Videodreh

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Sicht Lisa

Panisch stand ich vor meinem Kleiderschrank und schmiss alles, was ich finden konnte aufs Bett. An jedem Kleidungsstück gab es etwas auszusetzen. Mal passte mir die Farbe nicht, mal war es der Schnitt. Pustend ließ ich mich auf die Bettkante plumpsen und zerbrach mir den Kopf darüber, was ich anziehen sollte. Heute war der Tag des Videodrehs und ich wollte unbedingt schick aussehen. ‘’Ding Dong’’, ertönte meine Türklingel. Scheiße, war es schon so spät? Vincent und Dag wollten mich abholen, um gemeinsam zur Location zu fahren. ,, Bist du noch nicht fertig?’’ Mit aufgerissen Augen sah Dag mich an. ,, Ich habe nichts zum Anziehen.’’ sagte ich entschuldigend. ,, Das glaube ich nicht. Zeig mal her!’’ Geradewegs liefen sie in mein Schlafzimmer und sahen das Chaos, das ich veranstaltet hatte und fingen gleich an, in dem Kleiderhaufen zu wühlen. Beide hielten unterschiedliche Teile in die Luft. ,, Hier, probier das mal.’’ sagten sie fast im Chor. ,, Ja, was denn nun? Das oder das?’’ Ich zeigte zuerst auf die Sachen, die Vincent in der Hand hielt und dann auf die von Dag. ,, Probier beides aus und wir entscheiden dann.’’ sagte Vincent. Ich nahm ihnen alles ab und scheuchte sie aus dem Zimmer, um mich umziehen. ,, Und?’’ unsicher öffnete ich die Tür. ,, Wow, das sieht verdammt gut aus.’’ staunten beide nicht schlecht. ,, Zeig mal das andere. Nur so zum Vergleich.’’, sagte Vincent. Also schloss ich wieder die Tür hinter mir und zog mich erneut um. Als ich fertig war, waren die Herren einer Meinung. ,, Das sieht auch sehr hübsch aus. Aber das Erste gefiel mir besser.’’ entgegnete Dag und Vincent nickte zustimmend. Schnell wechselte ich das Outfit und wir konnten los. ,, Wohin fahren wir?’’ , neugierig fragte ich nach dem Weg und streckte meinen Kopf zwischen den Autositzen hervor. Ohne den Blick von der Straße zu richten, antwortete Vincent.
,, Lass dich überraschen.’’ Och menno, ich hasste Überraschungen. Viel Zeit zum Trübsalblasen blieb mir jedoch nicht, denn von hinten kam ein lautes Bellen zum Vorschein. Gezwungenermaßen musste Rufus mit, da Frau Gruber noch immer im Krankenhaus lag. Der Kleine mochte anscheinend nicht so gerne Auto fahren, denn er lag wie ein kleines Häufchen, zusammengekauert in seiner Transportbox. ,, Hey, ist schon gut. Wir sind bald da.’’, sprach ich beruhigend auf ihn ein. Er hingegen dachte gar nicht daran mit dem Bellen aufzuhören.
,, Alles klar da hinten?’’ fragte Dag, der auf dem Beifahrersitz saß. ,, Ja ja, alles supi.’’ log ich.
Innerlich hoffte ich, Rufus würde endlich still sein. Dieser Wunsch sollte wohl nicht in Erfüllung gehen, denn nun blaffte er, so laut er nur konnte. Ich schnallte mich ab und griff über die Armlehne, um die Transportbox zu öffnen. Auf Knien saß ich auf der Rückbank und versuchte den kleinen Störenfried aus der Box zu bekommen. Ich setzte Rufus auf meinen Schoß und schnallte mich wieder an. Komischerweise war nun Funkstille. Was für ein Schelm. Dag drehte sich zu uns und streichelte Rufus unterm Bauch. Voller Freude wedelte dieser mit dem Schwanz. ,, Das gefällt dir, was?’’, lachte Dag, hob den Hund hoch und setzte ihn zu sich nach vorne auf die Beine. Dort bekam Rufus noch weitere Streicheleinheiten, bis wir schließlich am Ziel ankamen. Wir befanden uns mitten in einem Industriegebiet und vor uns erstreckte sich eine riesige Lagerhalle. ,, Voilà, unser Drehort für den heutigen Tag.’’, zufrieden sah Vincent uns an. ,, Dann wollen wir mal starten.’’ Wir stiegen aus dem Wagen und Dag nahm Rufus auf den Arm. Drinnen erwarteten uns schon die Visagisten. ,, Da seid ihr ja endlich.’’, hektisch wurden wir in Empfang genommen. Eine junge Dame zeigte uns den Weg und wir nahmen auf den Stühlen platz. Selbst die beiden Jungs bekamen etwas Puder um die Nase. Bei mir wurde das volle Programm mit Make-up und Styling durchgezogen. Gespannt betrachtete ich das Ergebnis und traute meinen Augen nicht. Mein schulterlanges Haar war leicht nach hinten gesteckt und meine grünen Augen wurden durch den Lidschatten in Szene gesetzt. Ich erkannte mich selbst kaum. Das Ergebnis konnte sich aber blicken lassen. Anfangs war es etwas ungewohnt, da ich sonst kaum Make-up trug, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Aufgeregt betrat ich einen der Aufnahmeräume und schaute den Technikern bei ihrer Arbeit zu. Von weitem erkannte ich auch Vincent und Dag, die sich mit einem Mann unterhielten. Geradewegs steuerte ich auf die Drei zu. Sie bemerkten mich und mussten zweimal hinsehen.
,, Lisa?’’ Vince kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. ,, Mensch Dicker, mach den Mund zu.’’ lachte sein bester Kumpel. ,, Sehe ich scheiße aus?’’ Irgendwie verunsicherte mich die Reaktion. ,, Das sieht hammermäßig aus. Ich habe dich im ersten Moment gar nicht erkannt.’’ lobte Vincent mich. Beschämt schaute ich zur Seite und sagte ,, Danke.''
,, So, dann alle Mann auf ihre Plätze. Wir legen los.’’ Von der Seite gab der Regisseur  Anweisungen und wir begaben uns auf unsere Position. Während des Stylings wurde mir genauestens erklärt, wo ich stehen muss und was ich zu tun habe. Nervös stand ich da und hoffte, dass das hier schnell vorüberging.’’ Etwa zwanzigmal wurde die Szene aufgenommen, bis der Regisseur zufrieden war. Erleichtert lief ich Richtung Getränkestand und schaute dabei zu, wie die anderen die restlichen Videosequenzen aufnahmen. Zwischendurch ging ich ein paar Runden mit Rufus um das Gebäude, damit er sein Geschäft erledigen konnte. Von weitem sah ich ein Mädchen am Zaun stehen. Neugierig lief ich in ihre Richtung. Doch kurz bevor ich sie erreichte, machte sie kehrt und verschwand. Komisch, irgendwie hatte ich das Gefühl, sie schon mal gesehen zu haben.

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