Unerwartetes Wiedersehen

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Sicht Lisa

Das war ja ein komischer Abgang. Wie vom Blitz getroffen, verschwanden die beiden in Richtung Hauptstraße. ,, Hey, du hast dich doch gerade mit Dag und Vincent unterhalten, oder?’’ aufgeregt standen plötzlich zwei Mädchen, ich denke so im Alter zwischen 16 und 18, vor mir.
,, Ähm, ja. Wieso?’’ Kreischend drehten sie sich zueinander und hüpften freudig in die Luft
,, Sie waren es wirklich. Oh mein Gott! Wo sind sie hingelaufen?’’ , fragte die Brünette.
,, Tut mir leid, das weiß ich nicht.’’ , gab ich zu. Ihre Gesichter sahen enttäuscht aus.
,, Achso. Ok. Trotzdem danke.’’ Und noch während sie das sagten, verschwanden die beiden auch schon wieder. Jetzt war ich noch verwirrter als vorher. Ich schob es einfach mal auf die
K.O Tropfen, die ich gestern anscheinend, unwissentlich, zu mir genommen hatte und ging rein. Völlig fertig ließ ich mich auf der Couch nieder. Eigentlich wollte ich duschen, doch ich war so müde und kaputt, dass ich einfach einschlief. Erst am nächsten Morgen wurde ich wieder wach und stellte bei einem Blick auf meine Handyuhr fest, dass es sieben Uhr war. Was sollte ich denn so früh am Morgen schon machen? Genervt drehte ich mich nochmal zur Seite und grübelte. Einfach wieder die Augen schließen und weiterschlafen? Nein, das kam nicht infrage, da ich mindestens 14 Stunden geschlafen hatte und putzmunter war. Also raffte ich mich auf, ging ins Bad, um mich frisch zu machen und zog meine Sportkleidung an. Während ich lautstark Linkin Park hörte, rannte ich so schnell ich konnte. Das Schöne am Joggen war, dass man sich dabei völlig auspowern konnte. Nach den letzten Tagen genau das Richtige. Ich merkte, wie mein Atem immer schneller wurde, es spornte mich weiter an. Auch wenn meine Muskeln schmerzten, dachte ich keine einzige Sekunde ans Aufgeben, gab nochmal alles und blieb schließlich keuchend an der Spree stehen. Durch tiefe Atemzüge versuchte ich meinen Pulsschlag runterzufahren. Dabei lächelte ich zufrieden. Mein heutiges Ziel hatte ich definitiv erreicht. Somit beschloss ich, den Rückweg in einem gemütlichen Tempo anzutreten und nutzte die Zeit, um mir die Umgebung anzusehen. Heute waren viele Leute unterwegs, die den Morgen für ihre sportlichen Aktivitäten nutzen, obwohl es draußen noch kühl war. Nach einiger Zeit lief ich an einem Bäcker vorbei und holte mir ein paar frisch gebackene Brötchen zum Frühstück. ,, Das macht 1,20 Euro.’’ Freundlich lächelte die Dame hinter dem Tresen mich an. Ich zückte mein Portemonnaie und bezahlte, dabei fiel mir Kleingeld herunter. Gerade als ich mich nach unten beugte, kam mir eine fremde Hand zuvor. ,, Hier, das haben Sie …. ‘’ Fast gleichzeitig neigten wir die Köpfe nach oben und ich sah in ein bekanntes Gesicht. ,, Dag?’’  
,,Lisa! Hey, das ist ja ein Zufall! Lass dich drücken.’’ Freudestrahlend wurde ich umarmt. Es interessierte ihn kein bisschen, dass die Schlange hinter uns immer länger wurde und die Leute ungeduldig darauf warteten, dass Dag endlich bestellte,damit sie an der Reihe waren. ,, Wie geht es dir?’’, wollte er wissen. ,, Entschuldigung, aber könnten Sie ihr Gespräch auf später verschieben und endlich bestellen?’’ genervt wurden wir von hinten angeschaut.
