Du Egoist

403 13 0
                                    

Sichtweise Dag

,, Ist ja gut Alter, reg dich ab. Ich konzentriere mich ja schon.’’ , genervt nahm ich das Mikro wieder in die Hand und begann die Strophe nochmal von vorne. ,, Immer wieder das Gleiche mit dir! Wo bist du mit deinen Gedanken, Dag?’’, verständnislos hielt Vince mir wieder mal einer seiner Moralpredigten. ,, Ja ja.’’, nuschelte ich leise vor mich hin. Nach einer halben Stunde hatten wir den Soundcheck endlich beendet und ich chillte mich wieder in den Backstagebereich. ,, Das war klasse Jungs.’’ Mara und Lisa kamen auf uns zugelaufen.
Schockiert sah Vincent die beiden an. ,, Seid ihr taub? Das war der letzte Mist.’’ Er lief zum Kühlschrank und nahm sich eine Cola. ,, Was ist dem denn über die Leber gelaufen?’’, fragte Lisa mich. ,, Ach, der hat seine fünf Minuten. Einfach ignorieren.’’ Schulterzuckend nahmen die Mädels auf dem Sofa Platz und spielten an ihren Handys rum. Heute war es endlich soweit. Die Festivals starteten und wir waren als Headliner auf der Bühne. ,, Habt ihr schon alles gesehen, oder wollt ihr eine Backstageführung alla Dag?’’ Ich ließ mich zu den Weibern aufs Sofa fallen.
,, So was können wir uns doch nicht entgehen lassen.’’, grinste Lisa.
Nur Mara schien von meiner Idee nicht ganz so begeistert. ,, Ich bleibe hier.’’ Sie sah mich nicht einmal an, während sie sprach. Stur fixierte sie ihr Telefon. ,, Dann gehen eben nur wir beide eine Runde.’’ schulterzuckend stand ich auf und führte Lisa durch den VIP Bereich.
,, Gefällt es dir denn bisher?’’, fragte ich schließlich. ,, Ja, richtig cool. Hätte nicht gedacht, dass so viel Arbeit hinter solch einer Show steckt. Überall kommen mir irgendwelche Techniker entgegen und bis die Scheinwerfer für euren Auftritt erstmal richtig eingestellt waren, dauerte es eine halbe Ewigkeit.’’ ,, Das freut mich. Wenigstens eine, der es gefällt.’’ Unwillkürlich blieb Lisa mitten im Gang stehen und verzog das Gesicht.
,, Mensch Dag, rede endlich mit ihr. Deine Laune ist ja kaum auszuhalten. Von alleine wird sich das Problem nicht lösen.’’
,, Versuche ich ja, du Oberschlaumeier. Aber Mara blockt ab und ignoriert mich. Stattdessen bestraft sie mich mit Schweigen.’’ ,, Oh, Mann ihr seid doch zwei erwachsene Menschen, da sollte es doch wohl klappen vernünftig über solch ein Thema zu sprechen. So wie es jetzt ist, geht es auch nicht weiter.’’, verständnislos sah sie mich an. ,, Ja, ich rede nach der Show mal mit ihr.’’ Zwar wusste ich genau, dass die Mühe umsonst sein wird, aber irgendwas musste passieren. Die ganze Sache zog mich so runter, dass ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Als wir unsere Rundtour beendet hatten, saßen alle stillschweigend im Raum. Vincent hantierte auf seinem iPad herum und der restliche Teil der Band zockte irgendein Videogame auf dem LapTop. Ich gesellte mich zu Mara, die sofort den Platz wechselte, als sie mich bemerkte. Meine Güte, warum sind Frauen nur immer so kompliziert? Kurz vor unserem Auftritt bereiteten wir uns wie immer auf die Show vor. Der Adrenalinspiegel stieg und die Nerven lagen blank. Jeder wollte seine Ruhe. Vincent lief unruhig hinter der Bühne auf und ab und ich rauchte noch eine. Dann war es endlich so weit. Alle begaben sich auf Position und die Menge grölte unsere Namen. Nach einer kurzen Umarmung sprangen mein Brudi und ich auf die Bühne und feierten die Leute. 90 Minuten lang rissen wir mit den Festivalbesuchern die Hütte ab. Viel zu schnell war dann alles wieder vorbei und völlig verschwitzt grinsten Vince und ich uns an, als wir die Bühne verließen. ,, Hast du die Leute gesehen, wie sie uns gefeiert haben? Einfach nur geil.’’,  völlig euphorisch umarmte mein bester Kumpel mich. Komischerweise besserte sich seine Laune schlagartig und die kleinen Unstimmigkeiten von heute Mittag waren vergessen. Stefan hatte schon die Tequilagläser gefüllt und reichte uns einen Shot. Es gehörte zu unserem Ritual. Wir kamen in Partylaune und becherten gut einen weg. Im VIP Bereich feierten wir feuchtfröhlich und ließen es uns gutgehen.
