Alte Bekannte und Zukunftspläne

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Sichtweise Vincent

Immer wieder sah ich zu beiden rüber, doch Lisa ignorierte mich. Nicht mal ein kurzer Blick. Gar nichts. Appetit hatte ich auch nicht wirklich. Während die anderen am Buffet standen, um sich ihr Frühstück zu holen, schaute ich vorsichtig nach links und dann nach rechts. Keiner zu sehen. Ich zog die Pillenverpackung aus meiner Hosentasche. Als Dag auf mich gelaufen kam, ließ ich die Verpackung schnell wieder in der Hose verschwinden. ,, Willst du gar nichts essen?'', fragte er mich. ,, Hab keinen Hunger.'', antwortete ich ihm. ,, Gib ihr etwas Zeit. Das wird schon wieder.'', Dag deutete in Lisas Richtung. ,, Deinen Optimismus hätte ich auch gerne.'', sagte ich bedrückt. Lange haben Dag und ich uns heute Morgen über die Sache mit Amerika unterhalten. Es war nicht ok von mir, es ihm zu verheimlichen. Dafür habe ich mich auch tausendmal entschuldigt. Ich weiß, dass er immer noch sauer ist. Trotzdem redet er wenigstens mit mir. Letzte Nacht habe ich kein Auge zugemacht. Ständig schwirrten irgendwelche Gedanken durch meinen Kopf. Kurz nachdem alle mit dem Essen fertig waren, gingen wir zurück zum Tourbus und machten uns ein paar Mischungen fertig, bevor wir das Festivalgelände betraten. Die ersten Bands standen schon auf der Bühne. Mit Sonnenbrille und Klappstühlen im Schlepptau mischten wir uns unters Volk. Ich beschloss meine Probleme vorerst zu vergessen und die geile Stimmung zu genießen. Dag und ich alberten herum, genau wie früher. ,, Prost.'' EF gab uns einen Kurzen. Er freute sich auch endlich mal mitfeiern zu dürfen. Denn sonst ist er immer derjenige, der einen klaren Kopf bewahren muss, um dafür zu sorgen, dass alles nach Plan verläuft. Draußen wurde es immer heißer, die Kleidung der Frauen immer kürzer und wir immer voller. Ein paar nette Jungs gesellten sich zu uns und wir feierten gemeinsam. ,, Komm, lass mal zu den Zeltplätzen.'', schlug ich Dag vor. Dort finden meistens die geilsten Partys statt. Es dauerte auch nicht lange und die ersten Fans wurden auf uns aufmerksam. Wir machten Fotos und gaben Autogramme.                    ,, Vincent?'', ich drehte mich um und sah niemand geringen als Franzi. ,, Heyy.'', begrüßte ich sie freundlich. ,, Gar nicht auf der Bühne?'', lachte sie. ,, Ne, wir spielen erst in drei Tagen.'', antwortete ich. Es war ein komisches Gefühl sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Sie hatte sich kaum verändert. Außer, dass ihre Haare ein kleines bisschen kürzer sind, als damals. Wir unterhielten uns noch eine Zeit lang, dann liefen Dag und ich weiter. ,, Was war das denn eben?'', Dag schaute mich skeptisch an. ,, Seit wann redest du denn wieder mit ihr?'' ,, Warum sollte ich nicht mit ihr reden? '', stellte ich als Gegenfrage. ,, Hast du schon vergessen, was damals passiert ist?'', fragte Dag. ,, Nein, habe ich nicht. Trotzdem darf man sich doch wohl unterhalten. Es ist fast drei Jahre her. Ich bin über die Sache hinweg.'' Dag spuckte mir vor Lachen Jim Beam Cola ins Gesicht. ,, Du bist echt witzig, Vince.'', er klopfte mir auf die Schulter. Mit meinem Ärmel trocknete ich mein Gesicht. ,, Du musst mir ja nicht glauben.'', fauchte ich ihn an. ,, Tue ich auch nicht.'', antwortete er lässig. ,, Wollen wir was essen? Ich habe Hunger.'' Tatsächlich rebellierte mein Magen ein wenig. Um saufen zu können, braucht man halt eine gute Nahrungsgrundlage. An der nächsten Pommesbude machten wir Halt und bestellten uns Currywurst mit Pommes. Danach schlenderten wir gemütlich zu den anderen zurück, die immer noch am selben Fleck saßen. Entspannt ließ ich mich in den Stuhl plumpsen. ,, Da seid ihr ja.'' Ich drehte mich um und sah Lisa und Miriam auf uns zu laufen. Ich staunte nicht schlecht, als ich bemerkte, wie sexy Lisa gekleidet war. Sie trug eine Hotpants und ein T-Shirt. Dazu weiße Chucks. ,, Du bist ja mutig. Weiße Schuhe auf einem Festival.'', lachte Dag. ,, Es gibt ja Waschmaschinen.'', grinste Lisa und riss Dag seine Mische aus der Hand, um einen Schluck zu nehmen. Angeekelt verzog sie ihr Gesicht. ,, Bähh. Das schmeckt ja......'' ,, .....Lecker.'', sagte Dag und nahm den Becher wieder an sich. ,, Und, wie war eure Schicht?'', fragte EF. ,, Super.'', stolz präsentierten die beiden ihre Autogramme, die sie ergattern konnten. ,, Bin mal kurz für kleine Mädchen.'', sagte Miriam und lief Richtung Toiletten. ,, Setz dich zu uns.'', forderte Dag Lisa auf. ,, Witzbold. Es sind alle Stühle besetzt.'', lachte sie. Mit einem Ruck zog Dag Lisa auf seinen Schoß und beide kippten hinten rüber. Vor Lachen krümmend lagen sie auf dem Rasen. ,, Dein Gleichgewichtssinn gleicht dem, einer besoffenen Taube.'' , grölte Dag. ,, Gar nicht wahr.'', verteidigte Lisa sich. Sie setzte sich auf und Dag nahm wieder in seinem Stuhl Platz. ,, Komm, zweiter Versuch. Dieses Mal aber vielleicht nicht so stürmisch.'', sagte er. Vorsichtig setzte sie sich und dieses Mal klappte es tatsächlich. Langsam kam Miriam angelaufen. ,, Ey, die Toiletten sind echt eine Zumutung.'', angeekelt rieb sie sich über die Arme. ,, Hier, ich habe Desinfektionsmittel dabei.'' Lisa reichte ihr eine Flasche und Miriam verteilte es gefühlt auf ihrem gesamten Körper. ,, Setz dich, ich habe den Platz extra für dich warm gehalten.'', Lisa stand auf und signalisierte Miriam sich auf Dags Schoß zu setzen. Zögernd nahm sie Platz und Dag schien es zu gefallen. Aber anstatt, dass Lisa nun zu mir kommt, setzte sie sich lieber auf den Boden. Gut, dann eben nicht. Ich trank noch einen Schluck und lehnte mich dann zurück. Kurze Zeit später kam Lisa dann doch angekrochen. Sie setzte sich vorwärts auf meine Beine und schob meine Sonnenbrille nach oben. Angestrengt kniff ich die Augen zusammen. ,, Frieden?'', fragte sie schmollend und ich musste lächeln. Ihr war es scheinbar egal, dass alle zuhörten, denn sie sprach einfach weiter. ,, Wenn du gerne nach Amerika willst, dann halte ich dich nicht auf. Wir schaffen das schon irgendwie. Es wird bestimmt nicht leicht, aber ich werde es überleben.'' ,, Weißt du eigentlich, dass du die wundervollste Frau der Welt bist?'', sagte ich glücklich und küsste sie. Lisa drehte mir den Rücken zu und ich legte meine Arme um ihre Taille. ,, Was hältst du von ein bisschen Zeit zu zweit?'', flüsterte ich ihr ins Ohr. Damit es nicht zu auffällig ist, blieben wir noch eine Zeit lang sitzen, bis Lisa schließlich sagte. ,, Ich hole mir was zu trinken.'' ,, Ich komme mit. Braucht sonst noch jemand was?'', fragte ich. ,, Ja, bringt mal Bier mit.'', sagte Dag. Lisa und ich liefen zum Tourbus. Die Tür war noch gar nicht ganz auf, da fielen wir schon übereinander her. Versöhnungssex ist eben doch der Beste.