,,Natürlich, entschuldigen Sie bitte.’’ Schnell orderte Dag seinen Wunsch und wir verließen die Bäckerei. ,, Warst du joggen?’’ ,, Ja, du anscheinend auch.’’ lachte ich. Denn Dag war genau wie ich, völlig verschwitzt und trug eine Jogginghose mit einem Hoodie. ,, Nicht ganz. Ich habe Parkour gemacht.’’ sagte er stolz. ,, Parkour? Ist das dieses, wo man an Wänden hochklettert und so?’’ Zwar hatte ich schon mal was davon gehört, aber was genau man dort machte, wusste ich nicht. ,, Wenn du magst, dann zeige ich dir gerne ein paar Videoaufnahmen von unserem Training? Ich leite nebenbei noch eine Parkourgruppe und ab und an macht Vincent Videos von uns.’’ ,, Ja, warum eigentlich nicht?’’ Nun hatte Dag mich neugierig gemacht.
,, Magst du zum Frühstück mitkommen?’’, fragte er. ,, Gerne.’’ Auf dem Weg zu seiner Wohnung unterhielten wir uns über alles mögliche. Im Gegensatz zu Vincent, wohnte Dag in einem anderen Viertel Berlins. Vor uns erstreckte sich ein Hochbau mit mindestens zehn Stockwerken. Fasziniert schaute ich nach oben. Gerade wurde mir bewusst, wie froh ich sein konnte, an einem ruhigen Ort zu wohnen. Dag schien meinen Blick zu bemerken. ,, Ich weiß, nicht so die schönste Gegend, aber bald steht ein Tapetenwechsel an.’’
,, Nein, so war das nicht gemeint.’’, sagte ich schnell. ,, Ich denke nur gerade darüber nach, wieviel Glück ich hatte, eine Wohnung in so schöner Lage bekommen zu haben. Was jetzt nicht heißen soll, dass diese Gegend schlecht ist. Ich hoffe, du verstehst, wie ich das meine?’’
,, Klar, alles gut. Mache dir keine Gedanken.’’ Dag schloss die Eingangstür auf und wir liefen hoch in den dritten Stock. Dort öffnete er seine Wohnungstür und gleich bei Betreten der Wohnung, fühlte ich mich wohl. Es war irgendwie gemütlich. Zwar nicht groß, aber für einen Mann sehr aufgeräumt und stilvoll eingerichtet. ,, Wow, deine Wohnung ist echt schön!’’, begeistert ließ ich meinen Blick umherschweifen. Skeptisch wurde ich von ihm gemustert.
,, Wirklich?’’ ,, Ja, wirklich.’’ beruhigte ich ihn. ,, Aber sie ist nicht so modern, wie die von Vincent und auch nicht so aufgeräumt.’’, fügte er noch hinzu. Klar konnte man das hier nicht mit Vincents Wohnung vergleichen, in der ich gestern aufgewacht bin, allerdings hatten beide Wohnungen ihren eigenen Charme und waren somit auf andere Art und Weise schön. Wohl fühlte ich mich auf jeden Fall an beiden Orten. ,, Nimm ruhig schon Platz. Tee oder Kaffee?’’
,, Hast du Früchtetee da?’’ fragte ich.
,, Such dir eine Sorte aus.’’ Dag öffnete eine Schublade und zog eine riesige Holzkiste heraus, in der sich bestimmt zehn verschiedene Teesorten befanden. Solch eine Auswahl besaß nicht einmal ich, obwohl Tee zu meinem Lieblingsgetränk zählte. ,, Erbeer-Sahne klingt lecker.’’ sagte ich schließlich. ,, Gute Wahl, der gefällt mir auch am besten.’’ Dag stellte den Wasserkocher an und füllte das noch sprudelnde Wasser in zwei bunte Tassen.  ,, Und hier möchtest du wirklich weg? Ich meine, von außen ist es natürlich nicht der schönste Ort, aber hier drinnen sieht es doch total gemütlich aus.’’ durchlöcherte ich ihn mit Fragen. Er holte zwei Brotbretter aus dem Schrank und stellte sie zusammen mit den Tassen auf den Tisch. ,, Ich fühle mich hier auch nicht unwohl, aber bestimmte Umstände haben dafür gesorgt, dass ich leider umziehen muss.’’  Was sollte ich denn mit solch einer Antwort anfangen? Bestimmte Umstände? Das konnte nun wirklich alles bedeuten. ,, Achso. Weißt du denn schon, wo es hingehen soll?’’ fragte ich neugierig. ,, Ja, ich ziehe zu Vince. Ich wohne dann ein Stockwerk unter ihm. Da ist eine Wohnung frei geworden.’’