,, Hast du Lisa und Mara gesehen?’’ Lallend antworte Vince. ,, Nööö.’’ Er konnte keinen Meter mehr geradeaus laufen.
Bei ihm entfaltete der Alkohol schnell seine Wirkung. Ich war etwas trinkfester, was das angeht.
Von hinten tastete sich eine junge, gut aussehende Dame an Vince heran. Mit ihrem zuckersüßen Lächeln zog sie ihn in ihren Bann. Natürlich sprang der Blödmann voll drauf an und ließ sich den heißen Flirt nicht entgehen. Sachte klopfte ich ihm auf die Schulter. ,, Bis später Dicker.’’ und lief Richtung Tourbus. Von außen hörte ich schon lautes Gegacker. Drinnen erwarteten mich zwei leicht beschwipste Damen, die meinen guten Havana Club in der Hand hielten.
,, Ey, ihr könnt mir doch nicht alles wegtrinken, ihr Saufnudeln.’’ Ich nahm Mara die Flasche ab und schenkte mir selbst einen ein. ,, Ach komm schon Daggi, sei kein Spießer.’’ sie lief auf mich zu und zog an meinem T-Shirt herum. ,, Du bist betrunken. Hör auf. ‘’ Vorsichtig drückte ich sie von mir weg, was sie nicht zu beeindrucken schien. Denn sofort kam sie wieder zu mir und fing an meinen Hals zu küssen. In Höhe des Ohres säuselte sie leise. ,, Du willst es doch auch.’’ und liebkoste weiter meinen Hals mit ihren weichen Lippen. Streng aber leise sagte ich. ,, Mara, lass gut sein. Das Thema hatten wir schon.’’ Meine Worte wurden ignoriert und ihre Hand wanderte unter mein T-Shirt. ,, MARA, es reicht!’’ Langsam verlor ich die Beherrschung.
Abrupt stoppte sie und zog ihre Hand wieder weg. ,, Arschloch!’’ pfefferte sie mir entgegen, nahm ihre Tasche und verschwand in die Nacht.
,, Fuck.’’ schrie ich und raufte mir die Haare.
In mir brodelte solch eine Wut. Ich spürte den Druck und wollte ihn loswerden. Mit aller Kraft versuchte ich gegen die Wand zu schlagen, wurde jedoch unterbrochen, denn plötzlich stieß die Tür von außen auf und Vincent kam knutschend mit einem Mädel rein. Als er mich entdeckte, zwinkerte er mir zu und die beiden verschwanden in seinem Zimmer. Seit wann war er denn wieder auf diesem Trip? Mir predigt er immer, dass sowas nichts bringt und man dadurch den Schmerz nur noch schlimmer macht, aber selber war er kein Stückchen besser. Es war mir aber auch egal, was kümmerten mich seine Probleme? Ich hatte genug mit mir selber zu tun. Gerade als ich erneut zum Schlag ansetzte, knallte Vincents Zimmertür zu und Lisa stand in Top und kurzer Hose, vollbepackt mit Bettzeug vor mir. ,, Ist das zu fassen? Hier kann man nicht einmal in Ruhe schlafen. Völlig ahnungslos liege ich da rum und bin schon fast im Tiefschlaf, als plötzlich jemand aufs Bett springt und lauthals quiekt, wie ein kleines Schweinchen. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich erschrocken habe? Dann öffne ich die Augen und sehe Vincent mit dieser komischen Tuse, wie sie mich völlig verdattert anstarren. Ich kann ja nicht ahnen, dass er noch Weiber abschleppt. Sonst hätte ich mich gleich aufs Sofa gelegt.’’ Ohne mein Gesicht zu verziehen, sah ich Lisa an. Für sie sah es bestimmt ganz schön komisch aus, wie ich so dastand. Immerhin musste ich mitten in der Schlagbewegung stoppen, weil sie mich unterbrochen hatte. ,, Und du? Was veranstaltest du hier? Ich dachte Mara und du genießt eure Zweisamkeit. Ich bin extra ins Bett gegangen, als ich merkte, dass es hitziger wurde. Wo ist sie überhaupt?’’, verwirrt sah Lisa sich im Bus um. ,, Keinen Plan. Abgehauen!.’’, sagte ich stumpf. ,, Oh, nicht gut. Gab es Stress?’’  ,, Ich will da jetzt nicht drüber reden, ok?’’
