Partynacht

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Die nächsten Tage im Frühdienst vergingen wie im Flug. Als dann endlich Freitag war und das Wochenende vor der Tür stand, beschloss Tanja, dass wir an den nächsten Tagen ein wenig feiern gehen. Schließlich hatten sich meine Pläne geändert und ich hatte Zeit. Da sie schon etwas länger in Berlin zu Hause war, kannte sie ein paar gute Clubs, in denen wir so richtig die Sau raus lassen konnten. Normalerweise war ich nicht so die Partygängerin. Gemütliche Abende mit Freunden daheim oder auf der Couch, taten es auch. Nur Tanja zu widersprechen,war gar nicht so leicht. Ihre Überzeugungskünste waren genial. Also machte ich mich für den bevorstehenden Abend fertig. Zuerst ging es unter die Dusche, danach stand ich vorm Spiegel und betrachte mein ‘’Ich’’. Leuchtend grüne Augen, ein leicht rundliches Gesicht mit kleinen Grübchen und ein weiblicher Körperbau schauten mich grinsend an. Im Großen und Ganzen war ich mit mir selbst zufrieden. Zwar hatte ich keine Modelmaße, aber ich war auch nicht dick. Meine Freunde sagen immer, ich sehe genau perfekt aus. An manchen Tagen wünschte ich mir mal 2-3 Kilo weniger, aber so geht es, denke ich, fast jeder Frau. Die wichtigste aller Fragen stand natürlich noch offen. Was ziehe ich heute an? Der Kleiderschrank war bis obenhin voll, trotzdem hat ‘’Frau’’ nichts zum Anziehen. Nach langer Überlegung entschied ich mich für eine schwarze, blickdichte Strumpfhose, mit einem schwarz-pink gepunktetem Rock, der etwa zwanzig Zentimeter oberhalb der Knie endete. Dazu schwarze Chucks, mit Blümchen, ein Top und darüber einen dünnen Cardigan. Hosen hasste ich. Deswegen bestand meine Kleidersammlung, bis auf ein bis zwei Hosen nur aus Kleidern und Röcken. Darin fühlte ich mich am wohlsten. Zu guter Letzt schminkte ich mich leicht und versetzte meinen schulterlangen, blonden Haaren mit Schaumfestiger Volumen. Jetzt fehlte nur noch Tanja und die Party konnte losgehen. Keine zwei Minuten später klingelte es auch schon an meiner Haustür. Begrüßt wurde ich von drei kreischende Mädels, die allesamt noch kürzere Röcke trugen als ich. Verdattert blickte ich in Tanjas Gesicht und zog eine Augenbraue hoch. ,, Ich habe Verstärkung mitgebracht. Das sind Lissy und Sarah.’’  Die beiden jungen Damen kamen gleich auf mich zugestürmt und umarmten mich. Lächelnd erwiderte ich die Umarmung und stellte mich vor.

Wie ich auf dem Weg zur Location feststellte, waren wir alle im gleichen Alter. Tanja, Lissy und Sarah kannten sich vom Handball. Krampfhaft überlegte ich, ob Tanja die beiden schon mal erwähnt hatte, immerhin unternahmen wir viel gemeinsam und sie war fast wie eine Seelenverwandte. Doch egal wie sehr ich mir den Kopf zerbrach, es wollte nicht Klick machen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, Tanja überhäuft mich ständig  mit solch einer Informationsflut, da kann schon mal etwas verloren gehen. Als wir am K1 ankamen, war schon eine riesen Schlange davor. Na super, dachte ich mir. Hier stehen wir noch ewig rum. Anstatt uns hinten anzustellen, steuerten wir jedoch direkt auf den Eingang zu. ,, Ähm, wo wollt ihr hin?’’ fragte ich verdattert. Keine Antwort. Wie selbstverständlich begrüßte Tanja den Türsteher und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte kurz und ließ uns durch.
,,Wow, was war das denn eben? Hast du ihm ein unmoralisches Angebot gemacht oder warum kommen wir so rein?'', richte ich meine Frage an Tanja. Scherzhaft antworte sie nur ,, Aber klar. Du kennst doch meinen zweiten Job.’’ Typisch, diese Frau kann so viel reden und dabei ergibt nicht immer alles  einen Sinn. Doch bei ernstgemeinten Fragen, weicht sie gekonnt aus und versucht es ins Lächerliche zu ziehen. Drinnen angekommen steuerten die anderen gleich in Richtung Bar. ,, Vier Gin-Tonic’’, gab Tanja dem Barkeeper als Anweisung. Während wir auf die Getränke warteten, setze ich mich auf einen der roten Barhocker und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. So viele Feierlustige, die wild auf der Tanzfläche tanzten und einen Drink nach dem anderen kippten. Um diesen Abend zu überstehen, musste ich wohl das gleiche tun. Also nippte ich an meinem Gin-Tonic.  Eine Weile noch saßen wir an der Bar und begaben uns dann zu den anderen Partygästen auf die Tanzfläche. Im Rhythmus der Musik bewegte ich meinen Körper und meine  Hüften . Freude breitete sich in mir aus. Es war lange her, dass ich so ausgiebig gefeiert hatte. Jeden einzelnen Sound nahm ich auf und leitete ihn durch mich hindurch. Irgendwann sprach Tanja mich an ,, Kennst du den Typen dort hinten?’’ Ich drehte mich um und sah einen Mann mit schwarzen Haaren , einem hautengen T-Shirt und dem dazu passenden, durchtrainierten Oberkörper. Er starrte mich regelrecht an. Als er bemerkte, dass ich ihn entdeckt hatte, wandte er seinen Blick von mir und lief davon. ,, Ne,  noch nie gesehen!’’, antwortete ich ihr. ,, So wie er dich angestarrt hat, geht da heute bestimmt noch was.’’ Während sie den Satz aussprach, schaute sie mich mit einem verschmitzten Lächeln an und zwinkerte mir zu. ,, Ist nicht mein Typ.’’, gab ich plump zurück. ,, What? Hast du seine Oberarme gesehen? Ich möchte nicht wissen, wie der Rest aussieht.  Der war ja sowas von durchtrainiert und sexy. Und du sagst, er sei nicht dein Typ?’’ , unglaubwürdig schaute meine Freundin mich an. ,, Wenn du ihn so heiß findest, dann schnapp ihn dir doch.’’, entgegnete ich ihr nur. Schulterzuckend wandte sie sich ab und tanzte weiter. Ich hingegen lief wieder zur Bar rüber und bestellte noch etwas zu trinken. Die stickige Luft, machte durstig. Genüsslich nippte ich am Drink und stocherte mit dem Strohhalm in der Flüssigkeit herum. Irgendwann bemerkte ich, dass der Platz neben mir nicht mehr frei war. ‘’Nein, das kann doch nicht sein!’’, dachte ich. Links neben mir saß kein geringer, als der Unbekannte aus dem Park von Anfang  der Woche. Ich musste ihn wohl so verdattert angesehen haben, dass er mich schließlich fragte: ,, Alles ok bei dir?’’, stotternd gab ich zurück. ,, Ähhmm. Ja, klar. Sorry, ich wollte dich nicht so anstarren. Du kommst mir nur so bekannt vor.’’ Natürlich wollte ich nicht gleich sagen. ‘’Hey, du bist doch der süße Typ aus dem Park’’ und versuchte mich mit der Aussage aus der peinlichen Situation zu retten. ,, Mhm, kann sein, dass wir schon mal begegnet sind. Bist du öfter hier?’’ Er setzte sein wunderschönes Lächeln auf, das sehr anziehend, aber zugleich auch schüchtern wirkte. ,, Ne, bin das erste Mal hier.’’ ,, Gefällt es dir denn?’’, kam zurück. ,, Es ist ganz ok.’’, antwortete ich ihm. Plötzlich zog mich jemand am Arm auf die Tanzfläche. Ich hatte keine Chance mich zu wehren. ,, Tanja was soll das?’’, fragte ich. Während sie mich mitschleifte, warf ich noch einen Blick zu dem Platz, auf dem ich noch vor einer Minute gesessen hatte ,,Bleib locker, hab’ ein bisschen Spaß und tanz mit uns. ‘’  Dank Tanja wusste ich immer noch nicht, mit wem ich mich da gerade unterhalten hatte. Wir hatten nicht einmal die Zeit uns vorzustellen. Während ich tanzte, schaute ich immer wieder in die Richtung des Unbekannten, der unauffällig versuchte mich zu beobachten. Auf einmal spürte ich an meinen Hüften zwei Hände. Mein erster Gedanke war, dass es sich dabei um Tanjas Hände handeln könnte. Schließlich war sie die ganze Zeit neben mir gewesen. Doch die Hände fühlten sich größer und männlicher an. Beim nächsten Beat drehte ich mich und sah in die Augen eines Mannes. Eindringlich musterte er mich. Seine Anwesenheit löste Unbehagen in mir aus. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter und versetzte meinen Körper in eine Art Schockstarre. Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass er der komische Kerl von vorhin war, der mich auffällig beobachtet hatte. Möglichst schnell wollte ich dieser Situation entkommen und drückte seine Hände von mir weg, um ihm mein Desinteresse zu signalisieren. Er dachte jedoch gar nicht daran mich loszulassen und festigte seinen Griff.
,,Nimm die Finger weg!’’, schrie ich ihn an. Meine Worte erreichten ihn scheinbar nicht. Zu laut war die Musik. Auch sonst schien niemand meine brenzlige Situation zu bemerken. Keiner der Partygäste schaute zu uns. Nicht einmal Tanja, die gerade mit irgendeinem Mann eng umschlungen in der Menge tanzte. Mein Anhängsel schob mich mit  aller Kraft aus der Menschenmenge in Richtung der Toiletten. Hilfe suchend blickte ich um mich, blieb mit meiner Angst jedoch alleine. Am liebsten hätte ich laut losgeschrien, doch kein einziges Wort verließ meine Lippen. Stattdessen musste ich mit ansehen, wie ich langsam aber sicher, Richtung Männertoilette geschoben wurde. Mit Händen und Füßen versuchte ich mich zu wehren. All die Kraft nützte mir  jedoch nichts. Eher tat ich mir selber weh, als dass ich ihn verletzen würde. Hilflos war ich der Situation ausgeliefert. Mit aller Gewalt presste er mich gegen die Wand und fing an mich zu küssen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ekel stieg in mir hoch. Am liebsten hätte ich losgeheult. Meine Arme schmerzten, so stark drückte er zu. Innerlich versuchte ich abzuschalten, um das Ganze erträglicher werden zu lassen. Es gab nicht die geringste Chance, zu entkommen. Gerade als er versuchen wollte mit seiner Hand unter meinen Rock zu gehen, zog ihn jemand von mir weg.
,,Alter, nimm deine Drecksfinger von ihr.’’. Ich spürte, wie sein Griff sich löste und er sich umdrehte, um zu schauen, wer ihn gerade störte. Ich war so geschockt, dass ich gar nicht mitbekam, was um mich herum geschah. Mein Herz raste. Schweißperlen tropften von meiner Stirn, dann war alles schwarz.

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