Ah ha. Ich kannte die beiden zwar erst seit 24 Stunden, aber es war nicht schwer zu erkennen, dass sie scheinbar sehr viel Zeit miteinander verbrachten. Mir brannte eine Frage auf der Zunge, doch ich traute mich nicht, sie zu stellen. Also ließ ich es vorerst bleiben. Stattdessen nahm ich mir ein Brötchen aus der Tüte und belegte es mit Käse. Dag nahm sich die Salami und biss genüsslich in die Brötchenhälfte. Nach dem Frühstück bot er mir an, seine Dusche zu benutzen. Immerhin kamen wir gerade vom Sport und waren komplett durchgeschwitzt. Zuerst zögerte ich, stimmte dann allerdings doch zu und schlüpfte danach in eine Jogginghose und ein T-Shirt von ihm. Seine Sachen waren definitiv kleiner, als die von Vincent, aber ich passte trotzdem rein. Während er duschte, nahm ich auf dem Sofa Platz, blieb jedoch nicht lange sitzen, weil meine Neugierde geweckt wurde und ich mich um Raum umsah. An den Wänden hingen viele Bilder, die Dag mit Vincent und scheinbar seinen Freunden zeigten. Es waren auch sehr viele Frauen auf den Bildern zu sehen, was meinen Eindruck von gestern bestätigte, dass die beiden keine unbeschriebenen Blätter zu sein schien. Mein Blick blieb auf einem Zettel auf dem Couchtisch hängen. Bei dem Schriftstück musste es sich  um einen Songtext oder ein Gedicht handeln. Aufmerksam las ich es mir durch und war überrascht, wie gut Dag schreiben konnte. ,, Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?’’ lachte Dag, als er aus dem Badezimmer gestiefelt kam. Seine Haare waren noch nass und er trug ein kurzes Muskelshirt mit einer Jogginghose. ,,  Tut mir leid.’’, stotterte ich. ,, Es lag so offen rum und da dachte ich….’’ ,, Schon okay. Ist nichts Besonderes.’’ beruhigte er mich.
,, Ist das ein Songtext? Wenn ja, der Text klingt echt schön. Aber auch ein bisschen traurig.’’
Ich erntete verwirrte Blicke. ,, Wieso traurig?’’ Dag nahm neben mir auf der Couch Platz und ich zeigte ihm die Passagen, die ich meinte. ,, Also es steht hier nicht direkt, aber wenn ich zwischen den Zeilen lese, dann ist es eigentlich sehr traurig und nicht mehr lustig.’’  Verträumt grinste Dag. Fast so, als schwelge er in Erinnerungen. ,, Ist das nun ein Songtext?’’, fragte ich nochmal nach. Mit der Frage holte ich ihn aus seinen Gedanken. ,,Ja. Ich spiele auch Gitarre.’’, grinste er. ,, Du spielst Gitarre? Wie cool ist das denn?.’’ Aus dem Staunen kam ich gar nicht mehr heraus. Dag sprang derweil vom Sofa auf und kam mit einer alten, hölzernen Gitarre wieder. Nachdem er sie gestimmt hatte, legte er los. Schon bei den ersten Tönen bekam ich Gänsehaut und dann fing er an zu singen. Wow, seine Stimme war sehr tief, klang aber wahnsinnig schön. Ich genoss es, ihm zuzuhören. Leise ließ er den Song ausklingen und schaute mich erwartungsvoll an. ,,Ich weiß nicht, was ich sagen soll?  Es war wunderschön’’  Dag lachte kurz auf. ,, Das sagen die Frauen sonst nur, wenn sie mit mir in der Kiste waren.’’ Auch ich musste nun lachen und schüttelte nur meinen Kopf. Typisch Mann.
,, Möchtest du noch was hören?’’ Wie ein kleines Kind wurde ich mit großen Kulleraugen von der Seite angeschaut. Anscheinend war Dag gerade völlig in seinem Element. So wie er mich ansah, konnte ich einfach nicht nein sagen. Wieder setzte er seine Finger an die Gitarrensaiten und legte los. Dieses Mal spielte er ein ruhiges Lied. ,, Wir machen Candle Light Döner mit Bier aus der Dose…..und ich denke ich sitz im Ritz…..ich mag die Nudeln mit Ketchup als Soße…..’’ Mitten im Lied stoppte er, weil es an der Tür klingelte. ,, Bin gleich wieder da.’’ ,, Ich habe eine richtig krasse Idee……. Das musst du dir anhören…..Das wird der Knaller… Das würde perfekt als Intro passen.’’ Jemand betrat völlig aufgeregt den Raum und lief geradewegs in die Küche. Der Jemand war niemand geringeres als Vincent, der mit seiner Brötchentüte herumfuchtelte und sie auf den Küchentisch schmiss. Dag kam gar nicht zu Wort. Amüsiert beobachtete ich das Spektakel. ,, Oh, du hast schon gefrühstückt? Dabei bin ich doch extra früh aufgestanden.’’, enttäuscht sah er die Brotbretter in der Spüle. ,, Moment, das sind ja zwei. Hast du etwa?...... Mensch Dicker, wen hast du denn jetzt schon wieder flachgelegt? Ich dachte, das Thema hatten wir schon.... Du weißt doch, dass das nichts bringt und dich auch nicht ablenkt.’’ Vincent hörte sich an, als sei er Dags Mutter. Bei dem Schauspiel konnte ich nicht anders und fing lauthals an zu lachen. Erschrocken drehte Vincent sich um. ,, Oh, du?’’ Verwirrt blickte er zu mir rüber und sah Dag böse an. ,,Nicht dein Ernst Alter! Habt ihr…..?’’
,, Nein Mutter Theresa, haben wir nicht.’’ grinste ich ihn an. ,, Wir haben uns zufällig beim Joggen getroffen.’’ sprach ich weiter. Skeptisch sah Vincent erst zu mir und dann zu Dag, der ganz still wurde und keinen Ton von sich gab. ,, Und warum hast du dann Dags Sachen an?’’ Den Blick, den Vince mir zuwarf, konnte ich nicht deuten. ,, Weil er mir angeboten hatte bei ihm zu duschen und ich keine frischen Sachen dabei hatte.’’, antwortete ich schließlich. Wirklich überzeugt hatte ich Vincent mit der Aussage allerdings nicht. Denn noch immer sah er mich komisch an.
,, Ich frühstücke gerne ein zweites Mal mit dir.’’ holte Dag seinen Kumpel aus dem Trancezustand. ,, Du weißt doch, ich habe immer Hunger.’’ er boxte Vince leicht gegen die Schulter und deckte erneut den Küchentisch. Ich gesellte mich zu den beiden. Zwar war ich satt, trank aber noch einen Tee mit. Ständig blickte Vince zwischen Dag und mir hin und her. Ihm schien irgendwas auf der Zunge zu liegen, aber so recht wollte er nicht mit der Sprache rausrücken. Mir wurde es irgendwie zu bunt, also ergriff ich das Wort. ,, Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst sehr angespannt.’’  ,, Ja ja, alles super.’’ Vincent schaufelte genüsslich sein Nutellabrötchen in den Mund. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Nach alles ‘’OK’’ sah es nicht aus. Nervös rutschte Vince auf seinem Stuhl hin und her. ,, Alter, ich halte es nicht mehr aus. Dag, ich muss dir das Intro JETZT sofort zeigen. Ich habe die halbe Nacht daran gearbeitet.’’ Wie ein kleines Kind, strotzte Vince nur so vor Aufregung. Er konnte es kaum erwarten, sein Werk zu präsentieren und kramte wild in seiner Tasche herum. Ich hingegen kapierte gar nichts mehr. Worum ging hier? Intro? Was bitteschön meinte er damit? ,, Ich möchte ja nicht neugierig sein und es geht mich auch nichts an, aber was meinst du mit Intro? ‘’  ,, Ach komm Dag, ich weiß wir wollten es ihr nicht sagen, aber ewig können wir es nicht geheim halten. Früher oder später bekommt sie es sowieso raus. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen.’’ Schön zu wissen, dass Vincent mich nicht für völlig dumm hielt. So wie er sprach, musste es sich ja um was ganz Besonderes handeln.
,, Na gut, Alter. Dann erzähl’ es ihr halt.’’  Vincent drehte sich zu mir und ratterte die Wörter in einer Tour runter. Mit größter Mühe versuchte ich ihm zu folgen und verstand sowas wie ,, Wir haben eine eigene Band… SDP… Werkeln an einem neuen Album..’’