Ich hatte wirklich keine Lust irgendjemanden Rechenschaft abzulegen. ,, Alles klar. Kann ich auf dem Sofa pennen?’’, fragte Lisa schließlich. ,, Von mir aus.’’ Sie schmiss ihre Decke und das Kissen auf die Ledercouch und legte sich hin. ,, Komm schon, lass uns ein bisschen Spaß haben.’’ plötzlich ging Vincents Tür auf und vor ihm stapfte das junge Mädchen aus dem Zimmer. Anscheinend versuchte er sie gerade zum Sex zu überreden. ,, Fick dich, Vincent. Du hättest auch mal früher sagen können, dass du eine Freundin hast.’’ Sie schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. ,, Sie ist nicht meine Freundin.’’ rechtfertige er sich. ,, Ach nein? Warum lag sie wohl sonst in deinem Bett?’’ Lauthals wurde die Bustür geöffnet und die Unbekannte verschwand. ,, Na toll, der Abend ist versaut.’’ fluchte mein Kumpel vor sich hin. Jetzt drehte er sich zu Lisa, die mit aufgerissen Augen die Szene beobachtete. ,, Das ist alles deine Schuld. Wegen dir ist sie gegangen.’’  Zwar lallte er nicht mehr so stark,wie vor zwei Stunden, doch der Alkoholpegel lag noch deutlich über der Norm.
,, Spinnst du? Du hast selber gesagt, dass ich bei dir übernachten kann. Woher soll ich wissen, dass du heute Abend noch vögeln willst? Dann wäre ich bestimmt woanders hingegangen.’’,  verteidigte sich Lisa. ,, Muss ich jetzt vorher mit der abkaspern, wenn ich mit einer Frau schlafen will? Wo sind wir denn?’’, wütend brüllte er herum. ,, Nein, musst du nicht…’’ schrie Lisa jetzt eben so laut. ,, … dann frag mich doch nächstes Mal erst gar nicht, ob ich mitkommen will. Dann hast du deine Ruhe vor mir.’’  ,, Gute Idee. Ich war von Anfang an dagegen. Was willst du überhaupt hier?’’ Allmählich ging er unter die Gürtellinie und ich schritt ein.
,, Jetzt ist aber mal gut, Alter. Keiner in diesem Raum kann was für deine Probleme, ja? Dafür bist du schon selbst verantwortlich. Wo hätte Lisa denn bitte sonst pennen sollen? Es war abgemacht, dass sie bei dir übernachten darf und Mara bei mir. Wenn du was dagegen hast, hättest du ja mal vorher ein Wörtchen sagen können.’’  ,, Fick dich, Alter. Von dir lasse ich mir gar nichts sagen. Du hättest Lisa doch am liebsten bei dir gehabt, um eine Nummer mit ihr zu schieben. Gib es ruhig zu, Dag. Hättet ja gleich einen Dreier machen können. Davon träumst du doch immer, oder nicht? Apropos, wo ist Mara überhaupt? Ist sie mal wieder abgehauen, wie sonst auch immer? Bist du deswegen so angepisst Brudi?’’ Ich hasste sein widerliches Lachen. Vor allem, wenn er einen im Tee hatte.
,, Ok Jungs, ich weiß nicht, was gerade euer Problem ist? Aber ich verziehe mich.’’ Lisa wendete sich von uns ab. ,, Genau, geh ruhig! Dich vermisst eh keiner. Meinetwegen kannst du auch auf der Stelle tot umfallen, dann muss ich deine Visage wenigstens nicht mehr sehen.’’, gröllte Vincent ihr hinterher. Traurig öffnete Lisa die Tür und schon nach ein paar Minuten kam sie angezogen und mit Koffer in der Hand wieder raus. ,, Wo willst du hin?’’, fragte ich sie.
,, Nach Hause.’’ kam als Antwort. In ihren Augen bildeten sich Tränen. Ich wusste genau, dass Vincents Worte sie getroffen hatten. Er hatte den Bogen weit überspannt. ,, Warte, du kannst doch nicht....’’ , ich griff nach ihrem Arm, doch sie löste sich sofort wieder und lief zur Tür hinaus.
,, Tickst du noch ganz sauber? Was war das denn bitte für eine Aktion?’’, wütend drehte ich mich zu Vincent, der auf der Couch einen Drink zu sich nahm. Sein Anblick machte mich innerlich so rasend, dass ich ihm das Glas aus der Hand schlug. ,, Heyyyyy.’’ , brüllte er. ,, Manchmal bist du so ein egozentrisches Arschloch Vince, du denkst immer nur an dich und interessierst dich kein Stückchen dafür, wie es anderen geht.’’, warf ich ihm vor. ,, Kann ja nicht jeder so ein gefühlvoller Weiberheld sein, wie du es bist.’’, sagte er. ,, Alter, was ist eigentlich dein Problem? Ich kann auch nichts für die Geschichte mit Franzi. Ich verstehe ja, dass du gekränkt bist, aber hör endlich auf, die Menschen, die dich gerne haben zu verletzen. Wir können nichts für dein angeknackstes Ego.’’ Nach den Worten ließ ich ihn alleine im Raum sitzen und verkrümelte mich in mein Zimmer. Ich wollte einfach nur pennen. 

Leben ist VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt