zu montieren. Bis dahin muss also alles fertig sein. ,, Hast du nicht heute Abend deine erste Schicht in der Kneipe?'', fragte Miriam mich, während wir fleißig arbeiteten. ,, Ja und nächste Woche fahre ich mit den Jungs auf ein Festival, wo sie mir einen Job besorgt haben. Vielleicht hat sich die Arbeit in der Kneipe dann schon wieder erledigt.'' sagte ich und Miriams Grinsen wurde immer breiter. ,, Warum grinst du denn so?'', wollte ich von ihr wissen. ,, Nur so.'', flötete sie fröhlich. ,, Nun sag schon, sonst kitzel ich dich so lange durch, bist du mit der Sprache rausrückst.'' ,, Na gut, eigentlich sollte es eine Überraschung werden, aber ich komme mit.'', glücklich sprang sie durch die Luft. ,, Wie du kommst mit?'', fragte ich völlig verpeilt. ,, Na auf das Festival. Dag hat mich angerufen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte mir ein bisschen Geld zu verdienen. Da sage ich natürlich nicht nein.'' ,, Wie geil ist das denn?'', kreischend fiel ich ihr um den Hals. ,, Du und ich zusammen auf einem Festival. Besser kann es nicht laufen.'', freute ich mich. Miriam ist, was so was angeht, echt cool drauf. Sie lässt sich nichts gefallen und haut immer ihre Meinung raus, egal was andere von ihr denken. Ich bin da noch eher etwas schüchtern, auch wenn ich mich schon gebessert habe. Ihr vorlautes Mundwerk wird uns bei den ganzen Betrunkenen bestimmt von Vorteil sein. ,, Weißt du eigentlich, was wir da genau machen müssen?'', fragte Miriam. ,, Ne, Dag meint ich solle mich überraschen lassen. Auf jeden Fall ist es nichts Schlimmes und keine typische Aushilfstätigkeit.'' ,, Weißt du, was das Beste an der ganzen Sache ist? Wir verdienen nicht nur ein bisschen Geld, sondern können nach Schichtende feiern. Und das alles umsonst. Vielleicht treffen wir noch eine paar coole Stars und können Autogramme abstauben.'' hibbelig wedelte sie mit ihren Händen um sich. ,, Nun beruhige dich. Ich wusste gar nicht, dass du so ein Groupie bist.'', sagte ich verschmitzt. Miriam streckte mir die Zunge raus. ,, Woher hat Dag eigentlich deine Nummer?'', fragte ich sie. ,, Keinen Plan. Ich dachte, du hast ihm die gegeben?'' ,, Nicht, dass ich wüsste.'', antwortete ich. ,, Ist doch auch egal. Er darf meine Nummer gerne haben. ,, Ah ha, höre ich da etwa so ein bisschen Schwärmerei heraus?'', bohrte ich nach. Verlegen schaute sie zur Seite. ,, Vielleicht. Ich meine, er ist ja schon ganz schön sweet.'' ,, Awww, wie süß. Miriam ist verknallt.'' Ich schaute sie verliebt an und formte ein Herzchen mit meinen Händen. ,, Dass du immer gleich übertreiben musst.'' Ich bekam einen leichten Seitenhieb von ihr. ,, Wenn du möchtest, kannst du morgen Abend gerne vorbeikommen. Vincent und Dag sitzen bestimmt wieder zusammen und zocken. Ich koche uns was Schönes und ihr könnt euch ein bisschen kennenlernen. Ich meine euer erstes Aufeinandertreffen war nun ja nicht unbedingt so toll.'' Ich dachte daran, welchen Eindruck sie von den Jungs gehabt haben muss, nachdem