,, Verstehe ich das nun richtig? Ihr seid zwei bekannte Sänger und nennt euch SDP? Warum habe ich noch nie was von euch gehört, wenn ihr so bekannt seid?’’, misstrauisch blickte ich die beiden an. Für mich klang das Ganze eher nach einer erfundenen Geschichte, die Vincent sich ausgedacht hatte, um nicht mit der Wahrheit herausrücken zu müssen. ,, Hier, wenn du uns nicht glaubst.’’ Als wäre es selbstverständlich, drückte er mir sein Handy in die Hand und ließ ein Video auf Youtube abspielen. Tatsächlich waren die Jungs darin zu sehen und bei genauerem Hinhören, merkte ich, dass mir das Lied bekannt vorkam. ,, Das ward ihr?’’ ungläubig schaute ich die beiden an. ,, Jap.’’ antwortete Dag knapp. Nun wurde mir einiges klar. Die kreischenden Mädchen gestern. Dags Songtext. Plötzlich ergab alles einen Sinn. ,, Ich .. ich weiß gerade nicht was ich sagen soll?’’ ,, Du kannst trotzdem ganz normal mit uns weiterreden. Wir sind keine Außerirdische.’’ lachte Vincent. ,, Eines musst du versprechen. Nichts von dem, was du gleich hören wirst, darf an die Öffentlichkeit getragen werden, ok?’’ Binnen einer Sekunde wechselte er den Gesichtsausdruck von freundlich zu todernst. Ich nickte stumm. Er legte sein Essen bei Seite und holte ein MacBook hervor, das er auf dem Tisch ablegte. Konzentriert bereitete er alles vor und dann ging es auch schon los. Es fiel mir schwer ernst zu bleiben, da Vincent eine Art Hörspiel abspielte, bei dem er mit hoher, piepsiger Stimme über einen sogenannten ‘’ Wurmloard’’ sprach. Nach etwa zehn Minuten war es zu Ende und erwartungsvoll schaute er uns an. ,, Und, wie findet ihr es?  ,, Ähmm. Interessant.’’ sagte ich. Dag hingegen schien genauso begeistert wie Vince zu sein und machte gleich ein paar Vorschläge, wer welchen Part übernehmen könnte. ,, Entschuldigt mich kurz.’’ Ich lief ins Wohnzimmer, da mein Handy klingelte. ,,Wo bist du?’’ ertönte eine Stimme an der anderen Leitung. ,, Wer ist da?’’ fragte ich. Die Stimme kam mir nicht bekannt vor.
,, Erkennst du mich etwa nicht wieder.’’ ein höhnisches Lachen drang durch den Hörer. Panisch legte ich auf. Wer zur Hölle war das? Und was wollte dieser Jemand? Dag und Vincent gesellten sich zu mir. ,, Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.’’  stellte Dag fest. ,, Alles klar bei dir?’’ Keine Reaktion meinerseits, also wedelte Dag nun mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum.
,, Hallo?? Erde an Lisa.’’ ,, Ja ja, alles gut.’’ ich ließ mich auf dem Sofa nieder. ,, Nach alles gut siehst du aber nicht aus. Was ist denn los?’’ besorgt kniete Vincent vor mir, während Dag sich zu mir aufs Sofa setzte. Genau in dem Moment bekam ich eine Nachricht. Als ich die App öffnete, las ich die Zeilen. ,, Du kannst mir nicht entkommen. Auch nicht, wenn du dich bei deinen beiden süßen Helden versteckst.’’ Woher wusste der Unbekannte, wo ich war? Natürlich hatte Dag die Nachricht mitgelesen und nahm mir das Handy aus der Hand. ,, Wer ist das?’’
,, Keine Ahnung.’’ brachte ich nur hervor. ,, Hat die Nachricht etwas mit dem Anruf von gerade zu tun?''