Sichtweise Lisa

Völligverschwitzt saßen wir auf der kleinen Couch. ,, Ich glaube, wir müssen langsamwieder. Die anderen warten bestimmt schon.'', lachte ich. ,, Meinst du? Es istdoch gerade so gemütlich.'', sanft strich Vincent über meine Wange. ,, Wäre esfür dich wirklich in Ordnung, wenn ich nach Amerika gehe?'', fragte erplötzlich. ,, Ich möchte dir bei deinen Zukunftsplänen nicht im Weg stehen.Wenn es für dich das Richtige ist, mach es. Ich werde auf dich warten. Außer dulernst eine andere kennen.'' ,witzelte ich. ,, Du bist die einzige Frau, dieich liebe. Ich möchte keine andere an meiner Seite haben.'' Ich bekam einenKuss auf die Stirn. Vincents Miene wirkte nachdenklich. ,, Passt du mir gut aufDag auf? Ich habe die Befürchtung, dass ihm die Nachricht ganz schön den Bodenunter den Füßen wegreißen wird.'', ,,Dag und ich schaffen das schon. Es sind ja nur drei Monate. Außerdem gibt esInternet und Telefon. Dann nerven wir dich halt auf dem Wege.'' Ich stupstemeine Nase gegen seine. ,, Ihr könnt euch zu jeder Tages- und Nachtzeitmelden.'', sprach er weiter. ,, Wann geht es denn eigentlich los?'', wollte ichwissen. ,, Wenn dann in zwei Monaten. Wir haben noch ein paar Festivalauftritteund danach würde ich fahren.'' ,, Oh man, zwei Monate nur noch?'' Die Tatsache,dass der Termin so nahe zu sein schien, machte mich doch etwas traurig. ,, Ichverspreche dir, wir werden die Zeit bis dahin voll ausnutzen.'' Vincentversuchte mir meine Bedenken zu nehmen. Irgendwie fand ich süß, trotzdem ändertes nichts daran, dass wir drei Monate voneinander getrennt sein werden. Was,wenn er jemand Neues in Amerika kennenlernt? Oder noch viel schlimmer dort aufCharlie trifft? Ich meine, so unwahrscheinlich ist das gar nicht, wenn siewirklich vorhat ein Auslandssemester zu machen. Immerhin haben die beiden dieReise ursprünglich zusammen geplant.

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