wir im Aufenthaltsraum waren und Vincent, wie ein Irrer vor der Tür stand und uns, bzw. mich nicht rauslassen wollte. Ganz abgesehen, von Dags Panikattacke. ,,Gerne.'' Sie nahm sich die Sprühflasche und befeuchtete die kleinen Tapetenschnipsel an der Wand, die wir nicht abbekamen. Ein paar Stunden später verabschiedeten wir uns und ich machte mich auf den Heimweg, um noch schnell zu duschen, bevor es zur Arbeit ging. Manchmal dachte ich darüber nach, ob es nicht schlauer gewesen wäre, irgendwo in der Pflege zu arbeiten und dann auf Vollzeit. Ich meine, die Semesterferien waren lang genug und ich würde definitiv mehr verdienen, als in der Kneipe. Aber irgendwie fand ich es auch spannend mal was anderes auszuprobieren. Falls mir der Job keinen Spaß machen sollte, habe ich immer noch die Möglichkeit bei einem Pflegedienst unterzukommen. Fröhlich trällerte ich unter der Dusche das Lied von den Backstreet Boys mit, das gerade im Radio lief, als plötzlich die Badezimmer aufging. ,, Oh sorry, ich wusste nicht, dass hier jemand ist.'', entschuldigte Dag sich und verschwand schnell wieder zur Tür hinaus. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die Jungs wieder da waren. Lag wahrscheinlich daran, dass ich lauthals gesungen habe. Aber hätte er das nicht von draußen hören müssen? Na ja, egal. Ist ja nichts passiert. Die Duschwand bestand zum Glück aus Milchglas und so konnte er nichts sehen. Auch wenn wir sehr gut befreundet sind, hätte ich es irgendwie ziemlich peinlich gefunden, wenn Dag wüsste, wie ich nackt aussehe. Was so was angeht, bin ich ein kleines bisschen verklemmt. Selbst als ich mit Vincent geschlafen habe, fühlte ich mich unwohl in meiner Haut. Auch, wenn wir nun zusammen sind. Ich denke halt immer zu viel darüber nach, was das männliche Geschlecht wohl über meinen Körper denken könnte. Fertig für die Arbeit kam ich aus dem Bad und sah die Jungs auf der Couch sitzen. ,, Ich gehe dann gleich los.'', sagte ich und zog eine dünne Jacke von der Garderobe, bevor ich mich verabschiedete. ,, Wo willst du denn hin?'', fragten die Jungs verwundert.                  ,, Arbeiten. Hatte ich doch erzählt.'' ,, Heute?'', fragte Vincent unglaubwürdig. ,, Ja, heute.'', sagte ich. ,, Sollen wir dich hinbringen und wieder abholen?'', fragte Dag. ,, Ich bin doch kein kleines Kind.'', lachte ich. ,, Ich dachte nur, weil es ja spät wird.'' Schnell nahm ich ihnen den Wind aus den Segeln,, Keine Sorge, ich melde mich bei euch, wenn ich angekommen bin und sage Bescheid, wenn ich Feierabend habe. Falls was sein sollte, rufe ich an. Macht euch einen schönen Abend.'' Ich spurtete zur Tür und drehte schnell wieder um. ,,Ach ja, bevor ich es vergesse, Miriam kommt morgen Abend zum Essen, seid ihr da?'' Ich stand im Türrahmen und wartete auf eine Antwort. ,, Jap.'', war das einzige, was ich zu hören bekam, denn sie hatten schon die Xbox gestartet und waren in irgendein Ballerspiel vertieft. ,, Männer.'', verdreht ich die Augen und ging los.

Die Kneipe war für diese Uhrzeit gut besucht und ich lief zum Tresen, um mich vorzustellen. ,, Hi, ich bin Lisa. Ich soll heute Abend die Schicht übernehmen.'' Freundlich kam eine junge Frau, vielleicht ein, zwei Jahre älter als ich, auf mich zu. ,, Hi, ich bin Rosanne. Kannst mich Rose nennen.'' Lächelnd gab ich ihr die Hand. Ich stellte meine Sachen im Personalraum ab und folgte ihr hinter den Tresen. ,, Ich würde sagen, du fängst erst mal damit an, die Gläser zu spülen. Ich kümmere ich um die Getränke.'' Zustimmend nickte ich und machte mich an die Arbeit. Glas für Glas tauchte ich ins Spülbecken und stellte sie danach zum Trocknen auf die dafür vorgesehene Ablage. Die Zeit verging und schon war es Mitternacht. Noch ein paar Stunden, dann hatte ich Feierabend. ,, Hi, ich hätte gerne ein Bier.'' ein junger, gut aussehender Mann setzte sich vor mir an den Tresen. Da Rose gerade eine Bestellung an einem der Tische aufnahm, holte ich ein kühles Bier und stellte es ihm geöffnet hin. ,, Kennen wir uns nicht irgendwo her?'', fragte er plötzlich. ,, Nicht, dass ich wüsste.'' ich zuckte mit den Schultern. ,, Klar kenne ich dich, du bist doch das Mädchen vom Korbacher Bahnhof. Erkennst du mich etwa nicht?'', fragte er lachend. Jetzt dämmerte es mir. ,, Ja klar, stimmt. Felix, richtig?'' ,, Genau, und du warst Lisa?'', zögerte er. ,, Ja.'', antwortete ich freundlich. ,, Mensch, dass man sich ausgerechnet hier wieder trifft.''     ,, Tja, Zufälle gibt es.'', lachte ich. ,, Arbeitest du schon länger hier?'' ,, Ne, habe heute meinen ersten Tag.'' , antwortete ich auf seine Frage. ,, Cool, dann sieht man sich bestimmt öfter.'' Rose kam auf uns zu. ,, Könntest du mir vielleicht bei den Bestellungen helfen. Ich komme einfach nicht hinterher.'' ,, Klar.'', ich legte das Handtuch zur Seite und half ihr. Gegen kurz vor vier verließen die letzten Gäste den Raum. Nur Felix saß am Tresen und nippte immer noch sein erstes Bier. ,, Wir schließen gleich.'', sagte Rose höflich und signalisierte ihm, er solle in die Pötte kommen. ,, Oh, entschuldigt.'' In einem Zug leerte er seine Flasche und bezahlte. ,, Hier ist meine Nummer, vielleicht hast du ja mal Lust einen Kaffee trinken zu gehen?'' Er drückte mir einen Zettel in die Hand und verschwand. ,, Das wird dir noch öfter passieren. Ich habe schon zig Nummern zu Hause in den Müll geworfen.'', lachte Rose und ich grinste sie an. Schnell räumten wir alles auf und verließen dann die Kneipe. Rose schloss hinter uns ab. ,, Hat Spaß gemacht mit dir zu arbeiten.'', sagte sie freundlich. ,, Das gebe ich gerne zurück.'', sagte ich. Zum Abschied umarmte sie mich und wir liefen in zwei verschiedene Richtungen. Erschöpft öffnete ich die Tür zur Vincents Wohnung und war erstaunt, dass die beiden noch immer auf dem Sofa saßen. Fast so, als hätten sie sich keinen Millimeter vom Fleck bewegt. ,, Und, wie war's?'', fragte Vince, als ich den Raum betrat. ,, Hat Spaß gemacht. Ich freue mich aber aufs Bett.'', gab ich zu. ,, Ich mache mich auch auf den Weg.'' Dag legte den Controller beiseite, umarmte mich noch kurz und lief dann runter, in seine Wohnung. Vincent kam zu mir und küsste mich leidenschaftlich. Er massierte meinen Nacken. ,, Und, irgendwelche Telefonnummern ergattert?'', grinste er mich an. ,, Woher weißt...'' ,, Hallo, ich bin ein Kerl. Meine Kumpels und ich haben früher im Suff regelmäßig unsere Nummern irgendwo gelassen. Und bei so einer hübschen Lady wie dir, stehen die Männer doch bestimmt Schlange.'' ,, Höre ich da etwa Eifersucht?'', stachelte ich meinen Freund an. ,, Mhmm. Vielleicht.'', sagte er verlegen. ,, Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Dir kann keiner das Wasser reichen.'' und gab ihm einen Kuss. Wir machten uns bettfertig und gingen ins Schlafzimmer.

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