,, Wäre möglich.’’ ,, Und du hast keinen Verdacht, wer das sein könnte?’’ Leicht genervt entgegnete ich. ,,Nein Dag, habe ich nicht! Sonst würde ich hier bestimmt nicht so sitzen.’’ Verteidigend hob er seine Hände ,, Ich wollte nur helfen.’’ Jetzt tat es mir irgendwie leid, dass ich ihn so angepflaumt hatte. Er hatte recht, seine Schuld war es ganz bestimmt nicht. Auch Vincent las sich die Nachricht aufmerksam durch und sein Gesicht wurde nachdenklich. ,, Irgendwie kommt mir die Nummer so bekannt vor.’’
,, Spinn nicht rum Dicker.’’ ,, Ich spinne nicht rum. Ich meine das ernst.’’ ,, Und wer soll das bitte sein?’’ ,, Warte mal.’’ er zog sein Handy aus der Hosentasche, nahm neben uns Platz und scrollte seine Kontaktliste durch. Leider hatte er keinen Erfolg. Keine der Nummern stimmte mit der auf meinem Display überein. ,,Trotzdem kenne ich die Nummer irgendwo her.’’ Er war immer noch überzeugt davon, die angezeigte Nummer schon mal gesehen zu haben. ,, Ach, wisst ihr was? Ist doch auch egal. Wer immer das ist, wollte sich nur einen schlechten Scherz erlauben. Davon lasse ich mir nun garantiert nicht die Laune verderben.’’ Trübsal blasen kam für mich nicht infrage. Deswegen beschloss ich die Nachricht einfach zu ignorieren. Was ich jedoch nicht ignorieren konnte, waren die Kopfschmerzen, die plötzlich wieder auftraten. ,, Sag mal, hast du zufällig eine Kopfschmerztablette für mich?’’ Dag kam mit einem riesigen Karton an Medikamenten wieder. Erschrocken sah ich ihn an und er zuckte nur mit den Schultern. Er stellte den Karton auf meinen Beinen ab und ich kramte mich durch sämtliche Schachteln. Schließlich fand ich Aspirin und schluckte diese mit ein bisschen Flüssigkeit herunter. Beim Zurücklegen der restlichen Tabletten bemerkte ich ein Medikament, von dem ich nicht gedacht hätte, dass Dag er bräuchte. Stillschweigend gab ich ihm den Karton zurück. ,, Hast du heute noch was Besonderes vor, oder hättest du Lust uns ins Studio zu begleiten?’’ fragte Vincent mich neugierig. ,, Geplant hatte ich nichts mehr.. aber…... ‘’ ,, Cool, dann machen wir uns gleich auf den Weg.’’ er sprang vom Sofa auf und packte seine Sachen zusammen. ,, Ist er immer so aufgedreht?’’, richtete ich mich an Dag. Aber so leise, dass Vince es nicht hören konnte.
,, Eigentlich kenne ich ihn so nicht. Also er ist häufiger mal etwas flippiger. Aber so aufgeputscht wie heute, habe ich ihn lange nicht mehr gesehen.’’ Um zum Studio zu gelangen, nahmen wir die U-Bahn. Von Dags Wohnung aus, waren es nur drei Haltestellen bis dorthin. Während wir es uns auf einem Platz gemütlich machten, zog ich mir die Kapuze von Dags Hoodie über. Irgendwie fühlte ich mich beobachtet und hoffte so, unentdeckt zu bleiben. Immerhin saß ich gerade mit den zwei Jungs von SDP in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Hier gab es bestimmt genügend Fans, die die beiden erkannten. Nach etwa 20 Minuten stiegen wir aus und liefen das restliche Stück. ,, Warum hast du eigentlich die Kapuze auf?’’ Dag zog sie mir runter und ich zog sie gleich wieder hoch. ,, Nur so.’’ log ich. Ich wusste genau, dass er mir kein Wort glaubte.
,, Da wären wir.’’ Vincent schloss die Tür zum Tonstudio auf. Ich staunte nicht schlecht, als wir das Gebäude betraten. Vor mir erstreckte sich eine große Wendeltreppe, die oben in einen offenen Raum mündete. Unten befand sich eine kleine Küche mit Bad und einem Abstellraum, der voller Getränke stand. Vor allem Bier. Während ich noch unten rumlief, waren Dag und Vincent schon nach oben gegangen. Als ich mich zu ihnen gesellte, arbeiteten sie gerade konzentriert an ihren Songs. Weil ich nicht stören wollte, nahm ich mir den nächstbesten Stuhl und setzte mich leise dazu.

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